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der Frührenaissance geschaffen, aber von der Folgezeit beibehalten worden, wie das Exemplar
von Hans Petzolt (Nr. 143, Tafel 38) beweist. Die Hochrenaissance bringt neben dem seltenen
Trichterpokal (Nr. 124, Tafel 32) und dem das alte Buckelungssystem umwandelnden Akley-
becher, dem zunftgerechten Meisterstück der Nürnberger Goldschmiede (Nr. 139, Tafel 37),
als ihre prägnanteste Schöpfung den Pokal mit stark eingezogenem Mittelstück hervor, der im
Aufbau von Körper, Fuß und Schaft die wagrechte Gliederung scharf hervorhebt, im Gegen-
satz zur Gotik, die mehr den senkrecht aufstrebenden Wuchs der Gefäße betonte. Dieser
Hochrenaissancetypus ist hier glänzend vertreten durch die Arbeiten von Christoff Straub aus
Nürnberg (Nr. 140, Tafel 37), von Andreas Müller aus Freiberg (Nr. 138, Tafel 37), durch den
Lübecker Pokal aus der Sammlung Karl von Rothschild (Nr 121, Tafel 30) und vor allem
durch das Hauptwerk Abraham Jamnitzers, den Familienpokal des Nürnberger Patrizier-
geschlechts der Harsdörffer (Tafel 28), dessen silbernes Mittelstück ein Elfenbeinmantel ver-
hüllt. Die Wirkung des Ganzen beherrscht das minutiös ausgearbeitete Burgmodell auf dem
Deckel unter dem bekrönenden Helm; man darf darüber aber die ausgezeichnete Silberarbeit
nicht übersehen, in der Abraham Jamnitzer seinem Verwandten Wenzel sich durchaus gewachsen
zeigt. Der Schaft des Harsdörffer-Pokals ist eine Variante desjenigen an Wenzel Jamnitzers
großem Kaiserpokal im Königlichen Schloß zu Berlin. Einer sehr verschiedenen Stilrichtung
folgt der Nürnberger Hans Petzolt, dem die Kunstgeschichte seit langem einen ehrenvollen
Platz als einem Hauptmeister der Spätrenaissance neben den Jamnitzern eingeräumt hat.
Obwohl er die Ausdrucksmittel der Renaissance im Ornament und im Figürlichen so voll-
kommen beherrscht, wie nur irgend einer seiner Zeitgenossen, kehrt er doch, wenn es die
Herstellung besonders großer und ansehnlicher Silbergefäße gilt, zur gotischen Tradition zurück
und bringt den echten und rechten Buckelpokal wieder zu Ehren. Sein Doppelpokal (Tafel 27),
ehemals in der Sammlung K. v. Rothschild, ist nächst dem Dianapokal im Besitz des Deutschen
Kaisers das stattlichste Zeugnis dieser gotisierenden Strömung am Ausgang des 16. Jahr-
hunderts. Unter dem unmittelbaren Einfluß Hans Petzolts ist der große Pokal Nr. 120
(Tafel 30) von Heinrich Straub entstanden.

Auch bei den Kannen stehen zwei verschiedene Richtungen einander gegenüber. Die
Anlehnung an italienische Vorbilder und das Streben nach edlen Umrißlinien zeitigt die
klassische Form mit eiförmigem Körper und elegant geschwungenem Henkel (Nr. 150 und
Nr. 156, Tafel 42, beide mit den zugehörigen Schüsseln), wogegen als deutscher Typus sich
die zylindrische Deckelkanne aus dem fußlosen Krug oder Humpen (Nr. 123 und 125, Tafel 32)
entwickelt. In Norddeutschland, namentlich in Lüneburg und Hamburg, ist diese Art am
prächtigsten ausgebildet worden, wie es die unbezeichnete Kanne Nr. 136, Tafel 36 zeigt, die
zweifellos dem niederelbischen Kunstkreis angehört. Die Augsburger Elfenbeinkannen von
Ph. J. Drentwett und A. Wickhart (Nr. 157 und 158, Tafel 42) führen die Form in den
Barockstil hinüber.

Eine umfangreiche Gruppe bilden die Silbergefäße in Tierform, für deren Gestaltung in
der Regel heraldische oder symbolische Beziehungen maßgebend waren. So gibt sich der
Altenburger Hirsch Nr. 133 durch die angehängten Denkzeichen als Willkomm eines Jagd-
schlosses zu erkennen, was vermutlich auch für den großen Hirsch von Jeremias Ritter aus
der Rothschild - Sammlung (Tafel 35), eins der ansehnlichsten Stücke dieser Art, zutrifft; der
Ochsenbecher Nr. 147, Tafel 39 war der Zunftpokal der Breslauer Metzger, die Eulenbecher

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