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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0077
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und Rundschild bewehrt, Jäger zu Fuß und von Hunden umgeben, sind im Kampf mit
Löwen, Wildschweinen, Hirschen und anderem Getier dargestellt. Kleine Bäume deuten
an, daß die Jagd im Wald sich abspielt. Das Muster, an den Rändern jedes Streifens ohne
Rücksicht auf die Rapportvollständigkeit abgeschnitten, wiederholt sich in Reihen überein?
ander, senkrecht zur Schußfadenrichtung. Da jede Symmetrie und deutliche Scheidung der
Reihen untereinander vermieden ist, ergibt sich das in der Weberei ungewohnte Bild eines
bewegten Getümmels. Die Stoffe sind in Ripsbindung zweifarbig, gelb auf braun oder grün
auf rot gewebt. Wenn die Figuren eckig und verzerrt erscheinen, so liegt das an dem rauhen
Wollmaterial und dem kleinen Maßstab, weniger am Stil und Können der Musterzeichner.
Die Darstellung ist voll Leben; Haltung und Bewegung von Mensch und Tier ausdruckst
voll. Formal und inhaltlich stehen die Jagdbilder auf dem Boden der Antike; kein Motiv,
keine Einzelheit verrät orientalischen Einfluß. Für Bekleidungszwecke können solche WolL
stoffe wegen der breiten Querstreifen nicht gedient haben; daher auch ihr seltenes Vorkom?
men in den Gräbern. Einen Hinweis auf ihre Verwendung als Bezugstoffe von Polstern
gibt der früher nach dem Kaiser Alexander Severus benannte Marmorsarkophag im Kapi*
tolinischen Museum; sein Deckel ist als Kline gestaltet, auf deren Kissenbezug Jagdbilder
mit ungemusterten Streifen abwechseln.1) Es ist ganz klar, daß hier ein ähnlicher Jagdstoff
dargestellt werden sollte. So alt wie der Sarkophag sind unsere ägyptischen Wollstoffe zwar
nicht, doch können sie wohl ins 5. Jahrhundert zurückreichen. Ihre freie, sozusagen land?
schaftliche Musteranordnung ähnelt den ältesten figürlichen Seidengeweben griechischer
Arbeit im Domschatz zu Sens (vgl. Abb. 52, 53), die etwa um das Jahr 400 anzusetzen sind.
Schwerlich war diesem Zweig antiker Wollweberei eine lange Dauer beschieden; da nach*
antike Überreste nicht mehr zum Vorschein kamen, ist zu vermuten, daß die wachsende
Ausdehnung der Seidenkunst im 6. Jahrhundert sein Ende herbeigeführt hat.

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*) Abgeb. A. Riegl, Spätrömische Kunstindustrie flg. 13.

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