KAIRO.
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den Feldern an Pflügern, den Häufern an Dienflboten, den Dürftigen an Wafferträgern, den der
Kleidung und des Gehiths Bedürftigen an Handwerkern fehlte und jedes Gut im Preife gefunken
war, die Mittel und Arbeitskräfte nahm, um ein Gotteshaus herzuftellen, das mit Recht als die
grofsartigfte und vollendetfte Leiftung der arabifchen Baukunft gepriefen wird. Freilich foll er
fich oft in Verlegenheit befunden haben, denn der Bau diefer Mofchee nahm drei volle Jahre in
Anfpruch und koftete täglich zwanzigtaufend Drachmen Silber. Als Haian gerathen wurde, das
io groise Summen verfchlingende Werk unvollendet zu laffen, liefs er fich nicht irre machen
und antwortete, er dürfe Niemand das Recht gewähren zu lagen, es habe einem Fürften von
Aegypten an Mitteln gefehlt, feinem Gotte ein Haus zu errichten. Nach der Vollendung des
letzteren foll er befohlen haben, dem Architekten die Hand abzuhauen, um ihn zu verhindern,
an einer anderen Stelle ein Werk von gleicher Schönheit auszuführen. Weicht auch diefer Bau
in feiner Anordnung wefentlich von den uns bekannten Mofcheen aus älterer Zeit ab, und läfst
es fich auch nicht leugnen, dafs der Meifter, dem feine Ausführung übertragen war, fich nicht
völlig frei von europäifchen und namentlich italienifchen Einflüffen zu halten wufste, fo fehlt doch
in ihm kein einziger von jenen Theilen, die wir als charakteriftifch für
ein muslimifches Gotteshaus kennen gelernt haben. Der Hofch
cl-Gäma bildet auch in der Hafan-Mofchee den Kern des Bauwerks;
nur ift er kleiner als in den älteften Gotteshäufern, die wir kennen
gelernt haben, und ftatt der Arkaden, die den Mofeheenhof in den
letzteren umgeben, fchliefst fich hier an feine vier Seiten je eine
mit einem mächtig hohen, fpitzbogigen Tonnengewölbe bedeckte
Halle. Die erwähnten Haupträume der Mofchee, der Hof und die vier
Flügel, bilden zufammen ein griechifches Kreuz. Niemand wird den
Hof dieles Gotteshaufes, in deffen unbedeckten Raum das Tageslicht
hincinfehaut, betreten, ohne einen tiefen Eindruck zu empfangen.
Ernft, majeftätifch harmonifch angeordnet ift Alles, was den Befucher
diefes Tempels umgibt, und wenn er den Einzelheiten des Ornamcntal-
werkes im Sanctuarium und dem Maufoleumsraume feine Aufmerk-
famkeit zuwendet, fo wird er durch das in reichem Wechfel ver-
fchränkte Linienfpiel und die weichen und fchön erfundenen Formen
der regelmäfsig wiederkehrenden Figuren fein künftlerifches Bedürfnifs befriedigt fühlen und nach
dem Sinne der in die Arabesken fich als bedeutungsvolle Zierden einfügenden Worte und Sätze
aus dem Koran forfchen, die an vielen Stellen lehrend, crmahnend und zierend zugleich feinen
Augen begegnen. Willkürlich und räthfelhaft erfcheint ihm auf den erften Blick der reiche
Schmuck der Wandflächen, aber bald findet er, dafs diefe Linien fich nicht nur in phantaftifcher
Willkür durcheinanderfchlingcn, fondern, an Gefetzc und Regeln gebunden, fich zu den Herz
und Geift erhebenden Sprüchen gefellen. Der Muslim darf kein Bildwerk benutzen, um die Räume
feiner Gottcshäufer zu beleben; aber er thut es durch ein kühnes Spiel mit Linien und indem er
mit lebendigen Worten den Befchauer anruft. Vernachläffigt und befchädigt find alle Thcile diefes
köftlichen Bauwerks, und dennoch fühlt fich Jeder erhoben, der zu den ungeheuren Spitzbogen
hinauflchaut, die wie vier Riefcnthore den Mofeheenhof cinfchliefsen und die Mauern tragen, auf
denen als Krönung ein kräftiges Gefims mit Zinnen von einfacher Lilienform ficht.
Inmitten des Hofes, deffen Fufsbodcn mit bunten Marmorplatten belegt ift, erhebt fich ein
gröfserer und neben ihm ein kleinerer Brunnen. Der erftere ift für die Wafchungen der Aegyptcr
ORNAMENT AUS DER GROSSEN
EINGANGSNISCHE DER MOSCHEE
DES SULTAN HASAN.
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den Feldern an Pflügern, den Häufern an Dienflboten, den Dürftigen an Wafferträgern, den der
Kleidung und des Gehiths Bedürftigen an Handwerkern fehlte und jedes Gut im Preife gefunken
war, die Mittel und Arbeitskräfte nahm, um ein Gotteshaus herzuftellen, das mit Recht als die
grofsartigfte und vollendetfte Leiftung der arabifchen Baukunft gepriefen wird. Freilich foll er
fich oft in Verlegenheit befunden haben, denn der Bau diefer Mofchee nahm drei volle Jahre in
Anfpruch und koftete täglich zwanzigtaufend Drachmen Silber. Als Haian gerathen wurde, das
io groise Summen verfchlingende Werk unvollendet zu laffen, liefs er fich nicht irre machen
und antwortete, er dürfe Niemand das Recht gewähren zu lagen, es habe einem Fürften von
Aegypten an Mitteln gefehlt, feinem Gotte ein Haus zu errichten. Nach der Vollendung des
letzteren foll er befohlen haben, dem Architekten die Hand abzuhauen, um ihn zu verhindern,
an einer anderen Stelle ein Werk von gleicher Schönheit auszuführen. Weicht auch diefer Bau
in feiner Anordnung wefentlich von den uns bekannten Mofcheen aus älterer Zeit ab, und läfst
es fich auch nicht leugnen, dafs der Meifter, dem feine Ausführung übertragen war, fich nicht
völlig frei von europäifchen und namentlich italienifchen Einflüffen zu halten wufste, fo fehlt doch
in ihm kein einziger von jenen Theilen, die wir als charakteriftifch für
ein muslimifches Gotteshaus kennen gelernt haben. Der Hofch
cl-Gäma bildet auch in der Hafan-Mofchee den Kern des Bauwerks;
nur ift er kleiner als in den älteften Gotteshäufern, die wir kennen
gelernt haben, und ftatt der Arkaden, die den Mofeheenhof in den
letzteren umgeben, fchliefst fich hier an feine vier Seiten je eine
mit einem mächtig hohen, fpitzbogigen Tonnengewölbe bedeckte
Halle. Die erwähnten Haupträume der Mofchee, der Hof und die vier
Flügel, bilden zufammen ein griechifches Kreuz. Niemand wird den
Hof dieles Gotteshaufes, in deffen unbedeckten Raum das Tageslicht
hincinfehaut, betreten, ohne einen tiefen Eindruck zu empfangen.
Ernft, majeftätifch harmonifch angeordnet ift Alles, was den Befucher
diefes Tempels umgibt, und wenn er den Einzelheiten des Ornamcntal-
werkes im Sanctuarium und dem Maufoleumsraume feine Aufmerk-
famkeit zuwendet, fo wird er durch das in reichem Wechfel ver-
fchränkte Linienfpiel und die weichen und fchön erfundenen Formen
der regelmäfsig wiederkehrenden Figuren fein künftlerifches Bedürfnifs befriedigt fühlen und nach
dem Sinne der in die Arabesken fich als bedeutungsvolle Zierden einfügenden Worte und Sätze
aus dem Koran forfchen, die an vielen Stellen lehrend, crmahnend und zierend zugleich feinen
Augen begegnen. Willkürlich und räthfelhaft erfcheint ihm auf den erften Blick der reiche
Schmuck der Wandflächen, aber bald findet er, dafs diefe Linien fich nicht nur in phantaftifcher
Willkür durcheinanderfchlingcn, fondern, an Gefetzc und Regeln gebunden, fich zu den Herz
und Geift erhebenden Sprüchen gefellen. Der Muslim darf kein Bildwerk benutzen, um die Räume
feiner Gottcshäufer zu beleben; aber er thut es durch ein kühnes Spiel mit Linien und indem er
mit lebendigen Worten den Befchauer anruft. Vernachläffigt und befchädigt find alle Thcile diefes
köftlichen Bauwerks, und dennoch fühlt fich Jeder erhoben, der zu den ungeheuren Spitzbogen
hinauflchaut, die wie vier Riefcnthore den Mofeheenhof cinfchliefsen und die Mauern tragen, auf
denen als Krönung ein kräftiges Gefims mit Zinnen von einfacher Lilienform ficht.
Inmitten des Hofes, deffen Fufsbodcn mit bunten Marmorplatten belegt ift, erhebt fich ein
gröfserer und neben ihm ein kleinerer Brunnen. Der erftere ift für die Wafchungen der Aegyptcr
ORNAMENT AUS DER GROSSEN
EINGANGSNISCHE DER MOSCHEE
DES SULTAN HASAN.