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Elsenliebe.

I 2«

war AlleS öde und unbewohnt. Nach dem nächsten Flecken hatte
man eine geraume Strecke Weges zu gehen, aber auch dahin
verirrte fich der Fischer mit seinem Sohne nur ein paar Mal
des Jahres, etwa um rothen Lachs, Hechte oder Forellen zu
Markte zu bringen, und mit dem geringen Erlöse kargen Vor-
rath für den Winker einzutauschen. Der Alte war gar menschen-
scheu, ernst und einsilbig, und bildete einen sonderbaren Gegen-
satz zu dem jungen, lebensfrischen, blondhaarigen Burschen,
der die Augen so leutselig umherwarf, wenn er seine Waare
ausbot. Das waren aber auch die langersehnten Freudentage,
wenn es nach Quickjock ging, allenfalls an hohen Festen, wo
ihm die Orgeltöne der Kirche so gewaltig an's Herz sprachen,
oder am Markttage, wo er mit dem Vater zusprach bei der
gastfreundlichen Muhme, welche den ersten Kramladen hatte
j im Orte.

Dadurch ward aber Nils nicht verwöhnt. Es behagte
ihm auch in seiner Einsamkeit gar wohl, und drückte ihn die
Luft innerhalb der rauchigen Pfahle seiner väterlichen Hütte,
so nahm er die Flinte von der Wand, verfolgte Wolfs - und
Luchsfährten, und streifte auf den Bergwäldern und Felsen
umher. Es kam ihm just nicht darauf an, manch' ftostigc
, Winternacht hindurch ein angeschossenes Stück zu verfolgen.

; Nebstdem hatte er eine gar helle, klare Stimme, und spielte
die Geige, als hätte er's einem Ellisermädchen abgelauscht.
Da aber der Vater sein einziger Lehnneister war, so konnte
I er es zu keinem frohen Liedlein bringen; denn was dieser ihm
vorsang von Hagbar und schön Signill, die um ihres Liebsten
. willen verbrannte, und vom wilden Räuber Brun, den die
! Jungfrau erschlug, klang Alles so düster und schwermüthig, wie
des See's Rauschen oder wie des Schilfes Gestöhn, wenn die
! Welle durchfährt, oder wie der Sturmwind, der durch die
! Fichten weht.

Ostern war gekommen. Nils zählte nachgerade neunzehn
z Jahre; da ließ ihn der Vater allein nach Quickjock wandern
in die Kirche. Noch wehte kein Lenzhauch; der Schnee schrillte
auf den Haiden und übereisten Mooren, und kaum daß eine
Dämmerung auftauchte am Himmel nach einer langen Nacht.
Der Junge halte lange im Orte verweilt, und es war spät
an der Zeit, als er heimzukehren gedachte. Doch traute er
seiner Kenntniß der Gegend, und der hellen, glänzenden Nacht
voll leuchtender Sterne und glühender Nordlichter, deren Strah-
len im farbigen Wiederspiele an den Eisfeldern und Jsbräden
des Ouickjock-Falls sich brachen, und ihm jede Fährte im j

Schnee erkennen ließen. Getrost wanderte er seines WegeS
weiter. Die Osterlieder der Kirche, wie sie zusammenflossen
mit dem vollen Orgeltone, klangen in seinem Ohre nach. Dabei

dröhnte und krachte es im Gebirge, die lauere Luft rüttelte an
den EiSphramiden der Gletscher. Sie seufzten und stöhnten

Thränengüsse. schwellten die Lulea-Elf, daß ihre Wogen mit
doppeltem Gebraust fich über die vielen Abhänge stürzten, um
unten für kurze Augenblicke auszurasten in dem beruhigenden
Seebecken, welches sie wie liebend, wie besänftigend aufnahm in
seine Felstnarme. Dieß Dröhnen und Tosen der nahen Elf,
das Seufzen der Gletscher, deren zackige Säulen so gespenster-
haft durch die blaue, kalte Mondlichtserne luegten, dann die
eigene Stimmung, in welche er gerathen war, ohne zu wissen
wie, bewegten den Jungen ganz eigen wundersam, und es ward
ihm allmählich unheimlich zu Muthe, da er doch sonst keine
Furcht kannte. Er verdoppelte seine Schritte, um baldmöglichst
in die Ebene zu gelangen. Aber als verwirrte ei» böser
Kobold seine Sinne, so verlor er zuletzt auch die Richtung j
heimwärts, und vermochte sich nicht mehr in den Platz zu
finden, auf den er gerathen. Das Glitzern und Flimmern der
Schneestäche blendete sein Auge, und bei jedem Schritte brach
die schwachübereiste Decke. Es mußte Thauwind geweht haben
vom Schonenland herüber, das verschlimmerte den bösen Weg,
und Nils mußte jeden Schritt vorwärts erst mit seinem
starken Fichtenstocke prüfen, ob nicht etwa trügerisches Eis eine
jähe Kluft verberge. So wurde er zum Hinsinken müde. Seine
Tritte wurden schwerfällig und mehrten seine Noch. — Da
kam es ihm plötzlich vor, als gäbe der Boden unter ihm nach.
Schnell wollte er der Gefahr entrinnen, und setzte seinen Stock
an, um sich über die gefährliche Stelle hinweg zu schwingen; —
aber es war zu spät; das Eis brach und er stürzte wohl sechs
Klafter tief in eine Höhlung im Berge.

Betäubt lag Nils einige Minuten; doch bald ermannte
er sich wieder, denn er war auf hohes Moos gefallen, und es

Wie im Traume geschah es ihm, als er sich in der schmalen
Schlucht umsah, welche zwischen senkrechten, nicht zu erklim-
menden Felsen eingeengt war. Alles erschien ihm ftemd, da
er doch kaum eine Stunde Weges von seiner Hütte entfernt
sein konnte, auch sonst Wege und Stege kannte im Gebirge,
wie die Winkel am heimathlichen Herde. Es däuchte ihm, als
habe sich das Gestein erst während seines Falles gespalten.
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