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Eggers, Friedrich; Eggers, Karl; Eggers, Friedrich [Editor]; Eggers, Karl [Editor]
Christian Daniel Rauch (Band 3,1) — Berlin, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.43148#0263
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Die Statuen: Glaube, Liebe, Hoffnung.

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Kindern hervorgegangenen Gestalten jener drei „die da bleiben" nach
den Worten der Schrift, sind von diesem Stilgesetz durchtränkt. Wie
bezeichnend auch, daß Rauch gar nicht daran dachte, jene drei in
kunstüblicher Weise zu bilden als die mit den nöthigen Attributen ver-
sehenen Frauengestalten, bei denen das gerechte Urtheil, niemals sagen
wird, dies ist der Glaube oder ist die Liebe, sondern immer nur, dies
soll sein. —
Aber kindlich, wie sein eigener Glaube war, so mußte Rauch ihn
bilden, und so ist es der Glaube: dieser Knabe, der in dem Buch der
Bücher liest und dem man es ansieht, daß er nichts hineinliest und
nur das herausliest, was er versteht, und das was er nicht versteht,
in Einfalt gelten läßt. Und die Hoffnung, — wir hatten sie eben
beschrieben wie sic mit kindlicher Zuversicht die Hände dem Vater
entgegenstreckt. Daß der gesuchte nicht ein irdischer Vater sein sollte,
dafür war denn freilich nur noch sinnbildliche Hülfe möglich, welche
Rauch durch das Flügelpaar gab. Endlich jener liebliche Knabe,
über dessen Ausdruck bei jener Ausstellung Franz Kugler nichts
Besseres sagen zu können erklärte, als was eine Besucherin der Aus-
stellung neben ihm fast unwillkürlich ausrief: „Wer möchte dem
Knaben etwas abschlagen!" — Jener Knabe, der in der Schale die
Flamme darbietet, aber mit bittendem Blick, ist es nicht die Liebe?
— Sie, die sich darbietet, aber nicht sich aufdrängt, nur bittet, sie
anzunehmen, nicht sich ihr hinzugeben, die Liebe, von der es heißt,
sie „ist langmüthig und freundlich, sie verträgt Alles, sie glaubet
Alles, sie hoffet Alles, sie duldet Alles, die Liebe höret nimmer auf."
So hat Rauch in diesen drei Schöpfungen das Spiegelbild
seines kindlich religiösen Gemüthes hingestellt durch die Ausdrucks-
mittel seiner Kunst, welche ihr auf der durch Rauch gewonnenen
Höhe zu Gebote stehen. Die Stilgesetze der Antike nicht bloß in
Behandlung der Form auf die religiöse Plastik zu übertragen, sondern
auch in Darstellung des inneren Lebens und des Inhaltes insbe-
sondere der protestantischen Religionsanschauung, das hatte bis dahin
Niemand vermocht. Dies war nur möglich, wo nicht verständige
Reflexion, sondern die eigene religiöse Empfindung die schaffende
 
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