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Major, Emil; Heitz, Paul [Hrsg.]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 23): Frühdrucke von Holz- und Metallplatten aus den Bibliotheken des Barfüsserklosters in Freiburg i. S. und des Kapuzinerklosters in Luzern — Straßburg, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.7776#0016
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Eingeklebt auf der Innenseite des Vorderdeckels eines |
Exemplars der «Expositio Missae et sacri Canonis», Reut-
lingen 1483 (Hain 6810).

Zwischen den stark bewegten Gestalten der zwei
Schächer hängt Christus langausgestreckt am Balkenkreuz,
dessen Maserung angedeutet ist. Unten links erscheint j
noch der mit dem Kopfschleier bedeckte Kopf der Maria.
Die durch starkgekrümmte Nasen als Juden gekennzeich-
neten Schächer sind an ästige, roh zur Kreuzform zusam-
mengefügte Stämme gebunden. Ihre Körper sind, zumal
bei dem einen, kräftig modelliert. Die tiefen Bauchfalten
und der gekrümmte Rücken des Schächers rechts beweisen,
daß der Künstler ernste Naturstudien getrieben hat. Am
Christuskörper, dessen Kopf vom gestrahlten Kreuzschei-
bennimbus umzogen ist, fallen die virtuos gezeichneten
Hände ganz besonders auf. Auf dem oben am Kreuze
angebrachten Schriftband sind — eine ziemliche Selten-
heit — über den Buchstaben t n t i kleine Abkürzungs-
striche zu sehen.

Seinem ganzen Stile nach scheint der Schnitt aus der
Schule des Spielkartenmeisters zu stammen.

Entstanden am Oberrhein um 1450—1460.

8. St. Georg. Kupferstich. H. 118 mm. B. 151mm.
— Unkoloriert.

Auf allen vier Seiten stark beschnitten. Am Oberrand
an drei Stellen und an der linken Unterecke unterlegt.

Der Heilige sitzt zu Pferde im Harnischgewand, die j
Tartsche vor der linken Brust, das Schwert in der Rechten
und mit der Linken die Zügel haltend. Reiherfedern steigen !
vorn aus dem Schapel auf, welches ihm das Locken-
haar zusammenhält, reiches Zaddelwerk schmückt den |
fliegenden Aermel, das Sattel- und Zaumzeug. Zwischen
den Hufen des Pferdes liegt halb verendet der Drache,
dem der Speer durch den Hals gerannt wurde. Speer-
splitter liegen am Boden verstreut. Rechts wird ein
junger Drache sichtbar, links ein noch kleinerer, in seiner
Nähe auch der Kopf einer Schlange. Während die Er-
legung des Ungeheuers in einem kleinen Tale vor sich
geht, kniet links auf felsiger Erhöhung die Jungfrau Kleo-
dolinde in langem Schlepprock, die Wulsthaube auf dem
Kopf, ihr zur Seite das Lamm. Im Hintergrund dehnt j
sich, von Zinnenmauern umschirmt, eine Stadt mit zwei-
türmigem Tor und phantastischen Kirchtürmen. Rechts
auf einer Anhöhe thront, von Gebüsch umgeben, ein Schloß.

Der von späterer Hand mit dem Stichel überfahrene
und mit unnötigen Querschraffen bedachte Kupferstich
läßt da, wo er noch ziemlich unberührt ist, etwa am
Kopf St. Georgs oder an der Gestalt der Jungfrau, die
einstige Formenschönheit wohl erkennen.

Ein etwas weniger beschnittenes, aber ebenso retu-
schiertes zweites Exemplar dieses Stiches befindet sich im
Britischen Museum zu London. Dasselbe abgebildet bei

Lehrs, Tafel 42 Nr. 113 und besprochen im Textband I,
pag. 338, wo auch das vorliegende Exemplar erwähnt ist.

Nach Lehrs in den Niederlanden um das Jahr 144p
entstanden. Verschiedene Einzelheiten, so die finger-
artigen Grasbüschel, erinnern dagegen stark an den
Oberrhein.

9. St. Antonius. Reiberdruck. H. 180 mm.
B. 122 mm.

Farben: Ockergelb, spangrün, braun, graulila. — Die
Kleider sind graulila und braun getönt, Haare, Kreuzstab,
Nimbus, Schwein und Stange (oben rechts) gelb, Boden
grün.

Linke und rechte Ecke unten, sowie ein Stückchen
in der Mitte unten neu eingesetzt.

Hoch aufgerichtet steht St. Antonius da, in langem
faltigem Gewände, langbärtig, auf dem Kopf die runde
Kappe, die ein Scheibennimbus umzieht. Mit der rechten
Hand lehnt er sich auf den Kreuzstab, an dem zwei Glöck-
chen baumeln, und mit der Linken rafft er den an der linken
Schulter mit aufgenähtem T-kreuz verzierten Mantel und
hält ein geschlossenes Buch. Zu seinen Füßen brennt
Feuer auf dem mit Rautenfliesen geplättelten Boden und
knieen zwei Menschenkinder, die ihn anrufen. Links eine
Nonne im Klostergewand und Kopfschleier, mit einem
Hahn auf den Händen, den sie als Gabe darbringt. Rechts
ein Mann in gegürtetem Rock, die linke Hand auf das
neben ihm stehende Schwein, an dessen Halsband eine
Glocke sitzt, gelegt, die rechte, die vom Antoniusfeuer
ergriffen ist, zum Heiligen emporhaltend, der Rettung
bringen soll. Oben rechts hängen an einer Stange Votiv-
glieder, ein Fuß und eine Hand. Sie sind von solchen
gestiftet, die, am Antoniusfeuer leidend, durch Invokation
des Heiligen Genesung fanden. Diese Krankheit, mit
ihrem eigentlichen Namen Brandseuche oder Mutterkorn-
brand genannt, war epidemisch und richtete im Mittel-
alter arge Verheerungen an. Sie bestand in einem Brandig-
werden einzelner Glieder und soll durch das Anrufen des
hl. Antonius geheilt worden sein.

Auf dem Hintergrund des Blattes sind eigentümliche,
zickzackartige Wolken angebracht. Neben der rechten
Hand des Heiligen liest man die xylographische Zahl 15,
die durch späteres Hinzuschreiben der Ziffern 7 und 9 (auf
der rechten Seite) zur Jahreszahl 1579 ergänzt worden ist.
Desgleichen wurden damals die Buchstaben L 0 R G mit
Tinte darüber hingeschrieben.

Der Holzschnitt zeigt viele Uebereinstimmungen mit
dem auf Tafel 14 der «Holzschnitte und Schrotblätter
aus der kgl. Universitätsbibliothek zu Tübingen> (Straß-
burg 1906, Text von W. L. Schreiber) abgebildeten Me-
tallschnitt mit der gleichen Darstellung. Noch näher scheint
er freilich Schreiber Nr. 1225 zu stehen.

Entstanden in Oberdeutschland um 1480—1500.

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