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MEMPHIS. DIE PYRAMIDEN.
in den Schreibftuben find ganze Reihen von Kopiften thätig. Für die tägliche Nahrung genügen
keineswegs mehr die einfachen Gaben der Natur. Man kocht, man bratet, man backt, und
ungewöhnlich grofs ift die Zahl der verfchiedenen Kuchenarten, von denen jede ihren eigenen
Namen trägt. Die Frauen, die aufserordentlich hellfarbig gewefen zu fein fcheinen (fie werden
mit gelblicher, die Männer mit ziegelrother Haut abgebildet), ftanden gleichberechtigt neben
den Männern und wurden fchon damals «Herrinnen des Haufes» genannt. Wo es an Söhnen
fehlte, fiel ihnen die Erbfchaft zu, und felbft die Krone konnte auf die Tochter des Pharao
übergehen. Zuerft nach der Mutter, dann erft nach dem Vater nennen fich die Kinder, und
manchen die Anmuth des Eheweibes feiernden Schmeichelnamen haben die Infchriften erhalten.
Innig und würdig ift das Familienleben zu jener Zeit, und Frohfinn und harmlofe Febensluft
finden überall Ausdruck. Viele unter den ermunternden Sätzen, die der Auffeher den Arbeitern
und ein Höriger dem andern zuruft, und felbft nicht wenige Bilder find fcherzhaft. Keine Epoche
der ägyptifchen Gefchichte gewährt ein freundlicheres Bild als diefe, und wenn die Pyramiden
«Brandmale der Knechtfchaft vieler Menfchengefchlechter» genannt und feit Herodot mancherlei
Verwünfchungen über die rückfichtslofen Tyrannen, die fie erbauten, ausgefprochen worden find,
ib will es uns icheinen, als hätten die Weherufer (ich unnützes Herzeleid bereitet, denn kein
ftöhnendes Volk von Schwächlingen ward beim Pyramidenbau mit Geifselhicbcn zu einer Unge-
heuern Leiftung gezwungen, fondern eine frifchc und jugendliche Nation fetzte in langen Jahr-
hunderten des thatcnlofen Friedens mit Jubel den gewaltigen Ueberfchufs ihrer Kräfte daran, um
unter den Augen und für die göttlich verehrte Perfon ihres Fürften ein faft übermenfchlich.es
Unternehmen zu Ende zu führen. Jedes Bedenken wird forglos zurückgewiefen, und die Freude
an dem jüngft gewonnenen Vermögen, techniiehe Schwierigkeiten zu bewältigen, drängte den
erften Pyramidenerbauer und dann leine Nachfolger, fich auf die Löfung des fchwierigften Problems
zu ftürzen. Wie die Natur in ihrer Werdezeit Ichthyofauren bildet, wie die Cyklopcnmauern
den harmonifchen Gebilden der griechifchen Tempel vorausgingen, und im Leben des Einzel-
menfehen der Zeit der grolsen Entwürfe die Tage der weifen Befchränkung folgen, fo entftehen
in Aegypten zuerft die ungeheuerften unter allen Denkmalern von Menfchenhand, die Pyramiden.
Gewifs hat der gemeine Mann bei ihrer Errichtung manche Bedrückung erfahren, und doch werden
wir fchwerlich irren, wenn wir die Vermuthung ausfprechen, dafs die Zeitgenoffen des Cheops,
welche geholfen hatten, fein grofses Werk zu vollenden, ftolz gewefen find auf ihre Mitwirkung
bei demfelben; ift doch jeder Fürft, der ein Werk unternimmt, das vor den Enkeln von der Kraft
und dem Können feiner Zeit Zeugnifs abzulegen verheifst, der Zuftimmung und Mitwirkung des
Volkes gewifs. Die Grofsen diefer Tage verabfäumen es nicht, den Nachkommen mitzuthcilen,
in welcher Beziehung fie zu der Pyramide ihres Fürften geftanden, und wir dürfen nicht vergeflen,
dafs diefer Fürft in der Vorftellung feiner Unterthancn ein Gott war. Nach der Vollendung
feines Ehrendenkmals wird das Volk hingegangen fein, wie die Israeliten nach der Weihung des
Salomonifchen Tempels: «den König fegnend, fröhlich und guten Muthes».
Es hat kaum einen Reifenden gegeben, der nicht bei der Befehreibung der Pyramiden einer
düftcren Stimmung verfallen wäre; mit Unrecht, wie wir gezeigt zu haben meinen; aber freilich
wird es uns Neueren ftets unmöglich bleiben, uns den Gefühlen Derer anzufchliefsen, die diefe
Riefendenkmäler erbauten, denn für uns ift zu ihrer Gröfse die Ehrwürdigkeit ihres Alters getreten,
und das Lächeln erftirbt auf den Lippen im Angefleht diefer grofsen Werke, an denen die Jahr-
hunderte vorübergeraufcht find, wie an uns die Jahre und Tage. Sie gehören zu jenen Giganten,
vor denen der Gröfste feine Kleinheit empfindet, und gern wiederholen wir, che wir die Art
MEMPHIS. DIE PYRAMIDEN.
in den Schreibftuben find ganze Reihen von Kopiften thätig. Für die tägliche Nahrung genügen
keineswegs mehr die einfachen Gaben der Natur. Man kocht, man bratet, man backt, und
ungewöhnlich grofs ift die Zahl der verfchiedenen Kuchenarten, von denen jede ihren eigenen
Namen trägt. Die Frauen, die aufserordentlich hellfarbig gewefen zu fein fcheinen (fie werden
mit gelblicher, die Männer mit ziegelrother Haut abgebildet), ftanden gleichberechtigt neben
den Männern und wurden fchon damals «Herrinnen des Haufes» genannt. Wo es an Söhnen
fehlte, fiel ihnen die Erbfchaft zu, und felbft die Krone konnte auf die Tochter des Pharao
übergehen. Zuerft nach der Mutter, dann erft nach dem Vater nennen fich die Kinder, und
manchen die Anmuth des Eheweibes feiernden Schmeichelnamen haben die Infchriften erhalten.
Innig und würdig ift das Familienleben zu jener Zeit, und Frohfinn und harmlofe Febensluft
finden überall Ausdruck. Viele unter den ermunternden Sätzen, die der Auffeher den Arbeitern
und ein Höriger dem andern zuruft, und felbft nicht wenige Bilder find fcherzhaft. Keine Epoche
der ägyptifchen Gefchichte gewährt ein freundlicheres Bild als diefe, und wenn die Pyramiden
«Brandmale der Knechtfchaft vieler Menfchengefchlechter» genannt und feit Herodot mancherlei
Verwünfchungen über die rückfichtslofen Tyrannen, die fie erbauten, ausgefprochen worden find,
ib will es uns icheinen, als hätten die Weherufer (ich unnützes Herzeleid bereitet, denn kein
ftöhnendes Volk von Schwächlingen ward beim Pyramidenbau mit Geifselhicbcn zu einer Unge-
heuern Leiftung gezwungen, fondern eine frifchc und jugendliche Nation fetzte in langen Jahr-
hunderten des thatcnlofen Friedens mit Jubel den gewaltigen Ueberfchufs ihrer Kräfte daran, um
unter den Augen und für die göttlich verehrte Perfon ihres Fürften ein faft übermenfchlich.es
Unternehmen zu Ende zu führen. Jedes Bedenken wird forglos zurückgewiefen, und die Freude
an dem jüngft gewonnenen Vermögen, techniiehe Schwierigkeiten zu bewältigen, drängte den
erften Pyramidenerbauer und dann leine Nachfolger, fich auf die Löfung des fchwierigften Problems
zu ftürzen. Wie die Natur in ihrer Werdezeit Ichthyofauren bildet, wie die Cyklopcnmauern
den harmonifchen Gebilden der griechifchen Tempel vorausgingen, und im Leben des Einzel-
menfehen der Zeit der grolsen Entwürfe die Tage der weifen Befchränkung folgen, fo entftehen
in Aegypten zuerft die ungeheuerften unter allen Denkmalern von Menfchenhand, die Pyramiden.
Gewifs hat der gemeine Mann bei ihrer Errichtung manche Bedrückung erfahren, und doch werden
wir fchwerlich irren, wenn wir die Vermuthung ausfprechen, dafs die Zeitgenoffen des Cheops,
welche geholfen hatten, fein grofses Werk zu vollenden, ftolz gewefen find auf ihre Mitwirkung
bei demfelben; ift doch jeder Fürft, der ein Werk unternimmt, das vor den Enkeln von der Kraft
und dem Können feiner Zeit Zeugnifs abzulegen verheifst, der Zuftimmung und Mitwirkung des
Volkes gewifs. Die Grofsen diefer Tage verabfäumen es nicht, den Nachkommen mitzuthcilen,
in welcher Beziehung fie zu der Pyramide ihres Fürften geftanden, und wir dürfen nicht vergeflen,
dafs diefer Fürft in der Vorftellung feiner Unterthancn ein Gott war. Nach der Vollendung
feines Ehrendenkmals wird das Volk hingegangen fein, wie die Israeliten nach der Weihung des
Salomonifchen Tempels: «den König fegnend, fröhlich und guten Muthes».
Es hat kaum einen Reifenden gegeben, der nicht bei der Befehreibung der Pyramiden einer
düftcren Stimmung verfallen wäre; mit Unrecht, wie wir gezeigt zu haben meinen; aber freilich
wird es uns Neueren ftets unmöglich bleiben, uns den Gefühlen Derer anzufchliefsen, die diefe
Riefendenkmäler erbauten, denn für uns ift zu ihrer Gröfse die Ehrwürdigkeit ihres Alters getreten,
und das Lächeln erftirbt auf den Lippen im Angefleht diefer grofsen Werke, an denen die Jahr-
hunderte vorübergeraufcht find, wie an uns die Jahre und Tage. Sie gehören zu jenen Giganten,
vor denen der Gröfste feine Kleinheit empfindet, und gern wiederholen wir, che wir die Art