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Der dicke Bildschnitzer.

brach er in die Worte aus: Hört, lieben Freunde, wenn ihr
Lust habt, so denke ich, wir können eine allerliebste Posse mit
dem Dicken spielen, die uns gewiß den größten Spaß abwürfe.
Käme es auf mich an, so machten wir ihm weiß, er sei aus
i sich selber heraus verwandelt, und nicht mehr der Dicke, son-
dern ein Anderer. Hieraus wendeten zwar die Andern ein, daß
dies unmöglich auszusühren sei; Filippo wußte ihnen aber
seine Meinung so annehmlich zu machen, stellte ihnen die Ver-
standesschwäche des Dicken so augenfällig dar, daß sie zuletzt
nicht mehr an Ausführbarkeit des Planes zweifelten. Sie ver-
ständigten sich, wie einer nach dem andern den Dicken in dem
Glauben bestärken solle, daß er ein gewiffer Matteo sei, der
auch zu der Gesellschaft gehörte, und die Sache nahm am nächst-
folgenden Abende ihren Anfang dergestalt: Filippo di Ser
Brunellcsco, bekannter, wie gesagt, mit dem Dicken, als die
Uebrigen, trat zu der Stunde, da die Handwerker ihre Läden
zuzuschließen pflegten, in den Laden des Dicken ein, und schwatzte
eine lange Weile mit ihm, bis verabredetermaßen ein kleiner Knabe
eilig gelaufen kam, und fragte: Kommt hier nicht zuweilen
Filippo di Ser Brunellesco her, und ist er vielleicht
da? Filippo trat aus ihn zu, sagte, er wäre der Mann, und
fragte das Kind, was es begehre? Der Knabe erwiderte: Ach!
geht doch ja so schnell als ihr könnt nach Hause; es hat eure
Mutter vor zwei Stunden der Schlag gerührt, uud sie ist halb
todt. Kommt aber ja recht bald. Filippo stellte sich an,
hcfrig zu erschrecken, rief: Gott steh' mir bei, und schüttelte dem
Dicken die Hand, und nahm hastig von ihm Abschied. Der
Dicke sagte theilnehmend: Ich will mit dir gehen, im Falle
du meiner bedarfst. Das sind Fälle, in denen man seine Freunde
nicht schonen muß. Filippo bedankte sich und sprach: Ich
nehme dich nicht mit, aber wenn mir dein Beistand fehlt, so
schicke ich nach dir. Er ging, und schlug anscheinend den Weg
nach seiner Wohnung ein; als er aber eine Strecke entfernt
war, bog er um, und begab sich zu des Dicken Hause, das
der Kirche Santa Rcparata gegenüber lag. Er öffnete, bekannt
mit solchen Dingen, mit einem kleinen Meffer, das er bei sich
trug, die Thüre, und schob innen den Riegel vor, so daß Nie-
mand hinein gelangen konnte.

Der Dicke hatte seine Mutter bei sich, die dieser Tage
nach Polverosa gegangen war, wo sie ein Gütchen besaß, um
da ihre Wäsche zu waschen und zu trocknen, und er erwartete
sie alle Tage zurück. Er machte seine Werkstatt zu, ging seiner
Gewohnheit nach einige Mal auf dem Platze San Giovanni auf
und ab, den Kopf mit Gedanken an Filippo und deffen kranke
Mutter erfüllt, und sagte bei sich selbst, nachdem Ein Uhr des
Nachts vorüber war: Nun bedarf der Filippo meiner doch
nicht mehr, da er nicht zu mir schickt. Er beschloß also, nach
Hause zu gehen. Und als er vor seiner Thüre, zu der man

zwei Stufen in die Höhe trat, angelangt war, und wie sonst
aufschließen wollte, versuchte er es mehrere Male, und merkte
endlich, da es nicht ging, daß von innen der Riegel vor sei.
Er klopfte an und rief: Wer ist denn oben? Mach auf! —
der Meinung, daß wohl seine Mutter vom Dorfe zurückgekommen
sei und aus Vorsicht den Riegel vorgeschoben habe. Filippo
drinnen trat an den Treppenhals und rief, des D i ck e n Stimme
nachahmend: wer ist unten? Worauf der Dicke entgegnete: Mach
auf! — Filippo, als halte er den Pochenden für den M a t-
teo, von dem schon die Rede war, rief, gleichwie der Dicke
hinab: Ach, Matteo! geh mit Gott! ich bin heute nicht auf-
gelegt, eben warFilippo di Ser Brunellesco in meiner
Werkstätte bei mir und ward abgeholt, weil seine Mutter seit
ein paar Stunden schon auf den Tod krank liegt. Das hat
mich für den ganzen Abend betrübt gemacht. Und nach innen
gewendet, fügteer hinzu: M onna G i ov a nn a, so hieß des
Dicken Mutter, macht, daß ich zu effen bekomme. Es ist gar
zu arg; vor zwei Tagen solltet ihr schon wieder da sein, und
heute kommt ihr nun so spät. Er schalt noch einige Worte
so verdrossen hin, und ahmte des Dicken Stimme immer
dabei nach.

Wie der Dicke drin so schreien hörte, und es ihm doch
seine eigene Stimme schien, sagte er: Was heißt denn das?
Kommt es mir doch vor, als sei der da oben ich, der da sagt,
daß Filippo in seiner Werkstatt gewesen, als er zu seiner
erkrankten Mutter gerufen ward! Und überdies schwatzt er ja
mit Monna G io v an na. Bin ich bei Sinnen, oder wie ist
mir? Er trat die beiden Stufen wieder hinab, ein wenig zurück, !
um zu dem Fenster hinauf zu rufen. Da kam alsbald der
Bildhauer Donato di Niccolo di Benetto Bardi,

D o n a t e l l o benannt, ein großer Freund des Dicken, hinzu;
und wie er so in der Dämmerung vorüberging, sagte er: Gute»
Abend, Matteo; suchst du den Dicken? Der ging eben in's
Haus hinein. Rach diesen Worten hatte er sich schon entfernt.

War aber der Dicke vorher voll Verwunderung, so
stand er nun, wie er hörte, daß Donatello ihn Matteo
nannte, ganz verblüfft, und ging wieder auf den San Gio-
vanniplatz, indem er zu sich sagte: Ich will so lange hier
stehen, bis Jemand vorbeigeht, der mich kennt, und mir sagen
kann, wer ich eigentlich bin. Zu dem so halb von Sinnen
Dastehenden kamen, nach Abrede, vier Diener des Handels-
gerichts, nebst einem Notar, und mit ihnen ein Gläubiger
jenes Matteo, für den der Dicke schon auf dem besten
Wege war, sich zu halten. Der Gläubiger trat dicht zum
Dicken heran, und sagte zu dem Notar und dem Bewaff-
neten : Führt den Matteo hier weg, er ist mein Schuldner.
Zum Dicken aber: Siehst du wohl, ich bin dir so lange
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