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Schreiber, Wilhelm Ludwig; Heitz, Paul [Hrsg.]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 2): Pestblätter des XV. Jahrhunderts — Straßburg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.12357#0011
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Straßburger Sebaftianskalender 1493. Joh. Grüninger. Heitz=Haebler, 100 Kalenderinkunabeln, Nr. 77, Schreiber 3218.

^^JnTKR den Seuchen, deren Namen feit Jahrhunderten, ja feit Jahrtaufenden die Welt in Angft und
Zittern verletzt und bis zum heutigen Tage kaum etwas von leiner Schrecklichkeit eingebüßt hat, fteht
die Pelt obenan.

In alten Chroniken aus der Stauferzeit und der lieh anlchließenden Periode finden (ich nicht leiten Nach-
richten von Peftepidemien, doch gibt es eine leichtere und eine Ichwerere Form diefer Krankheit, und es (cheint,
daß die letztere, die fogenannte indifthe Pelt, vor dem Jahre 1347 nur ausnahmsweife nach Europa gelangt ift.
Ihr fchrecklichftes Wüten hatte auch nach hundertfünzig Jahren leinen Abfdduß gefunden, und bei den Rpidemien
des fechzehnten, fiebzehnten und der erften Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts handelte es fich falt immer nur
um die leiditere Form.

Der byzantinifche Gefdiichtsfchreiber Prokopios <t um 562 n. Chr.) lieferte die erfte genaue Befchreibung
der Beulenpeft, welche zu feiner Zeit das mittägige Europa entvölkerte. Die Krankheitserlcheinungen beginnen
mit hitzigem Fieber,- am zweiten oder dritten Tage fchwellen die Lymphdrüfen in der Leiftengegend und in den
Achlelhöhl en an, gehen dann Ichneil in Eiterung oder Verjauchung über, und am fünften oder lechften Tage
pflegt der Tod einzutreten. Die Verbreitung von Ort zu Ort geht nur langfam vor Geh,- Höhenzüge vermag
die Krankheit nicht leicht zu überlchreiten,- fehr (trenge Kälte oder außergewöhnliche Hitze Icheinen ihr ein Ende
zu bereiten. Von den Erkrankten dürfte in früheren Jahrhunderten feiten mehr als ein Drittel mit dem Leben
davongekommen, ja zuweilen follen neunzig Prozent gefforben fein.

Allerdings find die alten Angaben über die Zahl der Sterbefälle vielfach mit Vorlicht aufzunehmen,
und es ift fixherlich ftark übertrieben, wenn man die Zahl der von 1347 — 1350 der Seuche zum Opfer Gefallenen
auf 25 Millionen berechnen will, aber immerhin waren die Verlufte gewaltig genug. In dem reichen und blühen-
den Italien, wo die Seuche ihren Raubzug begann, wütete fie am ärgften: Venedig foll über 100000, Florenz
60000 {mit Umgebung fogar 96000), Neapel 60000, Genua 40000 Menkhenleben eingebüßt haben. Schon
1348 war he über Kärnthen und Steiermark nach Oberbayern und Oberöfterreich gedrungen, während fie im
folgenden Jahre über die Schweiz den Rhein hinabzog und 1350 das nordweftliche Deutfchland verwüftete. Von
da ab verging kein Jahrzehnt, in dem fie nicht epidemilch aufgetreten wäre, und kaum ein einzelnes Jahr, in
dem he nicht in irgend einem Teile Deutichlands gehäuft hätte. Die Chroniken jener Zeit find überfüllt mit
Nachrichten von dem Auftreten der Peft, aber bald wurde man abgeftumpft, und nur, wenn fie allzu arg
wütete, entlockte fie dem Chroniklchreiber einige Worte des Mitgefühls, fonft begnügte er fich mit der ein-

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