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Major, Emil; Heitz, Paul [Editor]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 23): Frühdrucke von Holz- und Metallplatten aus den Bibliotheken des Barfüsserklosters in Freiburg i. S. und des Kapuzinerklosters in Luzern — Straßburg, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.7776#0014
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4. St. Johannes Baptista und St. Christo-
pherus. H. 285 mm. B. 190 mm. — Fehlt bei Schreiber.

Farben: Lackrot, weinrot, fleischrot, hell ockergelb,
olivgelb, spangrün, lilagrau.

Johann Baptista etwas durch Wurmfraß beschädigt.
Die Farben sehr gut erhalten.

In dem bei Nr. 2 genannten Buche, auf der Innenseite
des Vorderdeckels aufgeklebt.

Der in zwei Hälften geteilte Holzschnitt zeigt zur
Linken den Täufer Johannes, in die Kamelshaut gehüllt,
deren Kopf und Schwanz zu Boden fallen, und die Lenden
mit einem grünen Weidenzweig umgürtet. Das ernste
Gesicht von roteingefaßtem Scheibennimbus umzogen,
steht er in Schrittstellung auf grasigem Boden und weist
mit der Rechten auf das Gotteslamm mit Siegesfahne, das
auf dem Buche in seiner Linken ruht. Unter dem Bilde
läuft die xylographische Inschrift: • & * Slöljg • ßaptifra * —
Auf der rechten Hälfte des Blattes erscheint der hl. Chri-
stopherus, mit dein Christuskind auf dem Rücken das
Wasser durchquerend. Um sein kurzes, graues Unter-
gewand hat er den Mantel hochgezogen, den er mit der
in die Hüfte gestemmten Linken festhält, indes seine
Rechte sich auf den entwurzelten Baumstamm stützt. Sein
von dichtem Haupthaar und Kinnbart umgebenes Antlitz
schaut wenig zuversichtlich aus, lastet doch auf seinen
Schultern das übermäßig schwere Kind mit dem Welt-
reichsapfel auf der einen und Segen spendend mit der
anderen Hand. Unter der Darstellung bemerkt man die
holzgeschnittenen Worte: • £ ' criftnfarug •, begleitet von
einem unbekannten Meisterzeichen in der Art einer Haus-
marke.

Die Zweiteilung des von gelbausgefülltem Doppel-
strich umrandeten Blattes — das Fehlen jenes auf der
rechten Außenseite rührt von einer Verletzung des Holz-
stockes her — läßt erkennen, daß die beiden Heiligen
ursprünglich zum Schmuck eines Hausaltärchens geschaffen
wurden, auf dessen Flügel das ausgemalte Blatt aufgeklebt
werden konnte.

Die Figuren sind mit derbem, dickem Strich äußerst
kräftig umrissen, groß und dekorativ angelegt. In der
Art, wie sie stehen und zwar feststehen, der eine auf dem
Erdboden, der andere im Wasser, äußert sich das Können
des Zeichners nicht weniger als in der verschiedenen
Charakterisierung der beiden. Es steckt ein gut Stück
Naturbeobachtung darin, wie der magere Johannes mit
seinem Asketengesicht und wie der muskelstrotzende Riese

mit seinem lebensvollen Kopfe überzeugend wieder-
gegeben sind.

Entstanden um 1460—70 in Oberdeutschland.

5. Das Vaterunser. H. 280 mm. B. 172 mm
(rechts beschnitten). — Fehlt bei Schreiber.

Farben: Lackrot, weinrot, ockergelb, braun, spangrün,
hellgrau, schwarzgrau.

Die rechte Hälfte des Blattes fehlt, da sie in alter
Zeit abgeschnitten wurde. Das Blatt ist in der Mitte
unten leicht ausgerissen, in der oberen Hälfte durch Wurm-
fraß etwas lädiert, die rechte Oberecke ist abgerissen.

In dem bei Nr. 1 genannten Buche, auf der Innenseite des
i Vorderdeckels aufgeklebt. Auf dem Vorsatzpapier oberhalb
des Holzschnitts die handschriftl. Notiz: «Anno lxxxiimo».

Links oben in rotem Rahmen zeigt sich auf Wolken
I die Halbfigur des gekrönten und mit goldbesetztem Pur-
purmantel bekleideten Christus. Seine rechte Hand deutet
mit dem Gestus des Segnens auf ein Schriftband, auf
dem in xylographischem Text zu lesen ist: 2Clfo folt tr
peten. Darunter stehen in gleicher Art die Worte der
Anrede: Unter bnfer | 32er bu pift pn ben Rinteln.
In der Rechten hält der Heiland eine herabfallende Schnur,
auf welcher sieben verschiedenfarbige Scheiben mit den
einzelnen Bitten des Vaterunser aufgereiht sind. Diese
lauten: 43eljelgt trjerb öin nam | %\\ fitim Uhr bin rieft
ü5iu Vuill gefefteft aiS in ftimei bnö in erb | Uufer tcgücft
brat gib unß gut | Unb bergifi bnS bnfer fcfiulb 3Mö bnb
i tuir bergrbent unfern fdjulbnern. I tlnb für unß nie in
berfueftung | ^imber erlfiß bn£ ban büel. Links von jeder
Scheibe steht die Erklärung der betreffenden Farbe: lDuji
üebut Hein un bem glauben | 3?labi bebüt .^tet in ber
fiafmtng | Hat bebüt ©erceftt in ber lieb | U3rä bebüt
©aneftper in ber benuttigftett | 43cl bebüt Gebiert in
ber partntjerrsigftett | ®tüen bebüt SDnfancfi in ber tnpß*
fteit -gefttaartj bebüt CIng in ber gcbultigftet't. Die einzel-
nen Sätze des Gebetes sind von hübsch stilisierten Blumen
j begleitet, unter denenNelke und Türkenbund sofort auffallen.

Bei Schreiber ist unter Nr. 1851 ein sehr ähnlicher
Holzschnitt angeführt, dessen Maße mit dem vorliegenden,
falls er in der Breite verdoppelt würde, ziemlich überein-
stimmen würden. Man sieht aus jenem, den Schreiber
in das Jahr 1479 und nach Nürnberg setzt, daß die fehlende
■ rechte Hälfte unseres Blattes, dessen alemannisch-schweize-
^ rischer Dialekt unverkennbar ist, noch die Erklärungen
zu den einzelnen sieben Bitten enthalten haben muß.

Entstanden um 1480 in der Schweiz.
 
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