Rauch und die Humboldt's. 295
der Jahre immer mehr zusammenschmolz, Rauch fehlte nicht in den
trüben Stunden, an welchen die Familienglieder sich, nach Humboldt's
Ausdruck „au der Säule zum gemeinsamen Stillleben" zusammen
sanden. Freilich überwogen die frohen Feste. An diesen nahmen
zuweilen Mitglieder des königlichen Hauses theil, oder andere Be-
freundete, wie Wach, die Paalzow, Kaulbach, Flottwell, Serlo, —
insbesondere an der regelmäßigen Geburtstagsfeier des Seniors in
der Familie: Alexanders. „Heiter, kräftig, wie vor zwanzig Jahren"
begann er das neunundsicbenzigste, „übermüthig, wohl und heiter" 1850
das einundachtzigste Wiegenfest. Dem Fünsundachtzigjährigen war es
noch nicht zu schwer, die Geburtstagsfeier in Tegel früher abzu-
brechen, weil er noch selbigen Abends dem Könige in Sanssouci vor-
zulesen hatte und am 14. September 1857 konnte Rauch noch den
achtundachtzigsten Geburtstag des Freundes feiern helfen. Wenige
Wochen später war der König schwer erkrankt. Humboldt war nach
Potsdam geeilt und hier besuchte Rauch, bei dem Könige nicht mehr
zugelassen, den langjährigsten Lebensfrcund am 5. Oktober zum Ab-
schied für die Reise nach Dresden. Es war — wie wir wissen —
der Abschied für's Leben, das sie seit länger als zwei volle Menschen-
alter hindurch in treuer Freundschaft verbunden gehalten hatte. —
Wir werden noch bei den Arbeiten Rauchs auf manche Bcthä-
tigung dieser Freundschaft in der Theilnahmc an dem geistigen Schaffen
der Freunde zurückzukommcn haben. Ein häufig wirksames Binde-
glied für jenen persönlichen Verkehr miteinander hatte die Zuneigung
gebildet, welche der König beiden entgcgentrug. In den kleineren
Gescllschaftszirkeln, die der König um sich sammelte, trafen sie oft
zusammen, auch mit anderen Hauptträgern der Wissenschaft und
Künste, deren Tagesfragen verhandelt wurden. Humboldt hielt
Vorträge kunstgcschichtlichen, historischen, geographischen, ethnologischen
Inhalts; Ritter über die modernen Weltstädte Paris und London
und über die antiken Weltstädte, die im Gebiete des Euphrat unter-
gegangen sind; Ranke theilte die Ergebnisseseinerneuesten historischen
Forschungen mit; Lcpsius erklärte die ägyptische Bilderschrift: jedoch
nur selten begegnen wir in den Aufzeichnungen des Tagebuchs ein
der Jahre immer mehr zusammenschmolz, Rauch fehlte nicht in den
trüben Stunden, an welchen die Familienglieder sich, nach Humboldt's
Ausdruck „au der Säule zum gemeinsamen Stillleben" zusammen
sanden. Freilich überwogen die frohen Feste. An diesen nahmen
zuweilen Mitglieder des königlichen Hauses theil, oder andere Be-
freundete, wie Wach, die Paalzow, Kaulbach, Flottwell, Serlo, —
insbesondere an der regelmäßigen Geburtstagsfeier des Seniors in
der Familie: Alexanders. „Heiter, kräftig, wie vor zwanzig Jahren"
begann er das neunundsicbenzigste, „übermüthig, wohl und heiter" 1850
das einundachtzigste Wiegenfest. Dem Fünsundachtzigjährigen war es
noch nicht zu schwer, die Geburtstagsfeier in Tegel früher abzu-
brechen, weil er noch selbigen Abends dem Könige in Sanssouci vor-
zulesen hatte und am 14. September 1857 konnte Rauch noch den
achtundachtzigsten Geburtstag des Freundes feiern helfen. Wenige
Wochen später war der König schwer erkrankt. Humboldt war nach
Potsdam geeilt und hier besuchte Rauch, bei dem Könige nicht mehr
zugelassen, den langjährigsten Lebensfrcund am 5. Oktober zum Ab-
schied für die Reise nach Dresden. Es war — wie wir wissen —
der Abschied für's Leben, das sie seit länger als zwei volle Menschen-
alter hindurch in treuer Freundschaft verbunden gehalten hatte. —
Wir werden noch bei den Arbeiten Rauchs auf manche Bcthä-
tigung dieser Freundschaft in der Theilnahmc an dem geistigen Schaffen
der Freunde zurückzukommcn haben. Ein häufig wirksames Binde-
glied für jenen persönlichen Verkehr miteinander hatte die Zuneigung
gebildet, welche der König beiden entgcgentrug. In den kleineren
Gescllschaftszirkeln, die der König um sich sammelte, trafen sie oft
zusammen, auch mit anderen Hauptträgern der Wissenschaft und
Künste, deren Tagesfragen verhandelt wurden. Humboldt hielt
Vorträge kunstgcschichtlichen, historischen, geographischen, ethnologischen
Inhalts; Ritter über die modernen Weltstädte Paris und London
und über die antiken Weltstädte, die im Gebiete des Euphrat unter-
gegangen sind; Ranke theilte die Ergebnisseseinerneuesten historischen
Forschungen mit; Lcpsius erklärte die ägyptische Bilderschrift: jedoch
nur selten begegnen wir in den Aufzeichnungen des Tagebuchs ein