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Abb. 112 Jan van Kessel d.Ä., Kartusche um Blumen und Muscheln. Lviv, National Art
Gallery (Kat. 626)

Die Figur in der Kartusche wurde als ,Europa' als
,Ecclesia' ... und ... als ,Maria Regina Coeli'... interpre-
tiert. Für Europa sprechen vor allem die engen Verbin-
dungen zu van Kessels Erdteil-Bild in München. Die um
das Mittelbild gruppierten Objekte mit ihren negativen,
zumeist mit der Vergänglichkeit zusammenhängenden
Bedeutungen (Spiel und Spielkarten, Tennisschläger,
Münzen, Muscheln, Kriegsgerät, Seifenblasen und Stun-
denglas) im ... Stillleben sind mit einer ,Ecclesia' oder mit
,Maria' schwerer in Einklang zu bringen als mit ,Europa';
ihre Attribute sind deutungsgleich mit denen, die traditio-
nell zu Europa gehören ... Europa mit Krone und Zepter
... unter dem machtvollen, auch militärischen, allerdings
vergänglichen Schutz der Kirche ..., könnte als Beschüt-
zerin der Künste und Wissenschaften vorgeführt sein:
links der Musik, rechts der bildenden Künste, der Archi-
tektur und der Naturwissenschaften ... Die negative Seite
beträfe also vor allem die linke untere Hälfte mit den At-
tributen besonders eitlen weltlichen Tuns. Interpretiert
man das Mittelbild als Himmelskönigin - und stellt das
Bild damit eindeutig in die Tradition der Girlandenbilder
mit Madonnen-Insert seit Jan Brueghel d. Ä. -, betreffen
die Vanitassymbole alle irdischen Verrichtungen: Alles,
auch die päpstliche Macht, die Wissenschaften und

Künste, wäre vergänglich im Angesicht Mariens, der Him-
melskönigin. Ob diese dualistische Sicht gut vereinbar ist
mit den so deutlich ins Detail gehenden, liebevoll ge-
schilderten, auch witzigen Präsentationen der Künste und
der Künstler, den Anspielungen auf lebende Personen und
gegenwärtige Ereignisse, ob man überhaupt eine wider-
spruchsfreie Interpretation dieses vielleicht auch schon
das Genus des Girlandenbildes ironisierenden Gemäldes
wird liefern können, ganz gleich, welcher Lösung für das
Mittelbild man zuneigt, mag hier offen bleiben. Die Da-
tierung steht durch die gleichsam dargestellten histo-
rischen Gegebenheiten fest: 1665 die päpstliche Bulle
und 1667 der Tod Papst Alexanders VII. Wenige Jahre spä-
ter (1 670) malten van Kessel und Erasmus II Quellinus
eine Allegorie Europas [unsere Kat. 122], in der ein groß-
er Teil der im vorliegenden Bild dargestellten Objekte
wieder auftaucht. ..."96. In diesem Bild kann man immer
Neues entdecken: so halten wir es für möglich, dass auf
der rechten Seite links neben der nackten Rückenfigur
hinter der Porträtzeichnung mit Brille der Maler in einem
Selbstporträt den Betrachter fixiert.
In gleicher Zeit, in engster Beziehung zu Kat. 623 von
1664, muss die an Motiven reichste „Allegorie der Ele-
mente und der Vanitas" (Abb. 116, Kat. 667) entstanden

JVK I: Kränze und Kartuschen um Allegorien

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