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Falke, Otto von; Lessing, Julius
Kunstgeschichte der Seidenweberei: eine Auswahl der vorzüglichsten Kunstschätze der Malerei, Sculptur und Architektur der norddeutschen Metropole, dargestellt in einer Reihe der ausgezeichnetsten Stahlstiche mit erläuterndem Texte (Band 1) — Berlin, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.19016#0186
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Seit dem 14. Jahrh. werden diese Namen als Gab
tungsbezeichnung gleich dem ebenso geschätzten und
berühmten Damas auf italienische und andere Ge?
webe übertragen, sodaß neben dem Baudequin
d'outremer oder de opere saracenico auch Baidachini
von Lucca genannt werden.1) Im 12. und 13. Jahrh.
aber war der Name Baldachin ebenso wie Mossulin
noch ein Ursprungszeugnis; Marco Polo, der als
Venezianer sich im levantinischen Seidengeschäft gut
auskannte, sagt ausdrücklich: „Hier in Mossul macht
man alle die Stoffe aus Seide und Gold, die Mossulin
genannt werden."2)

Das Schatzverzeichnis des Heiligen Stuhls in
Rom und das Inventar der Paulskirche in London,
beide vom Jahr 1295, enthalten verschiedene Muster?

Abb. 165. Glaseimer aus dem Irak J '

(Bagdad oder Mossul) Anfang 13. jahrh. beschreibungen von Baldachinstoffen. Am häufig?

sten sind Kreismuster mit Tieren: Capa de baudekino
rubeo cum equis armatis; capa de baudekino indici coloris (indigoblau) cum rotellis auratis con?
tinentes leopardos; cum griffonibus et elephantis purpurei coloris; cum aquilibus aureisextensis
(Adlern mit ausgebreiteten Flügeln vgl. Abb. 157 und Abb. 163) cum floribus; cum rotis et
griffonibus duplicibus (vgl. T. 37a); baudekinus rubei campi cum griffonibus extra et leoni?
bus alatis infra rotellas. Von figürlichen Mustern werden nur die auf Mossulbronzen und
Schmelzgläsern sehr häufigen Reiter mit Jagdfalken genannt: Capa facta de baudekino ad?
modum templi cum militibus equitantibus infra et avibus super manus. Es wäre also kein
Wunder, wenn unter den erhaltenen zweifellos mesopotamischen Stoffen auch ein Erzeugnis
des größten Betriebs? und Ausfuhrplatzes sich findet.

Leider ist mit der genaueren Bestimmung eines Einzelstücks für die Kunstgeschichte
der Seide nicht viel gewonnen. Denn im allgemeinen muß man darauf verzichten, die Ar?
beiten einzelner Städte des Orients festlegen zu wollen. Mancherlei Schriftquellen rühmen
im ostmuslimischen Bereich die Seidenwebereien von Nischapur, Ispahan, Tebris, Tuster
und Susa; allein keine lehrt ihre Erzeugnisse von einander zu unterscheiden. Es ist im
Westen nicht anders. Auch dort werden neben den Hauptorten Damaskus, Antiochia,
Alexandria, Almeria, Palermo noch zahlreiche textilberühmte Städte genannt, namentlich
in Syrien und Ägypten; aber die Einzelbestimmung kommt über die Begrenzung des spa?
nischen und zur Not des sizilianischen Anteils innerhalb der westmuslimischen Denkmäler?
gruppe nur wenig hinaus.

Einen starken Einschnitt in die Entwicklung der ostmuslimischen Textilkunst bewirk?
ten vom 13. Jahrhundert ab die Invasionen der Mongolen aus Innerasien. Die erste Sturm?
flut, die unter Dschingis Khan 1227) über Iran hereinbrach, hat nur zerstörte Städte
und entvölkerte Landstriche hinterlassen. Als aber Hulagu Khan, der 1258 dem arabischen
Schattenkalifat von Bagdad ein Ende bereitete, und die nachfolgenden Ilkhaniden in Persien
und im Irak ihre Herrschaft dauerhafter einrichteten, die ungefähr anderthalb Jahrhunderte
bestand, kamen doch positive Ergebnisse zum Vorschein. Nicht daß die Mongolen eine
eigene Kunsttätigkeit entfaltet hätten; diese blieb vielmehr in den Händen der Unterwor?
fenen. Die entscheidende Neuerung war die zwischen West? und Ostasien geschaffene
Völkerverbindung. Seit die gewaltige Ländermasse von China bis Kleinasien, obwohl in

') Gay, Glossaire S. 133.

2) Francisque Michel I S. 317.

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