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Kultur- uud Kuustlcbeu, 1819-1830.
In König Ludwig personifizirte sich greifbarer Weise der Güh-
rungsprozeß der Zeit. Auf allen Gebieten seines Fühlens und Den-
kens lagen die Gegensätze unvermittelt neben einander. Die gleiche
Unklarheit und Zerfahrenheit, welche sich im politischen, literarischen
und künstlerischen Empfinden und Leben der Gesammtheit zu Mas-
senwirkungen gruppirte und eine hin- uud herwogende Gährung er-
zeugte, in König Ludwigs Haupt sammelt sie sich mikrokosmisch.
Wir erinnern uns, wie schon der Kronprinz den Germanismus
betonte in der Sprache uud selbst in der Tracht gegenüber dem Frau-
zoseuthum, zu dessen Sturz er mit in den heiligen Krieg gezogen
war. Wir sehen jetzt den König mit thatkraftiger Einwirkung das
Banner des Plsil Hellenismus hoch halten. Doch während er mit
Begeisterung die Befreiung eines Heldenvolkes von drückender Tyran-
nei verfocht, empfand er es nicht als einen Widerspruch, daß er die
tyrannische Knechtung ersann, vermeintliche Majestätsbeleidiger zur
Abbitte vor seinem gemalten Bilde zu zwingen. Wie er für den Ge-
danken brannte, Vas alte Hellas an Ort und Stelle ins Leben zu
rufen, so wollte er dessen Kunst leibhaftig nach Deutschland ver-
pflanzen. Aber mit seiner übermächtigen Liebe zur Kunst und Schön-
heit trug er die Gegensätze des Klassicismus und der Romantik um
vermittelt in sich und zu gleicher Zeit begeisterte ihn der Gedanke,
das deutsche Reich in seiner ganzen Herrlichkeit vor allem in seiner
urthümlicheu Art und Kunst wieder erstehen zu sehen. In der Wal-
halla errichtete er den deutschen Ehrengeistern einen hohen Versamm-
lungsort, 'auf daß tentscher der Teutsche aus ihr träte, besser als
er gekommen? Schinkel entwarf einen deutschen Bau dafür; aber
ein griechischer Tempel schließt die Walhallagenosfen ein.
Dem Gährungshaften der Zeit entsprach seine Hast und Un-
geduld, mit welcher das einmal von der Phantasie Erfaßte in die
Wirklichkeit übertragen werden mußte. 'Er scheiut das Regieren mit
unbeschreiblicher Lust zu treiben' schrieb Rauch an Schinkel, um
zu zeichnen, wie die durch die Thronbesteigung entfesselte Kraft des
bis dahin gebnndeneren Kronprinzen zum Durchbruch gelangte, um
die weitgreifendsten Pläne für die Kunst zu verwirklichen uud sie zu
Kultur- uud Kuustlcbeu, 1819-1830.
In König Ludwig personifizirte sich greifbarer Weise der Güh-
rungsprozeß der Zeit. Auf allen Gebieten seines Fühlens und Den-
kens lagen die Gegensätze unvermittelt neben einander. Die gleiche
Unklarheit und Zerfahrenheit, welche sich im politischen, literarischen
und künstlerischen Empfinden und Leben der Gesammtheit zu Mas-
senwirkungen gruppirte und eine hin- uud herwogende Gährung er-
zeugte, in König Ludwigs Haupt sammelt sie sich mikrokosmisch.
Wir erinnern uns, wie schon der Kronprinz den Germanismus
betonte in der Sprache uud selbst in der Tracht gegenüber dem Frau-
zoseuthum, zu dessen Sturz er mit in den heiligen Krieg gezogen
war. Wir sehen jetzt den König mit thatkraftiger Einwirkung das
Banner des Plsil Hellenismus hoch halten. Doch während er mit
Begeisterung die Befreiung eines Heldenvolkes von drückender Tyran-
nei verfocht, empfand er es nicht als einen Widerspruch, daß er die
tyrannische Knechtung ersann, vermeintliche Majestätsbeleidiger zur
Abbitte vor seinem gemalten Bilde zu zwingen. Wie er für den Ge-
danken brannte, Vas alte Hellas an Ort und Stelle ins Leben zu
rufen, so wollte er dessen Kunst leibhaftig nach Deutschland ver-
pflanzen. Aber mit seiner übermächtigen Liebe zur Kunst und Schön-
heit trug er die Gegensätze des Klassicismus und der Romantik um
vermittelt in sich und zu gleicher Zeit begeisterte ihn der Gedanke,
das deutsche Reich in seiner ganzen Herrlichkeit vor allem in seiner
urthümlicheu Art und Kunst wieder erstehen zu sehen. In der Wal-
halla errichtete er den deutschen Ehrengeistern einen hohen Versamm-
lungsort, 'auf daß tentscher der Teutsche aus ihr träte, besser als
er gekommen? Schinkel entwarf einen deutschen Bau dafür; aber
ein griechischer Tempel schließt die Walhallagenosfen ein.
Dem Gährungshaften der Zeit entsprach seine Hast und Un-
geduld, mit welcher das einmal von der Phantasie Erfaßte in die
Wirklichkeit übertragen werden mußte. 'Er scheiut das Regieren mit
unbeschreiblicher Lust zu treiben' schrieb Rauch an Schinkel, um
zu zeichnen, wie die durch die Thronbesteigung entfesselte Kraft des
bis dahin gebnndeneren Kronprinzen zum Durchbruch gelangte, um
die weitgreifendsten Pläne für die Kunst zu verwirklichen uud sie zu