Links: Studien für den Guss des
„Pferdes“ - Kgl. Sammlung
Windsor, Nr. 12349
Rechts: Studien für den Guss des
„Pferdes“ - Cod. Atl., fol. 216 verso-a
Studie eines sich bäumenden Pferdes
für das Monument von Francesco
Sforza - Kgl. Akademie - Venedig
Studie für das Monument von Fran-
cesco Sforza - Kgl. Sammlung -
Windsor, Nr. 12356 verso
Studien für das Monument von Fran-
cesco Sforza - Kgl. Sammlung -
Windsor, Nr. 12359
Es ist in diesem Augenblick schwierig für ihn, die Einladung des Bischofs Fabrizio Marliani
nach Piacenza anzunehmen* Der Brief ist sehr eigentümlich, weil er von einem Dritten geschrieben
zu sein vorgibt* Aber er trägt ganz den Stil des Künstlers, der sich hier in einer sehr eindringlichen
Weise selbst lobt* Er sagt nämlich: „Piacenza ist Durchgangsboden gerade wie Florenz, wo viele
Fremde zusammenströmen, die, wenn sie die guten und schönen Werke betrachten, von ihnen sich
selbst den Eindruck verschaffen, jene Stadt sei mit würdigen Einwohnern versehen“* Er stellt hier
die Bedeutung des Fremdenverkehrs ins rechte Licht, indem er die Stadt zum Ziel der Reisenden
machen möchte* Und dann folgen die eigenen Lobeshymnen: „Ich weiss Euch zu vermelden, dass
Ihr aus diesem Boden nichts anderes ziehen werdet als Arbeiten von derber und von niedriger und
grober Machart; nicht ein Mann ist da, der taugt, und glaubet es mir, ausser Leonardo dem Floren-
tiner, der das Pferd des Herzogs Francesco in Bronze macht, welcher nicht notwendig hat, auf das
zu achten, denn er hat für die Zeit seines Lebens zu tun, und ich zweifle, weil es ein gar so grosses
Werk ist, dass er es jemals zu Ende bringt“*
Er ging nicht nach Piacenza, sondern blieb in Mailand*
Auf jeden Fall scheint es erwiesen, dass Leonardo in diesem Jahre 1498 in der berühmten
„Sala delle Asse“ gearbeitet hat* Ein am 21* April 1498 geschriebener Brief Gualtieros, eines Ver-
trauten des Herzogs, an Ludovico, gibt darüber Auskunft*
Auch arbeitete Leonardo damals, wie Beltrami berichtet, in der „Saletta negra“ und in den
„Camerini“* Glaubhaft ist, dass die „Sala delle Asse“ zwischen 1496 und 1499 ausgemalt wurde*
Ein Werk von typisch leonardeskem Geschmack: der Meister gefiel sich in komplizierten Zeichnun-
gen verflochtener Baumäste und eigenartiger Verknotungen, wie es auch in Lomazzos „Traktat von
der Malerei“ bezeugt ist: „Man hat auch in den Bäumen eine schöne Erfindung Leonardos gesehen,
der alle Zweige in verschiedene bizarre Gruppen bringt, welche Art und Weise auch noch Bramante
benutzte, und sie alle miteinander verflocht“* Die enge Freundschaft, die Bramante mit Leonardo
verband, ist ja bekannt* Letzterer wurde schliesslich auch zusammen mit Bramante, Giangiacomo
Dolcebuono und Giovanni Bataggio aus Lodi zum herzoglichen Ingenieur ernannt* Und wenn Bra-
mante der Architekt kirchlicher und ziviler Bauten war, so Leonardo Militärbaumeister und Inge-
nieur für Wasserkünste* Doch der geniale Techniker hatte den Künstler in sich noch nicht getötet*
Das „Abendmahl“ im Monastero delle Grazie wurde ihm wahrscheinlich nach 1495 in Auftrag
gegeben* Es muss dem Künstler, der in der Technik das Mittel zur Erzielung ganz neuer künstleri-
scher Wirkungen suchte, eine unsagbare Mühe bereitet haben* Unvermittelt verliess er manchmal
das im Herzogspalast in Konstruktion befindliche „Pferd“, um nach S* Maria delle Grazie zu eilen
und am „Abendmahl“ einen Strich zu tun* „Ich sah ihn auch — wie Bandello erzählt — von der
Corte Vecchia fortgehen, wo er jenes wundervolle Pferd aus Lehm komponierte, und direkt zu Santa
Maria delle Grazie kommen, auf das Gerüst steigen, den Pinsel ergreifen, einer jener Figuren
zwei, drei Pinselstriche geben und sofort wieder weg und anderswohin gehen“* Im Dahineilen beo-
bachtete er, notierte in Hast in seinen Notizbüchern verstümmelte Sätze, die ihm als Gedächtnisstütze
dienten, skizzierte summarische, schematische Zeichnungen, die erst zu späterer Ausführung bestimmt
waren: doch über anderen Gedanken vergass er die Idee, und nur die Skizze blieb* Er beobachtete
alles: so finden wir auf einem Blatt des Cod* Atlanticus (fol* 225 recto) die Erwähnung eines Buches
— vielleicht von Beroldo —, das von Mailand und seinen Kirchen handelt, und er notiert dazu:
„welches der letzte Papierladen hinter Corduse hat“* Auf seinen Gängen zwischen dem herzoglichen
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„Pferdes“ - Kgl. Sammlung
Windsor, Nr. 12349
Rechts: Studien für den Guss des
„Pferdes“ - Cod. Atl., fol. 216 verso-a
Studie eines sich bäumenden Pferdes
für das Monument von Francesco
Sforza - Kgl. Akademie - Venedig
Studie für das Monument von Fran-
cesco Sforza - Kgl. Sammlung -
Windsor, Nr. 12356 verso
Studien für das Monument von Fran-
cesco Sforza - Kgl. Sammlung -
Windsor, Nr. 12359
Es ist in diesem Augenblick schwierig für ihn, die Einladung des Bischofs Fabrizio Marliani
nach Piacenza anzunehmen* Der Brief ist sehr eigentümlich, weil er von einem Dritten geschrieben
zu sein vorgibt* Aber er trägt ganz den Stil des Künstlers, der sich hier in einer sehr eindringlichen
Weise selbst lobt* Er sagt nämlich: „Piacenza ist Durchgangsboden gerade wie Florenz, wo viele
Fremde zusammenströmen, die, wenn sie die guten und schönen Werke betrachten, von ihnen sich
selbst den Eindruck verschaffen, jene Stadt sei mit würdigen Einwohnern versehen“* Er stellt hier
die Bedeutung des Fremdenverkehrs ins rechte Licht, indem er die Stadt zum Ziel der Reisenden
machen möchte* Und dann folgen die eigenen Lobeshymnen: „Ich weiss Euch zu vermelden, dass
Ihr aus diesem Boden nichts anderes ziehen werdet als Arbeiten von derber und von niedriger und
grober Machart; nicht ein Mann ist da, der taugt, und glaubet es mir, ausser Leonardo dem Floren-
tiner, der das Pferd des Herzogs Francesco in Bronze macht, welcher nicht notwendig hat, auf das
zu achten, denn er hat für die Zeit seines Lebens zu tun, und ich zweifle, weil es ein gar so grosses
Werk ist, dass er es jemals zu Ende bringt“*
Er ging nicht nach Piacenza, sondern blieb in Mailand*
Auf jeden Fall scheint es erwiesen, dass Leonardo in diesem Jahre 1498 in der berühmten
„Sala delle Asse“ gearbeitet hat* Ein am 21* April 1498 geschriebener Brief Gualtieros, eines Ver-
trauten des Herzogs, an Ludovico, gibt darüber Auskunft*
Auch arbeitete Leonardo damals, wie Beltrami berichtet, in der „Saletta negra“ und in den
„Camerini“* Glaubhaft ist, dass die „Sala delle Asse“ zwischen 1496 und 1499 ausgemalt wurde*
Ein Werk von typisch leonardeskem Geschmack: der Meister gefiel sich in komplizierten Zeichnun-
gen verflochtener Baumäste und eigenartiger Verknotungen, wie es auch in Lomazzos „Traktat von
der Malerei“ bezeugt ist: „Man hat auch in den Bäumen eine schöne Erfindung Leonardos gesehen,
der alle Zweige in verschiedene bizarre Gruppen bringt, welche Art und Weise auch noch Bramante
benutzte, und sie alle miteinander verflocht“* Die enge Freundschaft, die Bramante mit Leonardo
verband, ist ja bekannt* Letzterer wurde schliesslich auch zusammen mit Bramante, Giangiacomo
Dolcebuono und Giovanni Bataggio aus Lodi zum herzoglichen Ingenieur ernannt* Und wenn Bra-
mante der Architekt kirchlicher und ziviler Bauten war, so Leonardo Militärbaumeister und Inge-
nieur für Wasserkünste* Doch der geniale Techniker hatte den Künstler in sich noch nicht getötet*
Das „Abendmahl“ im Monastero delle Grazie wurde ihm wahrscheinlich nach 1495 in Auftrag
gegeben* Es muss dem Künstler, der in der Technik das Mittel zur Erzielung ganz neuer künstleri-
scher Wirkungen suchte, eine unsagbare Mühe bereitet haben* Unvermittelt verliess er manchmal
das im Herzogspalast in Konstruktion befindliche „Pferd“, um nach S* Maria delle Grazie zu eilen
und am „Abendmahl“ einen Strich zu tun* „Ich sah ihn auch — wie Bandello erzählt — von der
Corte Vecchia fortgehen, wo er jenes wundervolle Pferd aus Lehm komponierte, und direkt zu Santa
Maria delle Grazie kommen, auf das Gerüst steigen, den Pinsel ergreifen, einer jener Figuren
zwei, drei Pinselstriche geben und sofort wieder weg und anderswohin gehen“* Im Dahineilen beo-
bachtete er, notierte in Hast in seinen Notizbüchern verstümmelte Sätze, die ihm als Gedächtnisstütze
dienten, skizzierte summarische, schematische Zeichnungen, die erst zu späterer Ausführung bestimmt
waren: doch über anderen Gedanken vergass er die Idee, und nur die Skizze blieb* Er beobachtete
alles: so finden wir auf einem Blatt des Cod* Atlanticus (fol* 225 recto) die Erwähnung eines Buches
— vielleicht von Beroldo —, das von Mailand und seinen Kirchen handelt, und er notiert dazu:
„welches der letzte Papierladen hinter Corduse hat“* Auf seinen Gängen zwischen dem herzoglichen
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