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Schreiber, Wilhelm Ludwig [Editor]; Heitz, Paul [Editor]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 6): Holzschnitte des fünfzehnten Jahrhunderts in der Königlichen Landesbibliothek zu Stuttgart — Straßburg, 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.17237#0010
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eschinger Passion,1 aber während sich dort alles neuen künstlerischen Anschauungen an-
zupassen versucht, klebt der Zeichner hier noch völlig am Alten. Das Einzige, was er
hinzufügt, das Pfeilerwerk an den Seiten mit den beiden Eckverzierungen, gereicht dem
Ganzen keineswegs zum Vorteil, denn dadurch werden nur die schwarzen und weißen
Dreiecke, die das Dach des Hauses andeuten sollen, unverständlich. Christus selbst trägt
noch ein langes Hüfttuch, die beiden Henker sind mit weiten, bis an die Kniee reichen-
den Röcken bekleidet, und das Haar des rechts befindlichen ist ganz nach alter Weise
gekämmt. Sehr interessant würde es jedenfalls sein, diesen Holzschnitt mit dem etwas
kleineren zu vergleichen, den ich Manuel I, Nr. 304 beschrieben habe. Die Entstehungszeit
unseres Blattes, das in dem Cod. theol. et phil. 40 Nr. 54 gefunden wurde, ist gegen
1450 anzusetzen.

2. Christus am Kreuz und die kränkliche Frau. Der Kranken, die sorgenvoll in
einem Lehnstuhl sitzt, erscheint der Gekreuzigte neben den Werkzeugen seines Leidens.
Ein Spruchband mit xylographischer Inschrift schwebt in der Mitte des Zimmers, und
unterhalb des Bildes ist ein dreizeiliger, ebenfalls in Holz geschnittener Text. 17$ : iij.

(S. 969). Kolorit: Grün, rosa, grau, blasses gelb. Schwarzer Druck.

«Trost im Leiden» wäre die passendste Bezeichnung für diese Darstellung. Die
Frau, die in der Unterschrift als ein kranker, armer und mißachteter Mensch bezeichnet
wird (das mittelhochdeutsche smaehen bedeutet verächtlich behandeln), klagt dem Herrn
ihr Leid. Da erscheint ihr dieser und ruft ihr die Worte zu:

J|e ftmicfter bu üift ne lieber bu mir üift

Jfe ermer bu üift. ne gludjer mir Di fr

ttc berfdjmecfjte1 bu mfr. ue neljrr bu mir üift

Es ist der nämliche Gedanke wie auf dem Holzschnitt (Manuel II, i8}8), wo der
Schmerzensmann die Worte spricht «Sun gib mir din hercz [| den ich lieb hab. Dem || laß
ich straff nit ab». Jenes Blatt ist in Ulm entstanden, wie der beigefügte Wappenschild
beweist, und auch Hans Husser, dessen Namen sich am Schlüsse unseres Textes befindet,
hat dort gelebt. Auf einem andern Holzschnitt, der den Tod im Höllenrachen darstellt
(Manuel II, 1894), nennt er sich «Hans hauser briefmaler zu Ulme». Jener ist mit einem
längeren typographischen Text versehen, und deshalb hat Proctor (III, S. 7*1, 2598 A) auch
Hauser in die Zahl der dortigen Buchdrucker aufgenommen. Die von Haebler (Typenre-
pertorium, S. 110) bedingungsweise ausgesprochene Vermutung, daß er mit dem Drucker
der Niclas Hauser-Fahrt identisch sei, dürfte jedoch nach dem Faksimile seiner Typen,
das sich bei Campbell Dodgson, Catalogue of woodeuts in the British Museum, London
1903, Vol. I, p. 119 befindet, nicht zutreffen. Das vorliegende Blatt ist anscheinend
zwischen 1480—1490 entstanden.

1 Vgl. W. L. Schreiber, Holzschnitte des fünfzehnten Jahrhunderts in den Fürstl. Fürstenbergischen Samm-
lungen zu Donaueschingen. Herausgegeben von P. Heitz, Straßburg 1907.

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