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Einem, Herbert von
Goethe und Dürer — Hamburg: Schröder, 1947

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https://doi.org/10.11588/diglit.61707#0012
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das die Buntheit der Welt wie in einem geheimnisvollen
Spiegel auffängt.
Dieses Dürerbild ist geschöpft aus der innigen Versenkung
in die deutsche Welt des 16. Jahrhunderts, der Goethes Liebe
seit seiner Straßburger Zeit gehörte, die Welt des Götz, die Welt
Huttens, die Welt, aus der er ja auch das Straßburger Münster
- geschichtlich falsch, aber für ihn mit tiefer innerer Berech-
tigung - zu verstehen suchte2, aufgestellt als Gegenbild gegen
die «geschminkten Puppenmaler» seiner Zeit, die «durch
theatralische Stellungen, erlogene Teints und bunte Kleider die
Augen der Weiber gefangen». «Männlicher Albrecht Dürer, den
die Neulinge anspötteln, deine holzgeschnitzteste Gestalt ist
mir willkommener3.»
An diesem Bilde hat Goethe zeitlebens festgehalten. Jede
Berührung mit Dürer (und es hat deren für den Kunstfreund,
den Sammler, den Historiker viele gegeben4) bedeutete ein
neues Eintauchen in diese Welt. Die Bewertung des Künstlers
machte freilich einen Wandel durch. Je mehr sich Goethe
selbst aus dem Sturm und Drang seiner Jugend zur Klassik
seiner Reife entwickelte, je mehr er Idealität und Schönheit
über Natur und Charakter, Gesetz über Freiheit, objektive Aus-
sage über subjektives Bekennenwollen stellte, um so mehr verlor
Dürers Kunst - so wie er sie verstand - ihre Vorbildlichkeit
für ihn, traten an die Stelle der Altdeutschen als Leitsterne
die entwickelteren Formen der Antike und Hochrenaissance.
Nunmehr stieß er sich an dem Trocken-Naiven, dem Steif-
Wackeren, dem Ängstlich-Rechtlichen der Deutschen5, an der
«gewissenhaften Peinlichkeit, die sowohl Dürers Gemälde wie
Holzschnitte beschränkt6». In Italien bedauerte er, daß das
Glück «den armen Mann» nicht tiefer über die Alpen geführt
habe7. Er tadelte es, daß sich auch Dürer «nie zur Idee des
Ebenmaßes der Schönheit, ja, sogar nie zum Gedanken einer
schicklichen Zweckmäßigkeit habe erheben können», und
machte seine «trübe, form- und bodenlose Phantasie» dafür
verantwortlich8. Deutlich spürt man, daß diese Kritik nicht

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