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Ebers, Georg
Ägypten in Bild und Wort: dargestellt von unseren ersten Künstlern (Band 1) — Stuttgart, Leipzig, 1879

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https://doi.org/10.11588/diglit.4991#0302
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286

KAIRO.

Hulagu hatte Bagdad erobert (1258) und den letzten echten Chalifen aus dem Haufe des Abbäs
nebft feinen beiden Söhnen und nächften Anverwandten des Lebens beraubt.

Als der Mamluk Bebars mit Hülfe eines Mordes den Thron Aegyptens beftieg, gab es
keinen Chalifen mehr, und doch fühlte er, dafs fein Sultanat unter den zahlreichen Sehi'iten
fowie den Freunden der Ejjubiden und des vernichteten Abbafidenhaufes in Aegypten und Syrien
nur dann auf ficheren Beftand zu rechnen habe, wenn er ihm einen Schein von Legitimität
und religiöfer Weihe zu geben vermöge. Darum war er hoch erfreut, als er hörte, dafs ein
Mitglied des Abbafidenhaufes, ein Nachkomme des Propheten, der Geh für einen Sohn des
Chalifen Sahir ausgab, dem Schwerte der Mongolen entronnen fei. Er fäumte nicht, ihn nach
Kairo zu berufen, ihn dort mit dem gröfsten Pomp zu empfangen, auf die Citadelle zu führen
und ihm dafelbft einen Palaft anzuweifen. Der Ober-Kadi mufste die Echtheit feiner Herkunft
anerkennen und ihm als Chalifen huldigen; Bebars aber leiftete ihm den Eid der Treue und
liefs fich dafür von dem neuen «Bcherrfcher der Gläubigen» mit der Würde eines Regenten aller
dem Islam unterworfenen und fpäter zu unterwerfenden Länder bekleiden. Um die Komödie
bis zum Schluffe durchzuführen, nahm Bebars aus der Hand des neuen Chalifen den Ornat in
Empfang, der ihn als einen Stellvertreter der Abbafiden kennzeichnete, und der aus einem
fchwarzen Turban mit reicher Goldftickerei, aus einem violetten Oberkleide, einer goldenen
Halskette, Fufsfpangen von dem gleichen Metalle, mehreren Ehrenfäbeln, zwei Pfeilen und einem
Schilde beftand. Abbafidifche Fahnen flatterten ihm zu Häupten, als er fein weifses Pferd beftieg,
das mit einer fchwarzen Decke und einer Schärpe von der gleichen, der Abbafiden-Familie eigenen
Farbe gefchmückt war.

Der Sultan gewährte diefem feinem von ihm felbft gefchaffenen Lchensherrn grofsc Freiheit;
nachdem aber der feine Flügel regende Chalif im Kampfe gegen die Mongolen gefallen war, fetzte
zwar Bebars einen anderen Bcherrfcher der Gläubigen, der gleichfalls dem Haufe des Abbäs
entflammen follte, in die Chalifenwürde ein, hielt ihn aber als machtlofen Gefangenen auf der
Citadelle feft. Das gleiche Schickfal erfuhren die Nachfolger diefes Unglücklichen, in deren
Namen alle Mamluken-Sultane regierten, bis der Osmane Selim I. Kairo und Aegypten eroberte
und den letzten von dielen Schein-Chalifen zwang, feine Titel, Rechte und Würden auf ihn zu
übertragen. Von diefer Gewaltthat leiten die zu Konftantinopel regierenden türkifchen Sultane
das Recht ab, fleh «Beherricher aller Gläubigen» zu nennen. Freilich weigern fich heute noch
die gelehrten Sunniten, ihre Oberherrlichkeit in geiftlichen Dingen, die fie dem Grofschcrif von
Mekka, den fie den rechten Imäm nennen, zufchreiben, anzuerkennen.

Die Gefchichtc des von den Mamluken-Sultanen beherrfchten Aegypten ift nur mit lockeren
Fäden mit der der europäifchen Staaten verflochten, und die Blatter, auf denen fie verzeichnet
fleht, find vielfach mit Blut befleckt; aber die Gräuelthaten diefes Kriegergefchlechtes, das die
Kreuzfahrer aus Paläftina vertrieb, wurden faft immer mit dem blanken Schwerte verübt, während
die Hellenen Aegypten fchon früh «das Land der Gifte» genannt hatten und noch unter den
Ptolemäern der Ehrgeiz das Gift allen anderen Waffen vorzog. Es fehlt auch nicht an kräftigen
Männergeftalten unter den Mamluken-Sultanen, von denen viele das Nilthal als Sklaven betreten
hatten, und das foll ihnen nicht vergehen werden, dafs die meiften von ihnen Kunft und Wiffen-
fchaft mit folchem Eifer förderten, dafs die edelften unter allen AVerken der arabifchen Kunft,
welche der Vernichtung entgangen find, ihnen ihre Entftehung verdanken. Das fogenanntc
Moriftän des Kalaün, die reichfte Stiftung, und die Mofchee des Hafan, das fchönfte von allen
Gotteshäufern in Kairo, wurden von Mamluken-Sultanen aus der Dynaftie der Bachriten, die
 
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