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GOSEN.

in den Tempel und verfuchte es, die Kuh zu melken; aber die Euter derfelben gaben keine
Milch. Da fluchte das Weib der Kuh, und kaum hatte es das letzte Wort gefprochen, als mit
furchtbarem Gekrach das riefige Bauwerk zufammenftürzte und die Frevlerin und das Kind unter
feinen Trümmern begrub. Wenn man des Abends an die Steine fchlägt, fo läfst die Kuh ein
Gebrüll vernehmen, das viele Leute von Behbit, die unfern Trümmerhaufen Ilagar gamus oder
Büffelftein nennen, gehört haben wollen.» — Welches glänzende Bild mufs dieler Tempel gewährt
haben, als fleh noch in dem glatt polirten grauen und braunen Granit, aus dem er beftand, die
Sonne fpiegelte. Auf Hunderten von Blöcken haben fich befonders forgfältig in den harten Stein
gemeifselte Darftellungen und viele Infchriften erhalten, welche lehren, dafs das zufammengeftürzte
Heiligthum der Iiis erft von Ptolemäus II. Philadelphus I. (287—247 v. Chr.) errichtet worden ift.
Ueber die Zeit feines Verfalles blieb keine Nachricht erhalten, und es wird niemals gelingen, den
Grundrils des Tempels wieder herzuftellen; denn fo viele Blöcke hier auch zufammengehäuft
liegen, lo blieb doch im eigentlichen Sinne des Wortes kein Stein aut dem andern liegen.
Vierhundert Schritte gebrauchten wir, um das hohe Trümmergehäuf zu umfehreiten, das man
wie die Spitze eines Granitberges erklettern mufs. Vielleicht blieb unter der es bedeckenden
Erdfchicht das Pflafter des Tempelhofes erhalten, denn im Innern feiner Umfaffungsmauer wächst
nur wenig Korn in der Nähe einer Wafferlache, die die Stätte bezeichnet, an der einft der heilige
See geflutet, der bei keinem ägyptifchen Tempel fehlen durfte.

Vor dem Einbruch der Nacht kehrte ich nach Manfura zurück, von wo aus auch die
jüngft aufgefundenen Trümmer von Mendes, der Stadt der heiligen Widder, leicht erreicht werden
können. Aber wir laffen fie unbefucht, denn es drängt uns nach Süden zu den Pyramiden und
nach Kairo, dem Herzen des ägyptifchen Lebens.
 
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