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Einem, Herbert von; Runge, Philipp Otto [Ill.]
Philipp Otto Runge - das Bildnis der Eltern — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 23: Stuttgart: Reclam-Verlag, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.62591#0005
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DAS WERK

I.
VVZenn wir uns mit Runge und seiner Kunst beschäf-
W tigen, so wird unsere Aufmerksamkeit in erster
Linie von seinem Hauptwerk, dem Zyklus der ,Tages-
zeiten“, angezogen: den köstlichen, später als Radierun-
gen herausgegebenen Zeichnungen und den Gemälden,
von denen freilich nur der „Morgen“ aüsgeführt und
selbst er nicht einmal ganz fertig geworden ist.
Die Gemälde — der kleine und der große „Morgen“,
das Fragment des „Mittags“ — sind nun keineswegs nur
Umsetzungen der linearen Gebilde in das Element der
Farbe. Zwischen ihnen liegt eine Wandlung, die recht
eigentlich den Inhalt von Runges Lebensweg ausmacht
und auf der seine geschichtliche Bedeutung für die ro-
mantische Malerei, ja, für die Romantik überhaupt be-
ruht: die Wandlung von der allegorischen Zeichensprache,
die die einzelnen Formen wie Hieroglyphen gebraucht,
zur symbolischen Landschaft, die atmend, gestalthaft ein
sinnliches Erlebnis widerspiegelt und es zum Gleichnis
des Übersinnlichen zu erheben versucht.
Diese Wandlung — vom Zeichen zur Gestalt, vom Ge-
dankenbild zur Naturschau — ist den Zeitgenossen ver-
borgen geblieben, hat ihnen bei der Zurückgezogenheit
und dem frühen Tode des Künstlers notwendig verbor-
gen bleiben müssen — Goethes, Wilhelm Tischbeins, Böt-
tigers Bedenken, Friedrich Schlegels Kritik richten sich
allein gegen die frühe hieroglyphische Stufe seiner
Kunst —, um so wichtiger ist es für uns, sie ins Bewußt-
sein zu rücken, um den Künstler ganz verstehen zu
können.
Stadien dieser Wandlung, Mittel, sie durchzusetzen
und ganz zu verwirklichen, sind Runges große religiöse
Gemälde, die „Ruhe auf der Flucht nach Ägypten“ und
„Petrus auf dem Meere“, sind ferner seine großen Bild-
nisse, von denen uns hier das „Bildnis der Eltern“
(Abb. 1) beschäftigen soll. In ihnen zuerst ist der Schritt

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