Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
122

GOSEN.

ift von gewandtem Geilte und fchneller Zunge und gibt ihm zurück: «Jedes Thier mit einem
Buckel denkt, es fei ein Kamel!»

Nachdem die Auktion 'vorüber war, wollten mir die Fifcher einen Pelikan und zwei fchönc
Reiher, die lie lebend gefangen hatten, verkaufen. Sie brachten nur wenig Geld nach Haufe, denn es
wurden ihnen nur gewiffe Prozente des Werthes ihrer Beute ausbezahlt; den Hauptgewinn ftreicht
der Inhaber des Fifchereirechts auf dem Menzale-See ein, das für 1,200,000 Mark jährlich verpachtet ift.

Mit Fifchern aus dem Seeflecken el Matarije befuchte ich das merkwürdige, von dem
Mittelmeere nur durch eine fchmale Landnehrung getrennte infelreiche Gewäffer, das fo grofs ift
wie das Herzogthum Meiningen und fo reich an Waffervögeln jeder Art, dafs der fachkundige
Brehm ihnen nachfagen konnte, fie brauchten täglich fechzigtaufend Pfund Fifche zu ihrer
Speifung. Die bekannte Gcfchichte des Baron von Münchhaufen, der mit feinem eifernen Ladftock
einen Zug Enten durch und durch fchofs und auffpiefste, klingt hier weniger unwahrfcheinlich,
denn namentlich während der Brutzeit bevölkern gefiederte Gäfte in unzählbaren Mafien die
kleinen Infein und Schilfdickichte diefes Sees. Man halte die fchöne, diefe Worte begleitende
Zeichnung des Meifters Gcntz für keine Uebertreibung. Enten und Fuchsgänfe, Störche und
Reiher, Pelikane, der Abu monäs und die fchönfarbigen Flamingo, deren Brutftätten nur wenige
Jäger unter den Mcnzaleleuten kennen, Mövcn, Seefchwalben und helle und dunkle Adler und
Falken, die den gefiederten Mördern der Fifche ihrerfeits den Tod bereiten, finden fich in diefem
Vogelparadiefe legionenweife zufammen. Der Jäger, der von Infel zu Infel fährt, kann hier eine
ungeheure Beute erzielen; namentlich wenn er ein kleines Boot mit eigener Hand zu regieren
weifs. Das Waffer des Sees ift an den meiften Stellen flach und überflutet nur während der
Zeit der Ueberfchwemmung des Nils die niedrigeren Eilande. Die höher gelegenen werden von
den Fifchern «Berge» (Gebel) genannt.

Unvergefsliche Bilder einer nur leicht von der Mcnfchcnhand berührten, urwüchfigen,
ftillen und doch reich belebten Natur prägten fich in meine Seele, als ich auf dem grob
gezimmerten Boote der Fifcher von Matarije diefen merkwürdigen See befuhr, der heute noch
der Jäger Freude, vielleicht und, dafs wir es fagen, hoffentlich, in wenigen Jahrzehnten der Kultur
zurückgegeben lein wird. t

Es unterliegt keinem Zweifel, dafs weite Strecken, die jetzt feine Waffer bedecken, in
älterer Zeit als Aecker und Waideland von Bauern beftellt worden find und das Vieh der Hirten
genährt haben. Heute noch lagert, obgleich der See durch einige Ichmale Oeffnungen mit dem
Meer verbunden ift, Nilfchlamm auf feinem Boden, und ernfte Fachmänner haben es mit Beftimmt-
heit ausgefprochen, dafs es mit den technifchen Mitteln unferer Zeit ausführbar und für den
Unternehmer lohnend fein würde, ihn wiederum in Fruchtland umzuwandeln. Auf einigen der
Infein in feiner Mitte finden fich heute noch Spuren einer alten Kultur, deren völliges Erlöfchen
erft vor wenigen Jahrhunderten erfolgte. Von der alten Ifisftadt (Ta-n-Isis) auf der Intel Tenis
blieb wenig erhalten; wohl aber flehen dort heute noch ftattliche Gebäudetrümmer, und arabiiehe
Schriftfteller erzählen, dafs in der Chalifenzeit nirgends feinere Luxusfloffe gewebt worden wären
als hier. Der Damaft, die feinen Gaze- und koftbaren Goldftoffe von Tenis (Tinnys) waren
im ganzen Morgenlande berühmt und bereicherten die Infelbewohner, die nun, tief herabgekommen,
mit Netz und Segel mühevoll ihr kärgliches Brod erwerben.

Und doch, wer mit diefen fchlichten, eigenartigen Menfchen verkehrte, mag ihrer nicht
ungern gedenken. Ich fehe fle vor mir, die gedrungenen Geftaltcn, die zu Matarije fich mit dem
Fremden um das grofse Kohlenbecken fchaarten, fehe vor mir die fchlanken Frauengeftalten, die
 
Annotationen