Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz.
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Wenn ich der langen Jahre gedenke, in denen Sie nichts als höchst
nnidealische Nasen nebst charmanten Hasen und Stiefeln machen und
dabei hübsch frieren mußten, wenn Sie zur Erholung heraus wollten,
und mein Blick dann auf Ihrer jetzigen Existenz verweilt, so wird
mir zu Muthe als fühlte ich mich selbst von neuen Stahlfedern ge-
hoben. Ich glaube nicht, daß irgend Jemand Ihnen dieses Wieder
aufleben mehr gönnt, oder vielmehr glücklicher darüber ist als ich,
und wahrlich ebenso sehr meine Frau. Diese trägt mir unendlich
viel an Sie auf. Wie sehr sie der schönen Abende in München und
Ihrer so gütigen Leitung dort froh und dankbar sich erinnere, wie
sie hübsch folgsam jetzt Arme und Beine und ganze Körper zeichne,
vor Allem, wie Sie ihr bei diesen wie bei so vielen anderen Veran-
lassungen fehlen, das soll ich Alles sagen und sage es gar zu geru,
weil ich ihre Gefühle alle zu sehr theile, wenngleich der Himmel ihr
schönes Talent mir versagt hat." —
Die Großherzogin Marie, eine Tochter des Landgrafen Friedrich
zu Hessen-Kassel, hatte nämlich eine hervorragende Begabung für Aus-
übung der Malerei. Als sie in dem jugendlichen Alter von kaum
einundzwanzig Jahren dem Gemahl in die neue Heimath folgte,
brachte sie ihren Lehrer, den Professor Wilhelm Unger mit dorthin,
der einer der begabtesten Schüler des Miniaturmalers Jsabey in
Paris gewesen war. Unter seiner Leitung hatte die Großherzogin
diese Gattung der Malerei zuerst geübt. Eine Anzahl Miniatur-
Kopien nach alten Gemälden von ihrer Hand im Schlosse zu Neu-
strelitz, sowie nach der Natur gemalte Portraits von Familiengliedern
bezeugen ihr Talent. Demnächst leistete sie Vortreffliches in Sepia-
Kopien nach Rafael'schen Gemälden, bis sie endlich mit ihrem alten
Lehrer Unger zusammen, unter Leitung von Karl Eggers nach dessen
Rückkehr aus Rom, in Oel zu malen begann. Dies hat sie bis zu
ihrem unlängst im 85. Lebensjahre erfolgten Tode, also zwei volle
Menschenalter hindurch, fortgesetzt mit einem Ernst, ja mit einer Be-
russfreudigkeit, welche sie mit größter Regelmäßigkeit viele Stunden
des Tages an die Staffelei bannte. So entstand eine so beträchtliche
Anzahl von Gemälden, wie kaum je von anderer Frauenhand, vor-
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Wenn ich der langen Jahre gedenke, in denen Sie nichts als höchst
nnidealische Nasen nebst charmanten Hasen und Stiefeln machen und
dabei hübsch frieren mußten, wenn Sie zur Erholung heraus wollten,
und mein Blick dann auf Ihrer jetzigen Existenz verweilt, so wird
mir zu Muthe als fühlte ich mich selbst von neuen Stahlfedern ge-
hoben. Ich glaube nicht, daß irgend Jemand Ihnen dieses Wieder
aufleben mehr gönnt, oder vielmehr glücklicher darüber ist als ich,
und wahrlich ebenso sehr meine Frau. Diese trägt mir unendlich
viel an Sie auf. Wie sehr sie der schönen Abende in München und
Ihrer so gütigen Leitung dort froh und dankbar sich erinnere, wie
sie hübsch folgsam jetzt Arme und Beine und ganze Körper zeichne,
vor Allem, wie Sie ihr bei diesen wie bei so vielen anderen Veran-
lassungen fehlen, das soll ich Alles sagen und sage es gar zu geru,
weil ich ihre Gefühle alle zu sehr theile, wenngleich der Himmel ihr
schönes Talent mir versagt hat." —
Die Großherzogin Marie, eine Tochter des Landgrafen Friedrich
zu Hessen-Kassel, hatte nämlich eine hervorragende Begabung für Aus-
übung der Malerei. Als sie in dem jugendlichen Alter von kaum
einundzwanzig Jahren dem Gemahl in die neue Heimath folgte,
brachte sie ihren Lehrer, den Professor Wilhelm Unger mit dorthin,
der einer der begabtesten Schüler des Miniaturmalers Jsabey in
Paris gewesen war. Unter seiner Leitung hatte die Großherzogin
diese Gattung der Malerei zuerst geübt. Eine Anzahl Miniatur-
Kopien nach alten Gemälden von ihrer Hand im Schlosse zu Neu-
strelitz, sowie nach der Natur gemalte Portraits von Familiengliedern
bezeugen ihr Talent. Demnächst leistete sie Vortreffliches in Sepia-
Kopien nach Rafael'schen Gemälden, bis sie endlich mit ihrem alten
Lehrer Unger zusammen, unter Leitung von Karl Eggers nach dessen
Rückkehr aus Rom, in Oel zu malen begann. Dies hat sie bis zu
ihrem unlängst im 85. Lebensjahre erfolgten Tode, also zwei volle
Menschenalter hindurch, fortgesetzt mit einem Ernst, ja mit einer Be-
russfreudigkeit, welche sie mit größter Regelmäßigkeit viele Stunden
des Tages an die Staffelei bannte. So entstand eine so beträchtliche
Anzahl von Gemälden, wie kaum je von anderer Frauenhand, vor-