Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0120
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Unterschenkel und die verschnürten
Schuhe, welche die Zehen bloß lassen.
Ungewöhnlich ist allein der nach
oben spitz zulautende Tunikabesatz
über den Knieen; auch dafür läßt sich
aut einem frühchristlichen Goldglas
römischer Arbeit') ein Gegenstück
nachweisen.

Der Quadrigastoff des Brüsseler
Kunstgewerbemuseums aus Münster?
bilsen bei Maastricht (Tafel IIa -
Abb. 74)2) wird zwar von J. Lessing
wegen der „sassanidischen" Krone
der Zwickelfigur für Vorderasien be?
ansprucht, fügt sich jedoch durch die
üblichen Farben, die typischen, hier
gestielt auftretenden Herzblüten und
die Astragalschnureinfassungen der
Kreisbänder der alexandrinischen
Gruppe an. Die siegandeutenden
Genien, die den Kranz in erhobener
Hand dem Wagenlenker zubringen,
sind ähnlich schon auf dem Orbiculus
der Seidenclavatura aus der Verkündigungswerkstatt im Kaiser Friedrich Museum darge?
stellt.3) Wenn damit ein bündiger Beweis für die Entstehung in Alexandria auch noch nicht
gegeben ist, so wird doch wenigstens die ägyptische Herkunft bekräftigt durch einen
aus ägyptischem Grabfund stammenden Seidenstoff in Lyon und Berlin, dessen gekröntes
Brustbild (Abb. 75) dem Kopf des Bigalenkers in den Zwickeln des Münsterbilsener Stoffes
vollkommen gleicht. Auch sind die kegelförmigen Aufsätze auf dem Nimbus des Quadri?
galenkers am ehesten von dem altägyptischen Motiv der Uraeusschlangen abzuleiten, wie
sie etwa auf einem Kalksteinbrustbild des Museums in Kairo erscheinen.4)

Über die Bedeutung des Musters gibt die Tracht des Wagenlenkers unzweideutigen
Aufschluß. Es ist weder mit J. Lessing an einen gewappneten Herrscher, noch mit Strzy?
gowski5) an Helios und Luna zu denken. Wie schon die Peitsche in Händen des Fahrers
andeutet, ist ein Agitator oder Wagenlenker des Hippodroms dargestellt. Die Berufstracht
der antiken Rennfahrer wird durch eine Verschnürung von Riemen gekennzeichnet, welche
die Tunika über dem Oberkörper fest zusammenhält. Die grünen Bänder auf dem weißen
Gewand des Quadrigalenkers entsprechen in ihrer Anordnung ganz genau den Riemen der
Agitatoren auf dem römischen Diptychon der Lampadier aus dem frühen 5. Jahrh. im
christlichen Museum von Brescia (Abb. 76).6) Schon im 5. Jahrhundert sind Wagenlenker
als Stoffmuster dargestellt worden; Beweis das Basiliusdiptychon vom Jahre 4807), wo die

') Dreger Entwicklung T. 12 b.

-) Originalaufnahmen bei Errera, Catalogue d'Etoffes anciennes S. 12; Migeon, Les arts du Tissu S. 17.
Das ziemlich wohlerhaltene Gewebe enthält drei ganze und ein halbes Kreisfeld von je 22 cm Durchmesser.
Es wurde im Schrein der um 680—690 gestorbenen Landrada, Äbtissin von Münsterbilsen gefunden.

:i) Jahrbuch 1903 fig. 12 S. 167. '

') Borchardt, Kunstwerke des ägypt. Mus. T. 12.

') Jahrbuch 1903 S. 166.

,;) Vgl. auch die Statuette eines Agitators in den Melanges d'archeol. von Cahier und Martin IV, S. 259.
~) Im Bargello; Photogr. S. Kens. Mus. 31803; Venturi I fig. 349.

Abb. 75. Seidenstoff aus Aegypten 7. Jahrh.

F a I k e, Seidenweberei.

57
 
Annotationen