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Rauch uud Goethe, 1820—1832.
liebenden Himmels hinansheben' zu lassen, der ward durch ein siche-
res Band der Wahlverwandtschaft mit seinem Leben und Streben zu
dem hingezogen, welcher der Zeit den dauernden Pnlsschlag gab.
Als der zwanzigjährige Rauch tagsüber noch im Vorzimmer der
Königin Luise den Handleistnngen oblag, die seine damalige dienstliche
Stellung forderte, schritt er Abends durch Goethe's Propyläen ans
ein Gebiet, wo Herz und Kopf in ihre Rechte traten. Von hierher
nahm er in dem Alter der größten Empfänglichkeit für geistige Nah-
rung die ernstesten Anregungen von dauernder, belebender Nachwirkung.
Als Goethe den Schauplatz seines Erdenwirkens verlassen hat,
nimmt der zweite Theil des Faust Ranch's ganze Seele in Anspruch.
Schinkel war ihm 'der liebste Translateur dieses wunderbaren Ge-
dichtes? Das Verständniß — sagt er - wächst durch den Umstand,
daß er auch Goethe's persönliche Bekanntschaft gemacht, den unmit-
telbaren Einfluß seines sprechenden Wesens erfahren hat. — Goethe
selbst hatte zu der persönlichen Annäherung den ersten Anstoß gegeben.
Er mußte in Beziehung treten zu der künstlerischen, sicher nachhaltig
wirksamen Kraft, nm zu gebcu und nm zu empfangen. Das zuerst
beabsichtigte Zusammentreffen bei der desiuitiveu Rückkehr Ranch's aus
Italien ward durch die Abwesenheit Goethe's in Karlsbad vereitelt.
Doch blieb die Aufforderung dazu von Bestand, und so geschah im
Sommer 1820 jene erste persönliche Annäherung in Jena und Wei-
mar, welche wir oben berichteten sS. 138).
Von der in Jena begonnenen Büste Goethe's konnte Ranch be-
reits am 24. September den ersten Gipsabguß auf die akademische
Ausstellung bringen. Im Oktober erhielt der Kronprinz einen solchen
zum Geburtstage und gleichzeitig Goethe selbst zwei Abgüsse. Herr
von Quandt bestellte die Büste sofort in Marmor für sein Goethe-
Zimmer in der Villa zur schönen Höhe bei Dittersbach. Sie wird ihm
1823 zugestellt. Stein in Breslau erhält einen Abguß. 'Daß so
eine ganze Welt — schreibt er in seinen Zügen liegt, übersieht
man erst recht, wenn man ihn ruhig als Büste vor sich hat und nicht
zerstreut wird durch das, was er spricht'; und 'nicht eines Angenstern-
leins Größe — findet er — in dem Gesicht, worinnen nicht Charakter
Rauch uud Goethe, 1820—1832.
liebenden Himmels hinansheben' zu lassen, der ward durch ein siche-
res Band der Wahlverwandtschaft mit seinem Leben und Streben zu
dem hingezogen, welcher der Zeit den dauernden Pnlsschlag gab.
Als der zwanzigjährige Rauch tagsüber noch im Vorzimmer der
Königin Luise den Handleistnngen oblag, die seine damalige dienstliche
Stellung forderte, schritt er Abends durch Goethe's Propyläen ans
ein Gebiet, wo Herz und Kopf in ihre Rechte traten. Von hierher
nahm er in dem Alter der größten Empfänglichkeit für geistige Nah-
rung die ernstesten Anregungen von dauernder, belebender Nachwirkung.
Als Goethe den Schauplatz seines Erdenwirkens verlassen hat,
nimmt der zweite Theil des Faust Ranch's ganze Seele in Anspruch.
Schinkel war ihm 'der liebste Translateur dieses wunderbaren Ge-
dichtes? Das Verständniß — sagt er - wächst durch den Umstand,
daß er auch Goethe's persönliche Bekanntschaft gemacht, den unmit-
telbaren Einfluß seines sprechenden Wesens erfahren hat. — Goethe
selbst hatte zu der persönlichen Annäherung den ersten Anstoß gegeben.
Er mußte in Beziehung treten zu der künstlerischen, sicher nachhaltig
wirksamen Kraft, nm zu gebcu und nm zu empfangen. Das zuerst
beabsichtigte Zusammentreffen bei der desiuitiveu Rückkehr Ranch's aus
Italien ward durch die Abwesenheit Goethe's in Karlsbad vereitelt.
Doch blieb die Aufforderung dazu von Bestand, und so geschah im
Sommer 1820 jene erste persönliche Annäherung in Jena und Wei-
mar, welche wir oben berichteten sS. 138).
Von der in Jena begonnenen Büste Goethe's konnte Ranch be-
reits am 24. September den ersten Gipsabguß auf die akademische
Ausstellung bringen. Im Oktober erhielt der Kronprinz einen solchen
zum Geburtstage und gleichzeitig Goethe selbst zwei Abgüsse. Herr
von Quandt bestellte die Büste sofort in Marmor für sein Goethe-
Zimmer in der Villa zur schönen Höhe bei Dittersbach. Sie wird ihm
1823 zugestellt. Stein in Breslau erhält einen Abguß. 'Daß so
eine ganze Welt — schreibt er in seinen Zügen liegt, übersieht
man erst recht, wenn man ihn ruhig als Büste vor sich hat und nicht
zerstreut wird durch das, was er spricht'; und 'nicht eines Angenstern-
leins Größe — findet er — in dem Gesicht, worinnen nicht Charakter