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DAS NEUE ALEX AXDRIA.
ftärker und mächtiger als wir mit unferer Menge; ein Mann von ihnen ift fo viel als hundert von
uns; denn fie fuchen den Tod, der ihnen lieber ift als das Leben.» Und als er dann mit dem
Feldherrn des Chalifen Frieden fchlofs, da fagte er ihm zwei Dinare Kopfftcucr für jeden Aegypter
zu und ftellte die Bedingung, dafs mit den Griechen in der Folge kein Friede gcfchloffen werde,
bis fie alle zu Sklaven gemacht und ihr Vermögen als Beute erklärt fei; denn fo verdienten fie es.
Aber die Griechen leifteten trotz des Abfalls der Kopten tapfern Widerftand und es gab lange
um Alexandrien zu kämpfen, das mit vielen Thürmen, die Geh gegenfeitig deckten, ftark befeftigt
war, bis es am i. Moharram des Jahres 20 nach der Flucht des Propheten (am 10. Dezember 641)
in die Hände der Araber fiel.
Damals noch foll die Bevölkerung der Stadt lieh auf fechsmalhunderttaufend Einwohner
belaufen haben, aufser fiebzigtaufend Juden, die fchon vor ihrer Einnahme die Flucht ergriffen
hatten. Unter den Zurückbleibenden befanden lieh vierzigtaufend Israeliten und zweimalhundert-
taufend Griechen. Diefe hohen Zahlen find überrafchend und nicht minder die Angaben über
den Beftand des Vermögens einiger befonders reicher Aegypter in jener Zeit. Ein Kopte, der
überführt wurde, den Griechen die Schwächen der Muslimen verrathen zu haben, befafs dreizehn
Millionen, ein anderer, Namens Petrus, zwölf Millionen Dinare.
Amr, der Feldherr des Chalifen, behandelte die Beliegten mit Schonung.
Die häufig wiederholte Erzählung, er habe die viertaufend Bäder Alexandrias fechs Monate
lang mit den Büchern aus den Bibliotheken heizen laffen, weil der Chalif Omar gefagt habe:
«Widerfprcchen fie dem Koran, fo find fie fchädlich; ftimmen fie mit ihm überein, unnütz,»
beruht auf Erfindungen aus fpäterer Zeit. Die grofsen öffentlichen Bibliotheken waren aufgelöst
und die koftbarften Bücher gewifs längft nach Konftantinopel gefchafft worden, als die Stadt den
Arabern zufiel.
Ehe der Kaifer Konftantin Alexandrien und Aegypten völlig aufgab, fandte er noch eine
Flotte an den Nil.
Die ägyptifchen Griechen follen fie herbeigerufen haben, als Amr auf die Frage eines
Ortsvorftehers, wie hoch lieh die Kopfftcucr noch belaufen werde, auf die Mauer einer Kirche
zeigend, die Antwort ertheilte: «Und wenn Du mir einen Berg Goldftücke, von der Grundmauer
bis aufs Dach, gäbeft, fo würde ich doch nicht fagen, dafs es genug fei, denn ihr leid unlere
Schatzkammer; brauchen wir viel, fo nehmen wir viel, brauchen wir wenig, lo nehmen wir wenig.»
Bei Nakjus kam es zum Kampfe. Der Sieg ward den Arabern nicht leicht gemacht, und als
fie ihn erfochten hatten, liefs Amr die Mauern Alexandrias abbrechen; denn er hatte gefchworen,
dafs er es von allen Seiten zugänglich machen wolle, wie das Haus einer Dirne.
Ganz Aegypten gehörte von nun an den Arabern, und eine neue Kultur ichlug Wurzel in
feinem Boden und breitete fich aus in üppigem Wachsthum.
Zauberhaft ift die Schnelligkeit, mit der der Islam in jener Zeit leinen Formen und feinem
Wefen die eroberten Fände zu affimiliren verftand.
Mit echt ägyptifcher Zähigkeit hielten zwar zahlreiche Koptengemeinden an ihrem alten
Glauben feft, taufend andere traten aber zu der Religion des Propheten über. Die Kirchen und
Klöfter verfielen, und die fchlanken, mit dem Neumond gekrönten Minarete überragten hoch die
Thürme der chriftlichen Kirchen. Bald erblühte ein neues, reiches Leben in den muhammedanifchen
Landen. Kunft und Wiffenfchaft, Handel und Gewerbe kamen zu mächtigem Auflchwung, und
die grofsen Erwerbungen jener eigenartigen Kultur und Zeit blieben nicht ohne Einflufs auf
Europa und wirken heute noch, wie wir fehen werden, unter uns fort. Noch einmal war es
DAS NEUE ALEX AXDRIA.
ftärker und mächtiger als wir mit unferer Menge; ein Mann von ihnen ift fo viel als hundert von
uns; denn fie fuchen den Tod, der ihnen lieber ift als das Leben.» Und als er dann mit dem
Feldherrn des Chalifen Frieden fchlofs, da fagte er ihm zwei Dinare Kopfftcucr für jeden Aegypter
zu und ftellte die Bedingung, dafs mit den Griechen in der Folge kein Friede gcfchloffen werde,
bis fie alle zu Sklaven gemacht und ihr Vermögen als Beute erklärt fei; denn fo verdienten fie es.
Aber die Griechen leifteten trotz des Abfalls der Kopten tapfern Widerftand und es gab lange
um Alexandrien zu kämpfen, das mit vielen Thürmen, die Geh gegenfeitig deckten, ftark befeftigt
war, bis es am i. Moharram des Jahres 20 nach der Flucht des Propheten (am 10. Dezember 641)
in die Hände der Araber fiel.
Damals noch foll die Bevölkerung der Stadt lieh auf fechsmalhunderttaufend Einwohner
belaufen haben, aufser fiebzigtaufend Juden, die fchon vor ihrer Einnahme die Flucht ergriffen
hatten. Unter den Zurückbleibenden befanden lieh vierzigtaufend Israeliten und zweimalhundert-
taufend Griechen. Diefe hohen Zahlen find überrafchend und nicht minder die Angaben über
den Beftand des Vermögens einiger befonders reicher Aegypter in jener Zeit. Ein Kopte, der
überführt wurde, den Griechen die Schwächen der Muslimen verrathen zu haben, befafs dreizehn
Millionen, ein anderer, Namens Petrus, zwölf Millionen Dinare.
Amr, der Feldherr des Chalifen, behandelte die Beliegten mit Schonung.
Die häufig wiederholte Erzählung, er habe die viertaufend Bäder Alexandrias fechs Monate
lang mit den Büchern aus den Bibliotheken heizen laffen, weil der Chalif Omar gefagt habe:
«Widerfprcchen fie dem Koran, fo find fie fchädlich; ftimmen fie mit ihm überein, unnütz,»
beruht auf Erfindungen aus fpäterer Zeit. Die grofsen öffentlichen Bibliotheken waren aufgelöst
und die koftbarften Bücher gewifs längft nach Konftantinopel gefchafft worden, als die Stadt den
Arabern zufiel.
Ehe der Kaifer Konftantin Alexandrien und Aegypten völlig aufgab, fandte er noch eine
Flotte an den Nil.
Die ägyptifchen Griechen follen fie herbeigerufen haben, als Amr auf die Frage eines
Ortsvorftehers, wie hoch lieh die Kopfftcucr noch belaufen werde, auf die Mauer einer Kirche
zeigend, die Antwort ertheilte: «Und wenn Du mir einen Berg Goldftücke, von der Grundmauer
bis aufs Dach, gäbeft, fo würde ich doch nicht fagen, dafs es genug fei, denn ihr leid unlere
Schatzkammer; brauchen wir viel, fo nehmen wir viel, brauchen wir wenig, lo nehmen wir wenig.»
Bei Nakjus kam es zum Kampfe. Der Sieg ward den Arabern nicht leicht gemacht, und als
fie ihn erfochten hatten, liefs Amr die Mauern Alexandrias abbrechen; denn er hatte gefchworen,
dafs er es von allen Seiten zugänglich machen wolle, wie das Haus einer Dirne.
Ganz Aegypten gehörte von nun an den Arabern, und eine neue Kultur ichlug Wurzel in
feinem Boden und breitete fich aus in üppigem Wachsthum.
Zauberhaft ift die Schnelligkeit, mit der der Islam in jener Zeit leinen Formen und feinem
Wefen die eroberten Fände zu affimiliren verftand.
Mit echt ägyptifcher Zähigkeit hielten zwar zahlreiche Koptengemeinden an ihrem alten
Glauben feft, taufend andere traten aber zu der Religion des Propheten über. Die Kirchen und
Klöfter verfielen, und die fchlanken, mit dem Neumond gekrönten Minarete überragten hoch die
Thürme der chriftlichen Kirchen. Bald erblühte ein neues, reiches Leben in den muhammedanifchen
Landen. Kunft und Wiffenfchaft, Handel und Gewerbe kamen zu mächtigem Auflchwung, und
die grofsen Erwerbungen jener eigenartigen Kultur und Zeit blieben nicht ohne Einflufs auf
Europa und wirken heute noch, wie wir fehen werden, unter uns fort. Noch einmal war es