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Einem, Herbert von; Runge, Philipp Otto [Ill.]
Das Bildnis der Eltern — Der Kunstbrief, Band 45: Berlin: Mann, 1948

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https://doi.org/10.11588/diglit.62592#0007
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DAS WERK
I.
Wenn wir uns mit Runge und seiner Kunst beschäftigen, so
wird unsere Aufmerksamkeit in erster Linie von seinem Haupt-
werk, dem Zyklus der Tageszeiten, angezogen: den köstlichen,
später als Radierungen herausgegebenen Zeichnungen und den
Gemälden, von denen freilich nur der Morgen ausgeführt und
selbst er nicht einmal ganz fertig geworden ist.
Die Gemälde - der kleine und der große Morgen, das Fragment
des Mittags - sind nun keineswegs nur Umsetzungen der linearen
Gebilde in das Element der Farbe, sondern zwischen ihnen liegt
eine Wandlung, die recht eigentlich den Inhalt von Runges Lebens-
weg ausmacht und auf der seine geschichtliche Bedeutung für die
romantische Malerei, ja, für die Romantik überhaupt beruht: die
Wandlung von der allegorischen Zeichensprache, die die einzelnen
Formen wie Hieroglyphen gebraucht und in den Dienst gleichsam
einer neuen Heiligen Schrift stellt, zur symbolischen Landschaft,
die atmend, gestalthaft ein sinnliches Erlebnis widerspiegelt und es
zum Gleichnis des übersinnlichen zu erheben versucht.
Diese Wandlung - vom Zeichen zur Gestalt, vom Gedanken-
bild zur Naturschau - ist den Zeitgenossen verborgen geblieben,
hat ihnen bei der Zurückgezogenheit und dem frühen Tode des
Künstlers notwendig verborgen bleiben müssen - Goethes, Wil-
helm Tischbeins, Böttigers Bedenken, Friedrich Schlegels Kritik
richten sich allein gegen die frühe hieroglyphische Stufe seiner
Kunst -, um so wichtiger ist es für uns, sie ins Bewußtsein zu
rücken, um den Künstler ganz verstehen zu können.
Stadien dieser Wandlung, Mittel, sie durchzusetzen und ganz
zu verwirklichen, sind Runges große religiösen Gemälde, die
Ruhe auf der Tludht nadh .Ägypten und Petrus auf dem Meere,
sind ferner seine großen Bildnisse, von denen uns hier das
Bildnis der Eltern (Abb. 1) beschäftigen soll. In ihnen zuerst ist
der Schritt von der Hieroglyphe zur Gestalt vollzogen worden.
Dieser Schritt war nicht - wie es scheinen könnte - ein Zurück-
weichen vor der selbstgestellten Aufgabe einer neuen Kunst, ein
Wiedereinbiegen in die Tradition der früheren Gestaltkunst,
sondern in der Tat ein Schritt auf dem eigetien neuen Wege.
Das Symbolische, das ihm vorschwebte und das er an die Stelle

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