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Heitz, Paul [Hrsg.]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 2): Einzel-Holzschnitte des fünfzehnten Jahrhunderts in der Kgl. Hof- und Staatsbibliothek München / — Straßburg: J.H.Ed. Heitz (Heitz & Mündel), 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.61935#0015
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1. Mariä Verkündigung. Maria mit Heiligen-
schein steht links, halb nach vorn gewendet; vom unbe-
deckten Haupt wallen die Haare herab. In ihrer linken
Hand hält sie ein aufgeschlagenes Buch, ihre rechte hat
sie abwehrend nach vorn erhoben. Rechts kniet vor ihr,
halb gewendet, der Engel, dessen Flügel über seinen
Nimbus emporragen. In seiner linken Hand hält er ein
Szepter, mit seiner rechten macht er eine deutende Be-
wegung. Zwischen den beiden Personen steht am Boden
eine Vase, aus welcher drei unnatürlich lange Blumen-
stengel aufsteigen. Starke Randlinien; die untere davon
läuft nach beiden Seiten bis zum Papierrand weiter, wo-
bei sie sich nach rechts verdickt 63:41.
Schreiber 2882 (49 a).
Bemalung: grün, gelb, karmoisinlack, hellbraun.
Schwarzer Druck.
Das Bildchen ist auf Bl. 192v des Cod. lat. 19 802
eingeklebt. Diese Handschrift stammt aus Kloster Tegern-
see. Ich habe ihrer und ihres Bilderschmuckes schon im
1. Band meiner «Einzel-Holzschnitte» bei Nr. 36 Er-
wähnung getan. Nunmehr ist noch näher auf sie einzu-
gehen. Die Handschrift ist ein kleiner Oktavband von
250 Blättern ; ihren Inhalt bilden Gebete und Meditationen.
Ein mitten hinein gebundener Teil (BL 135—161) ist auf
Pergament geschrieben und entstammt schon dem 14.
Jahrhundert. Die übrigen Teile sind von vier verschiedenen
Händen des 15. Jahrhunderts auf Papier geschrieben. Am
Schluß hat der Rubrikator die Jahrzahl 1461, nachdem
er sie schon auf Bl. 21 lv und 232 v angebracht hatte,
nochmals offenbar als die Zeit, zu welcher er seine Arbeit
vollendete, hingeschrieben. Der Einband, Holzdeckel mit
schwarzem Leder überzogen, stammt aus dem 15. Jahr-
hundert. An leeren Stellen sind zum Schmucke des Büch-
leins 11 Holzschnitte und 1 Kupferstich eingeklebt worden.

Letzterer stellt die hl. Dorothea dar (Repertorium für
Kunstwissenschaft XIV, 13). Er ist eingeklebt worden,
bevor der Schreiber seinen Text schrieb: denn der Text
ist sicherlich erst darnach auf die noch freien Stellen hin-
geschrieben worden, und der Schreiber hat auf den
unteren Papierrand des eingeklebten Stiches zwei Verse
geschrieben. Der Rubrikator, welcher in diesem Falle mit
dem Schreiber des schwarzen Textes identisch ist, hat an
einzelnen Stellen des Kupferstiches rote Farbe aufgesetzt.
Man darf behaupten, daß der Kupferstich schon vor der
Niederschrift der oben genannten Jahreszahl 1461 in dem
Büchlein eingeklebt war. Damit ist für die Datierung des
Kupferstiches und anderer mit ihm zusammenhängender
ein angenehmer Stützpunkt gegeben. Leider kommt er
nicht auch für die Holzschnitte in Betracht. Bei keinem
ist ein solcher äußerer Einfluß auf die Textform zu be-
merken wie bei dem Kupferstich. Sie sind, worauf auch
ihr ganzes Aussehen hindeutet, späteren Ursprungs und
erst später auf leergebliebene Stellen des Büchleins
eingeklebt worden, einer auf die Innenseite des Rück-
deckels (auch auf der Innenseite des Vorderdeckels sind
Spuren eines dort eingeklebt gewesenen, jetzt nicht mehr
vorhandenen Blättchens bemerkbar).
Die 11 Holzschnitte, welche sämtlich in diesem
Bande wiedergegeben werden, gehören zweifellos zu einer
und derselben Reihe. Ja noch mehr: sie sind offenbar
alle auf einem und demselben Holzstock eingeschnitten
gewesen. Bei drei davon (unten Nr. 20, 41 und hier bei
1) zeigt sich nämlich eine dickere Randlinie, welche nach
den beiden Seiten auf den Rand des Papiers weiterläuft.
Bei einem vierten der Bilder (unten Nr. 8) erscheinen so-
gar zwei solche dicke Randlinien, welche in rechtem
Winkel Zusammentreffen. Es ist zweifellos, daß sie die
Ecke einer weiterlaufenden Umrahmung gebildet haben.

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