KAIRO.
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jeweiligen Oberhäupter der auf Ali zurückgeführten Orden, haben in diefer Todtenftadt ihre Gräber.
Der jetzige Inhaber diefer hohen, aber feltener zur Geltung kommenden Würde ift ein reicher
Grundherr mit gewinnenden Manieren, der fein fchönes ehrwürdiges Familienhaus, vielleicht das
ftilvollfte Wohngebäude aus alter Zeit in ganz Kairo, und feine ausgefuchte, an literarifchen
Seltenheiten reiche Bibliothek mit liebenswürdiger Zuvorkommenheit den ihm gut empfohlenen
Fremden zeigt. Auch zu der geheiligten Grabftätte leiner Vorfahren, wofelbft Geh auch fein
intereffanter Stammbaum, der angeblich bis zur Zeit der muslimifchen Eroberung Aegyptens
hinaufreicht, befindet, hat er manchen europäifchen Gelehrten freundlich geführt.
Dasjenige Grab, bei dem mit der gröfsten Andacht und Ehrfurcht Halt gemacht wird, ift
das des Schech Omar ibn el-Färid, des Sängers des «Weingedichtes», des hohen Liedes myftifcher
Gottesliebe bei den Mohammedanern. Wohl ift diefes Lied durchaus allegorifch und feiert nicht
den Stoff des Rebenfaftes und leine Wirkung, fondern die gottestrunkene Ekftafe des Sufi, der
den füfsen, beraufchenden Trunk der Gottesliebe in Geh aufgenommen, leiner leiblichen Individualität
Geh entäufsert und mit feiner himmlifchen Geliebten Eins geworden ift. Bei dem Grabe des
Schech Omar werden häuftg Verfe aus diefem feinem Gedichte recitirt, wobei die Anwefenden
in den höchften Grad der Verzückung gerathen, und häuftg wird feine Umgebung zum Schau-
platze jener fchon mehrfach erwähnten Zikr, auf die wir in einem fpäteren Abfchnitte zurückzu-
kommen haben werden.
Lange verweilten wir unter Trümmern und Gräbern. Dem alten Kairo ift fein Recht
gefchehen. Wenden wir uns jetzt der neu erblühenden Rcftdenz, ihren Bewohnern von heute
und dem Fürftenhaule zu, dem es den Verfall Aegyptens aufzuhalten und feinem Gefchick mit
Hülfe fremder Piloten eine zum Bcfferen führende Richtung zu geben gelungen ift.
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jeweiligen Oberhäupter der auf Ali zurückgeführten Orden, haben in diefer Todtenftadt ihre Gräber.
Der jetzige Inhaber diefer hohen, aber feltener zur Geltung kommenden Würde ift ein reicher
Grundherr mit gewinnenden Manieren, der fein fchönes ehrwürdiges Familienhaus, vielleicht das
ftilvollfte Wohngebäude aus alter Zeit in ganz Kairo, und feine ausgefuchte, an literarifchen
Seltenheiten reiche Bibliothek mit liebenswürdiger Zuvorkommenheit den ihm gut empfohlenen
Fremden zeigt. Auch zu der geheiligten Grabftätte leiner Vorfahren, wofelbft Geh auch fein
intereffanter Stammbaum, der angeblich bis zur Zeit der muslimifchen Eroberung Aegyptens
hinaufreicht, befindet, hat er manchen europäifchen Gelehrten freundlich geführt.
Dasjenige Grab, bei dem mit der gröfsten Andacht und Ehrfurcht Halt gemacht wird, ift
das des Schech Omar ibn el-Färid, des Sängers des «Weingedichtes», des hohen Liedes myftifcher
Gottesliebe bei den Mohammedanern. Wohl ift diefes Lied durchaus allegorifch und feiert nicht
den Stoff des Rebenfaftes und leine Wirkung, fondern die gottestrunkene Ekftafe des Sufi, der
den füfsen, beraufchenden Trunk der Gottesliebe in Geh aufgenommen, leiner leiblichen Individualität
Geh entäufsert und mit feiner himmlifchen Geliebten Eins geworden ift. Bei dem Grabe des
Schech Omar werden häuftg Verfe aus diefem feinem Gedichte recitirt, wobei die Anwefenden
in den höchften Grad der Verzückung gerathen, und häuftg wird feine Umgebung zum Schau-
platze jener fchon mehrfach erwähnten Zikr, auf die wir in einem fpäteren Abfchnitte zurückzu-
kommen haben werden.
Lange verweilten wir unter Trümmern und Gräbern. Dem alten Kairo ift fein Recht
gefchehen. Wenden wir uns jetzt der neu erblühenden Rcftdenz, ihren Bewohnern von heute
und dem Fürftenhaule zu, dem es den Verfall Aegyptens aufzuhalten und feinem Gefchick mit
Hülfe fremder Piloten eine zum Bcfferen führende Richtung zu geben gelungen ift.