Abb.24 Jan van Kessel d.Ä., Allegorie der Vanitas. Oxford, Ashmolean Museum (Kat. 710)
Johannes geht der Maler in immer anderer Buchstabenfol-
ge sparsam um (vgl. Abb. 56).
Die Versuche, alle dargestellten Tiere mit ihrem latei-
nischen Namen zu klassifizieren, unternommen hier und
da auch bei den Blumen- und Pflanzenbestimmungen
von Zoologen und Biologen, stoßen wegen der Zweideu-
tigkeiten, die sich aus des Malers überschießender Phan-
tasie ergeben, an ihre Grenzen. Gegen den äußeren An-
schein sind seine Detailschilderungen keineswegs immer
biologisch richtig. Phantasie und Wirklichkeit zu schei-
den könnte eine lohnende Aufgabe für die Forschung der
Zukunft sein.
Der Maler muss viele Stunden mit Naturbeobach-
tungen verbracht haben, sind doch die hier in großer Zahl
abgebildeten Kreuzspinnen der Gattung ,Araneus' biolo-
gisch exakt bestimmbar, jedem Betrachter dürften diese
Spinnen bekannt sein, sind die Kreuzspinnen doch die in
Mitteleuropa am häufigsten vorkommenden Spinnen
überhaupt. Ihre Farbe reicht von hellbraun über verschie-
dene Grautöne bis schwarz. Mit Hilfe des Internets ist es
heute relativ leicht möglich, die von van Kessel porträ-
tierten Raupen zu bestimmen: so handelt es sich bei der
schönen blau-rot gepunkteten, die den letzten Buchsta-
ben ,l' des Namens formt, um die im Frühsommer leben-
de ,Schwammspinner-Raupe' (Lymantria dispar). Da des
Malers Aktionsradius im 17. Jh. beschränkter war als wir
uns das heute mit den unendlichen Reise- und Informati-
onsmöglichkeiten vorstellen können, ist van Kessels Kunst
eine einzigartige Sammlung von historischen Naturbeob-
achtungen. Diese Quelle spielt, soweit wir das recher-
chieren konnten, in der naturwissenschaftlichen For-
schung noch keine Rolle. Ein Schatz, der darauf wartet,
gehoben zu werden!
Humor, gepaart mit Selbstironie, spricht aus der Beob-
achtung, dass des Malers geliebte, die Signaturen aus-
nahmslos untergliedernden Punkte (z. B.: J. V. Kessel.) hier
am Ende als ,Schlusspunkt' in Form einer kleinen Spinne
gesetzt wird. Ein Jahr später, 1658, bringt JVKI in einer in
der Darstellung etwas reduzierten Fassung innerhalb
eines Ensembles von 16 kleineren Gemälden um ein grö-
ßeres Mittelbild (Kat. 330-348) seinen Vornamen in der
,alltäglichen' Form ,Jan' (s. Kat. 341). Diese Kompositi-
onsidee wiederholte er 1664 an im gesamten Werk be-
deutsamster Stelle: im Mittelbild der Europa-Allegorie des
Münchener Erdteil-Zyklus (Abb. 27, Kat. 54) platziert er
unterhalb des Blumenbildes neben einer Schmetterlings-
komposition, innerhalb eines mit symbolträchtigen Mo-
tiven geradezu vollgestopften Raumes ein Gemälde, das
nichts anderes darstellt als seinen Namen in der Weiter-
entwicklung der Komposition von 1657 (Abb. 23). Um in
dem Formenvielerlei nicht unterzugehen, vergrößert er
die Darstellung, indem er sie in einen hochrechteckigen
Rahmen spannt, der in Beziehung zum Größenmaßstab
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Die Signaturen der Jan van Kessels