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Schreiber, Wilhelm Ludwig [Editor]; Heitz, Paul [Editor]
Einblattdrucke des fünfzehnten Jahrhunderts (Band 8): Holzschnitte des fünfzehnten Jahrhunderts in den Fürstlich Fürstenbergischen Sammlungen zu Donaueschingen: mit 20 handkolorierten Tafeln in Hochätzung — Straßburg, 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.17236#0016
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Verleugnung- Petri. Die Hand ist anscheinend diejenige des Petrus, als er sich ver-
schwor, Christum nicht zu kennen: sonst pflegt gewöhnlich die Hand dargestellt zu
werden, die dem Herrn den Backenstreich gab oder diejenige, die ihn bei der Haarlocke
ergriff. Der Strick erinnert an die Martersäule oder an die Gefangennahme des Heilands;
die Glocke soll vielleicht die Stunde andeuten (es war aber der Rüsttag in den Ostern,
um die sechste Stunde Joh. 19, 14J;' die Palme ist das Sinnbild Christi, als er von
Pilatus dem Volke gezeigt wurde. Das nächste Bild stellt die Juden dar, die Christi
Tod fordern und rufen «Sein Blut komme über uns und über unsre Kinder»; das
darunter befindliche wahrscheinlich den Schmerz Maria über das von Pilatus ausge-
sprochene Todesurteil. Nun folgt der Speer, mit dem einer der Kriegsknechte des
Herrn Seite öffnete, und das letzte Bild könnte den Tod Christi sinnbildlich darstellen.

Fast noch schwieriger ist die Entstehungszeit des Holzschnitts zu ermitteln, denn
den einzigen Anhalt bietet der Rock des Juden mit seinem bunten Kragen. Derartige
Gewänder finden sich in mehreren Bilderhandschriften, z. B. in einem der Universitäts-
bibliothek zu Würzburg gehörenden Schachzabelbuch, doch läßt sich von den mir be-
kannt gewordenen nur sagen, daß sie etwa um die Mitte des XV. Jahrhunderts ent-
standen sind. Damit stimmt der Faltenwurf unseres Holzschnitts, soweit sich aus dem
spärlichen Vorkommen desselben überhaupt urteilen läßt, überein, so daß wir vermuten
dürfen, daß er zwischen 1440 und 1465 entstanden sei.

18. Der Jesusknabe im Tempel. Er sitzt auf einem treppenartigen Aufbau und
legt vier jüdischen Gelehrten, die um ihn herumsitzen, die Schrift aus. Maria tritt von
rechts herein. 89: 65.

(S. 127a). Kolorit: Blaßbraun, rosa, gelb, grün. Schwarzer Druck.

Luk. 2, 42 — 51 berichtet, daß, als Jesus zwölf Jahre alt war, seine Eltern nach
der Feier des Osterfestes nach Hause zurückkehrten, er aber allein in Jerusalem zurück-
blieb. Die über den Verbleib des Kindes bekümmerte Mutter kehrte nach Jerusalem
zurück und fand es dort im Tempel unter den Lehrern sitzen. Diese Szene, die unter
«die sieben Schmerzen Mariä» gerechnet wird, ist nicht nur im XV. Jahrhundert sondern
auch in den späteren Postillen zu unzähligen Malen in derselben Weise wie auf dem
vorliegenden Blatte dargestellt worden. Eine besondere Beachtung kann nur die in der
Mitte vorn am Boden sitzende Gestalt beanspruchen, die einen Mantel trägt, der dem
Meßgewand der Geistlichkeit ähnelt und einen wunderlichen Gegensatz zu dem Juden-
hut des links hinten befindlichen Mannes bildet. - In der Wirklichkeit trägt auf noch
älteren Darstellungen dieselbe Figur eine Gugel mit zopfartigem Schwanz. Da diese
Kopfbedeckung, deren Zipfel zuweilen eine Länge von anderthalb Ellen erreichte, seit
dem Ende des XIV. Jahrhunderts außer Mode gekommen war, so glaubte der Holz-
schneider sein Vorbild abändern zu müssen, und gab dem Gewände die vorliegende
Gestalt. Die Entstehungszeit des Blattes ist auf etwa 1450—1465 anzusetzen und seine
Illuminierung stimmt mit der vorhergehenden Passion ziemlich überein.
 
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