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Schulz, Fritz Traugott [Editor]; Germanisches Nationalmuseum <Nürnberg> [Editor]; Heitz, Paul [Editor]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 13): Die Schrotblätter des Germanischen Nationalmuseums zu Nürnberg — Straßburg, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.21233#0032
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sehen Sammlung und gelangte später an Sotzmann. Aus
dessen Sammlung erwarb es i. J. 1861 T. 0. Weigel für
92 Tlr. Bei der Auktion der Weigeliana am 27. Mai 1872
erzielte das Blatt einen Preis von 161 Tlr. 1874 erschien
es (alles nach Lehrs) noch einmal auf der Auktion D.
D. T. (165 Tlr.) und endete schließlich seine Wanderung
im Germanischen Museum. (Inv.-Kat. Nr. 1692.)
Um 1470.

W. u. Z. 358. — Schreiber 2204. — Lehrs,
Katalog der im Germanischen Museum befindlichen
deutschen Kupferstiche des 15. Jahrhunderts, S. 27—28.
— Waagen, Archiv für die zeichnenden Künste II,
S. 247 u. f.

Das Kolorit, die Behandlung des Hintergrundes, das
Vorkommen der Windmühle sprechen für eine Entstehung
des Blattes am Niederrhein. Nach Schreiber spricht auch
das Wasserzeichen hierfür. Lehrs konstatierte, daß unser
Blatt eine Kopie nach der Anbetung der Könige vom
Meister E. S. (P. II, 52. 125) ist, von der es sich je-
doch durch den veränderten Hintergrund unterscheidet.
Waagen nahm das Schrotblatt als älter und jene als
Kopie darnach an.

16. Maria mit dem Kinde und S. Bern-
hard von Clairvaux.

Der in einem Zimmer spielende Vorgang ist als
Illustration einer bestimmten Version der Legende des
h. Bernhard von Clairvaux aufzufassen. Bekanntlich gilt
dieser als ein besonderer Freund des Heilandes und der
h. Jungfrau. Maria und der Heilige stehen, als Drei-
viertelfiguren sichtbar, hinter einem mit einem wirksam
gemusterten Teppich belegten Tisch. S. Bernhard ist zu
dreiviertel nach links gewandt, hat die Hände anbetend
zusammengelegt und ist mit einem reichfaltigen Mönchs-
gewand bekleidet. Das Haupt ist bis auf eine Stirnlocke
und einen spärlichen Haarkranz glatt geschoren. Im
linken Arm ruht ein Krummstab, der in einem offenen
Baldachin die Maria mit dem Kinde zeigt. Nach oben
hin ist er mit Krabben besetzt, schneckenartig umge-
bogen und endet in einer wellenförmig verlaufenden
Blattranke. Die Madonna ist in korrespondierender Weise
nach rechts gewandt. Sie hat das um die Hüften ge-
gürtete, enganliegende Untergewand über der linken Brust
geöffnet, aus der sie mit der Rechten einen Milchstrahl
gegen das rechte Auge des Heiligen hervorpreßt. Zur
Erklärung schwebt über diesem ein S-förmig gewundenes
Spruchband, auf dem die Worte «Möstrate esse matrem».
Ein weiter, schwerstoffiger Mantel ist über die Schultern
der Gottesmutter gelegt, durch Anpressen an den Körper
den Linien der Arme folgend. Ihr ausdrucksvolles Haupt
ist auf die linke Brust herabgeneigt und von einer prächtig
gearbeiteten Krone bedeckt, unter der das goldige Haar
in Wellen herabflutet. Mit der linken Hand umfaßt sie

den Jesusknaben, der über einem quastengezierten Kissen
nach links hin auf dem Tisch sitzt. Mit der Rechten
hält er das Ende einer Windel, die über seinen Schoß
gelegt ist. Das Haupt ist nach rechts zur Seite gewandt.
Maria steht vor einem reich gemusterten Wandbehang.
Hinter S. Bernhard treten oben die Quadern der Mauer
unverhüllt hervor, während die Wandfläche unterhalb des
Fensters und hinter dem Heiligen eine einfache Vertäfel-
ung zeigt. Durch das Fenster blickt man auf ein mauer-
umschlossenes Kloster, an dem ein Fluß vorbeiführt, über
den eine Brücke nach jenem hinleitet. Im Hintergrunde
rechts sieht man am Fuß eines mit Bäumen bestandenen
Felsens eine befestigte Stadt liegen. Als Einfassung der
Darstellung dient eine schwarze Linie, die an den Ecken
der Längsseiten wenig eingekrümmt ist. Das weißfarbene
j Papier tritt mit schmalem Rand über dieselbe hinaus.
22,3-22,1 cm h., 16,1 cm br.

Es fällt der klare, sichere Schnitt der Gesichter auf,
der mit kräftigen, holzschnittartigen Linien bewerkstelligt
ist. Obwohl die Antlitze sonst keine weitere Detaillierung
erhalten haben, ist ihre Wirkung doch eine sehr plastische.
Das Untergewand der Maria und der Rock des Heiligen
sind mit regelmäßigen weißen Punkten geperlt. Sie dürften
mit einer Punze geschlagen sein. Das Gewand des Heiligen
hat eine übermäßig hervortretende Gliederung durch
I scharfbrüchige Falten erfahren. Sie bestehen in dicken
! schwarzen Linien, die an einer Seite schmal in Weiß be-
[ grenzt sind. Geperlt sind ferner, und zwar im großen
und ganzen mit gleich großen Punkten, die Quadern der
rechten Zimmerwand und die obere Fläche des Felsens.
Alles übrige ist mittelst des Grabstichels gearbeitet. Der
i Mantel der Maria, die Windel und das Kissen des Knaben
i sind mit feinen Linien kreuzweise schraffiert. Das Kissen
hat außerdem noch eine wirksame Belebung durch weiße
Sternchen erhalten. Die Holzvertäfelung an der Wand ist in
natürlicher Weise gemasert. Zu bewundern ist die freie Art
der Technik, in der die hübschen Muster des Tischteppichs
und des Wandbehangs hergestellt sind. Wir finden hier
keine ängstliche Liniensymmetrie, sondern eine etwas
virtuosere Arrangierung und Gruppierung der sicher ge-
führten Striche, die im ganzen vorteilhaft wirken. Die
Klarheit des Schnittes hat durch die Sauberkeit des Ab-
l drucks noch wesentlich gewonnen.

Die künstlerische Qualität des Blattes ist keine niedrig
stehende. Abstrahieren muß man allerdings von dem in
Bewegung und Ausdruck wenig geratenen Jesusknaben
und dem landschaftlichen Hintergrund, der sich durch
das geöffnete Fenster dem Auge darbietet. Die Zeich-
nung der Hauptfiguren ist eine annehmbare. Die Antlitze
stechen durch ihre wohlgelungene, durch größte Einfach-
heit in den Mitteln erzielte Charakterisierung hervor.
Sehr wohltuend wirkt das geschmackvolle Muster der
Teppiche.

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