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Eberlein, Kurt Karl
Theaterkunst und Kunstwissenschaft — [o.O.], 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.43347#0010
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hundert aus Frankreich über den Niederrhein nach Deutschland kommt, was
schon Mone behauptete, und überall volkstümlich bis ins Fastnachtsspiel fortlebt.
Wenn man die Theaterkostüme der Christiana und Judäa mit den bekannten
bemalten Portalfiguren in Paris, Reims, Straßburg, Freiburg vergleicht und die
Einzelheiten der Bühnenspiele beachtet, so sieht man wieder, daß die lebendige
biblia pauperum der Mysterien bedeutende Einwirkungen der Kunst geschenkt
hat. Typische Einzelheiten wie die für die Bühne nötige dünne Schleierbinde der
Synagoge, ihre zerbrochene Speerfahne, ihr fehlender Mantel, das Ochsenjoch, der
Geldbeutel, die fehlende Krone, Esel oder Ziegenbock als Reittier, die Schlange
und das Teufelchen dabei, all das verweist auf das Spiel. Die Spieltrennung
der beiden Frauen vor ihrem Bühnenhäuschen, der Ecclesia vor dem Kapellen-
häuschen, dem „cristenen huss“, der Synagoge vor der „jüdenschül“, dies spiegelt
sich genau in einer burgundischen Handschrift des 15. Jahrhunderts (Ms. 166
Paris B. N.), wo das Spiel z. T. im Schiff und im Chor der Kirche spielt. Auch
die männliche Gestalt des alten Synagoga erscheint in einem kölnischen Tafel-
bild von Sigmaringen. Nebenbei weist uns Weber auf andere Spielzüge in Bil-
dern hin, so auf die Spielszene des Christus am Höllentor, der den Adam bei der
Hand faßt, so daß die anderen alle folgen, die Altväter nackt oder in weißen
Kleidern und ,,vil kleiner Kinder gantz nackent vor inen mit uffgehepten Hän-
den“, wie wir es in der Bildtafel des Hans Frieß im Museum von Fribourg
sehen. Vor allem beobachtete Weber schon, daß die Propheten und Sibyllen zu-
weilen auf einer Brüstung und Empore erscheinen, das breite Spruchband des
Spiels (ein großer Rym) in der Hand, wie es uns Tom Ring in Augsburg, Zeitblom
in Stuttgart darstellen. Ich kann und will hier nicht auf das wichtige Problem des
Lettner- und Emporenspiels, auf das Mitspielen des Lettner und auf alle die Fragen
eingehen, die uns der bekannte Einsiedeln-Stich des Meisters E. S., das EcceHomo-
Bild des Schäuffelein in Schleißheim und andere Kunstwerke bis zur Jesuiten-
lettnerbühne aufgeben. Diese noch ungelöste Frage, die des berufenen Fachmannes
bedarf, ist wichtig genug, zumal sicher der Lettner, der Emporenumgang, aber
auch die Musikempore zum Spiel herangezogen worden sind, wie man ja schon den
höheren Chor der romanischen Zeit für gewisse Spiele benötigte und dann auch am
Rathaus Erker, Balkon und Treppe für das Passionsspiel benutzte. Die Spiel-
sitte, den Darstellern ihren Spielnamen auf Spruchbänder oder vorn auf das Kleid
zu schreiben, findet sich auch in den Werken der Kunst wieder (noch in Breughels
Stichen ,,Elck“ und „Temperance“). Nur in der Fronleichnamsprozession trug man
den Namen auf dem Rücken. Die Darstellung der Teufel ergibt, wie ich sagte,
noch zwingendere Beweise für den Einfluß des Spiels auf die Kunst. All die Teufels-
spiele, Antichrist-Spiele, Höllenszenen u. a. gaben der Teufelsfigur, die seit dem

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