Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schreiber, Wilhelm Ludwig; Heitz, Paul [Hrsg.]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 2): Pestblätter des XV. Jahrhunderts — Straßburg, 1918

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12357#0019
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Überhaupt find die Bezeichnungen für die einzelnen Krankheiten in den Chroniken vielfach fehr all-
gemein gehalten: Zur Kennzeichnung der Peft kommen die Ausdrücke «das Sterben» (fterfde, ftervede, fter-
botte), «das große Sterben» (landtfterben, die grote dot>, «Seuche» <fuke>, «jäher Tod», «Beulenpeft» <fter-
botte an der bülen), «Drüfenpelt» ((tervede van den druiffen), «pestis ipidemialis», «pestilentia inguinaria» vor.
Dagegen findet man einige diefer Bezeichnungen auch auf andere Krankheiten angewendet und felbft das Wort
«Peft» Icheint mitunter für lonftige epidemilche Krankheiten gebraucht worden zu fein. —

Dürften auch die vorliegenden Ausführungen das eigentliche Gebiet ziemlich vollltändig erlchöpft haben,
fo verfteht es fich von lelbft, daß man an jenen Orten, wo keine dem hl. Sebaftian geweihte Kapelle in der
Nähe war, fein Gebet auch an andere Heilige richtete.

Zunächlt ftanden natürlich das Gebet an den Gotteslohn und deffen hl. Mutter, das Anrufen der
Schutzheiligen des Wohnortes und das Pilgern zu einem bewährten Wallfahrtsort als Mittel, der göttlichen
Gnade teilhaftig zu werden, zu Gebote. Aus den Bafler und Straßburger Chroniken ergibt fich beiTpi'els —
weife, daß große ProzelTionen zu «vnfer Frowen bilde zu Strasburg», zur Gottesmutter in Totmoos, zur
Maria in Einfiedeln und zum «martelbilde zu Offenburg» fich begaben.

Von folchen Wallfahrten brachte man zur Erinnerung Heiligenbilder in Holzfchnitt und Kupferftich,
wie fie unfere Tafein zeigen, heim und klebte fie an Türen und Wände oder in Truhen und Gebetbücher.
Wie viele der uns erhaltenen Marienbildchen daher auch als Peftblätter in Betracht kommen können, ift gar
nicht zu ermitteln.

An das «Martelbilde» erinnert uns aber die Taf. 40. Der Drucker, deffen Name noch nicht ermittelt
ift, von dem man jedoch weiß, daß er um 1484 tätig war <der Dialekt, namentlich das «au» für «a», z. B.
in Ichlauffen ftatt Ichlafen, läßt einen Schwaben vermuten), hat zur llluftrierung feines Einblattdruckes einen
vielleicht Ichon in feinem Vorrat befindlichen Holzftock verwendet, der den Heiland darftellt, wie er nach er-
littener Marter von einem Engel aulgefangen wird.

Die Tafel 41 liefert den Beweis, daß der gewaltige Umldnvung, der fich am Ausgange des 15. Jahr-
hunderts falt auf allen Gebieten bemerkbar machte, auch an der ärztlichen Kunft nicht fpurlos vorübergegangen
ift. Während das Günther Zainer'fche Flugblatt (Taf. zo> fich noch lediglich auf Vorbeugungsmaßregeln
(Gebete, Räuchern, Wafchungen, Diät, AderlafTen, Abfonderung der Kranken) belbhränkt, die man unter der
Bezeichnung «Regiment der Gefundheit» zufammenfaßte, endet Taf. 40 bereits mit einer Anweifung, was man
im Falle der Erkrankung zu tun habe, kommt doch der Verfaffer nicht über das AderlafTen hinaus. Einen
ganz ähnlichen Abfchnitt weift auch Taf. 31 auf, und zwar macht fich diele Stelle dadurch als eine fpätere
Einfchaltung erkennbar, daß fie nicht in Verfen, fondern in Profa abgefaßt ift. Das Flugblatt <Taf. 41)
des Hans Schauer <er druckte zu Augsburg von etwa 1492 — 1500) zeigt aber infofern einen bedeutenden
Fortfeh ritt, als die Vorfichtsmaßregeln an die zweite Stelle gerückt find, während die eigentlichen Heilvor-
fchriften «wie (ich der menfeh halten fol» den erften Platz einnehmen. Außerdem wird das AderlafTen nicht
mehr als auslchließliches Heilmittel angelehen, Tondern auch ein Pflafter zum Aufziehen der Beulen empfohlen.
Hierauf und auf das Auffchneiden der erweichten Beulen durch einen Arzt hatte zwar Ichon 1482 der Nürn-
berger Barbier Hans Folz in feiner Flugfchrift «ein faft köftlicher Tpruch von der peTtilencz» hingewieTen, aber
die allgemeine Verbreitung des Mittels Tcheiterte an dem WiderTtande vieler Ärzte, die immer noch mit dem
«BeTehen» genug zu tun meinten. Jetzt endlich entfchloflen fich die Vertreter der Heilkunft, die Hände nicht
mehr untätig in den Schoß zu legen, fondern den Kampf gegen die Seuche aufzunehmen, und fo fchlicht ihre
Mittel auch waren, fo bezeichnen fie doch einen Wendepunkt, denn die Verheerungen durch die Peft blieben
von jetzt ab meift auf kleinere Gebiete befchränkt und forderten auch nicht mehr fo viele Opfer wie vordem.
 
Annotationen