KAIRO.
207
gewaltigen Steinbrüchen, welche das Baumaterial für die Denkmäler der alten Pharaonenrefidenz
lieferte. Die Aegypter nannten fie Ta-roue, und weil hier viele Kriegsgefangene als Steinmetzen
befchäftigt wurden und Ta-roue von fern an Troja erinnerte, fo entftand unter den dergleichen
fchnell auffallenden und verwerthenden Griechen die Sage, hier, in der Nähe des heutigen Turra,
wären die gefangenen Trojaner angcfiedelt worden, welche der heimkehrende Mcnelaos nach der
Einnahme von Ilion nach Aegypten, wofelbft er mit der zurückgewonnenen Helena geraftet haben
foll, gebracht hätte.
Ein anderer früh erwähnter Ort, aus deffen Erweiterung fpäter der ältefte Theil von Kairo
hervorgehen follte, hiefs Babylon, und es ward
erzählt, dafs er leinen Urfprung den mit Kam-
byses nach Aegypten gekommenen Babyloniern
verdanke. Wir werden fpäter aut ihn zurück-
zukommen, jetzt aber zunächft einen Blick auf
den dritten und gröfsten, hier fchon in alter
Zeit blühenden Ort zu werten haben. Wir
meinen die ehrwürdige Sonnenftadt Heliopolis.
Sie lag wenige Kilometer nordöftlich vom heu-
tigen Kairo und gehörte zu den berühmteften
Kultusftätten des gefammten Alterthums. Nie-
mand wird den Platz, auf dem lie geftanden,
unbefucht lallen, denn es gibt dort einen Baum,
einen Quell und einen Stein zu lehen, die alle
drei zu den vorzüglichften Wundern Aegyptens
gezählt werden, und aufserdem gehört es zu den
angenehmften Dingen, im Sattel oder Wagen
früh Morgens oder wenn die Schatten länger
zu werden beginnen, hier hinaus zu fpazieren.
Sobald wir die Häufer der Stadt hinter
uns und den Chalig genannten Stadtkanal über-
lchritten haben, zeigt fich die grolse Gebäude-
maffe der Abbasije mit ihren Kafernen, ihrer
Militärfchule und Sternwarte. Zu unferer Rech-
ten lehen wir die grofse, mit Holztribünen
verfehene Bahn, auf der im Monat Januar die
Wettrennen abgehalten werden. Da treten
englifche und arabilche Pferde in die Schranken
und die erfteren pflegen während des nur wenige Minuten dauernden Ringens die BeduincnrofTe zu
beilegen, die fo viel fchöner lind als fie und ihre nordifchen Nebenbuhler an Dauerhaftigkeit weit
übertreffen. Der dunkelfarbige Reitknecht fitzt nicht weniger feft im Sattel als der englifche, und
doch fchaut des Letzteren berufsmäfsig kurze Geftalt mit ftolzer Verachtung zu der kümmerlich
genährten des Erfteren hinauf. In keiner Klaffe der Bevölkerung von Kairo ift auch der Raffenhafs
lo lebendig wie unter den Kutfchern und Bereitern. Der Araber liebt das Pferd und will auf feinem
heimifchen Boden keinen Fremden zu feiner Pflege zulalfen. Darum ift es nicht feiten gefchehen,
dafs auf die von reichen Aegyptern eingeführten englilchen Jockeys mörderilche Angriffe von ihren
WEISSER UND SCHWARZER JOCKEY.
207
gewaltigen Steinbrüchen, welche das Baumaterial für die Denkmäler der alten Pharaonenrefidenz
lieferte. Die Aegypter nannten fie Ta-roue, und weil hier viele Kriegsgefangene als Steinmetzen
befchäftigt wurden und Ta-roue von fern an Troja erinnerte, fo entftand unter den dergleichen
fchnell auffallenden und verwerthenden Griechen die Sage, hier, in der Nähe des heutigen Turra,
wären die gefangenen Trojaner angcfiedelt worden, welche der heimkehrende Mcnelaos nach der
Einnahme von Ilion nach Aegypten, wofelbft er mit der zurückgewonnenen Helena geraftet haben
foll, gebracht hätte.
Ein anderer früh erwähnter Ort, aus deffen Erweiterung fpäter der ältefte Theil von Kairo
hervorgehen follte, hiefs Babylon, und es ward
erzählt, dafs er leinen Urfprung den mit Kam-
byses nach Aegypten gekommenen Babyloniern
verdanke. Wir werden fpäter aut ihn zurück-
zukommen, jetzt aber zunächft einen Blick auf
den dritten und gröfsten, hier fchon in alter
Zeit blühenden Ort zu werten haben. Wir
meinen die ehrwürdige Sonnenftadt Heliopolis.
Sie lag wenige Kilometer nordöftlich vom heu-
tigen Kairo und gehörte zu den berühmteften
Kultusftätten des gefammten Alterthums. Nie-
mand wird den Platz, auf dem lie geftanden,
unbefucht lallen, denn es gibt dort einen Baum,
einen Quell und einen Stein zu lehen, die alle
drei zu den vorzüglichften Wundern Aegyptens
gezählt werden, und aufserdem gehört es zu den
angenehmften Dingen, im Sattel oder Wagen
früh Morgens oder wenn die Schatten länger
zu werden beginnen, hier hinaus zu fpazieren.
Sobald wir die Häufer der Stadt hinter
uns und den Chalig genannten Stadtkanal über-
lchritten haben, zeigt fich die grolse Gebäude-
maffe der Abbasije mit ihren Kafernen, ihrer
Militärfchule und Sternwarte. Zu unferer Rech-
ten lehen wir die grofse, mit Holztribünen
verfehene Bahn, auf der im Monat Januar die
Wettrennen abgehalten werden. Da treten
englifche und arabilche Pferde in die Schranken
und die erfteren pflegen während des nur wenige Minuten dauernden Ringens die BeduincnrofTe zu
beilegen, die fo viel fchöner lind als fie und ihre nordifchen Nebenbuhler an Dauerhaftigkeit weit
übertreffen. Der dunkelfarbige Reitknecht fitzt nicht weniger feft im Sattel als der englifche, und
doch fchaut des Letzteren berufsmäfsig kurze Geftalt mit ftolzer Verachtung zu der kümmerlich
genährten des Erfteren hinauf. In keiner Klaffe der Bevölkerung von Kairo ift auch der Raffenhafs
lo lebendig wie unter den Kutfchern und Bereitern. Der Araber liebt das Pferd und will auf feinem
heimifchen Boden keinen Fremden zu feiner Pflege zulalfen. Darum ift es nicht feiten gefchehen,
dafs auf die von reichen Aegyptern eingeführten englilchen Jockeys mörderilche Angriffe von ihren
WEISSER UND SCHWARZER JOCKEY.