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Eckstein, Hans
Griechische streng-rotfigurige Vasenmalerei — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 64: Leipzig: Verlag von E. A. Seemann, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.61240#0010
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Regung ist in der kurzen Spanne von fünf Jahrzehnten
die archaische rotfigurige Vasenmalerei die reifste und
schönste Vollendung keramischen Handwerks. Die er-
zählenden Darstellungen, schon lange der wesentliche
Schmuck der Gefäße, gewinnen hier noch einmal neues
Leben, ja sie finden in der intensen Kraft und ganz
unmittelbaren Eindringlichkeit episch ausbreitender
Schilderung ihre reinste und letzte Erfüllung: das epi-
sche Wortbild Homers erscheint hier als sinnlich-räum-
liche Bildgestaltung in vollster Reife. Der Mythos,
dem Griechen zu lebenformender Macht versinnenbild-
lichte Natur und vergegenwärtigte Geschichte, führt
überall ins Leben zurück, ist stets gegenwärtig, stets
unmittelbar, nie ist er bloß Literatur, nie nur mittel-
bare allegorische Rückdeutung des Augenblicks. Nur
so wird er Bild, wie im Giebel und auf der Metope
des Tempels, wie im Freskogemälde auch auf der Vase —
und das mythische Bild auf Mischkrügen, Trinkschalen,
Weinkannen wird bei den Symposien nicht weniger be-
deutet haben als in der Palästra die Herme und nach
dem Mahle die Spende an die Götter, als die beim
Trinken vorgetragenen Gesänge, die übelwehrenden
Augen und Darstellungen froher Zecher selbst auf den
Tongefäßen. Dionysos im Schwarm der Silene und Mai-
naden ist schon von jeher eine der beliebtesten Dar-
stellungen auf dem Tongeschirr, dessen hauptsächliche
Bestimmung es ist, des Gottes Gabe zu fassen. Das
Symposion selbst — dessen Bedeutung als lebenerfüllte
Geselligkeitsform uns am schönsten aus Platons Gast-
mahl spricht — gibt den Vasenmalern unerschöpflichen
Stoff zur Darstellung des trunken ausgelassenen Tum-
meltanzes um den großen Mischkessel und des Straßen-
umzugs der übermütig heimziehenden Gäste. Hier spie-
gelt das Vasenbild unmittelbar das hellenische Leben
in seiner Alltagserscheinung, ja nirgends sonst als hier
wird auch der Alltag in seiner ganzen bunten Viel-

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