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52

Der dicke Bildschnitzer.

Wie! ob ich ihn kenne!
sagte Giovanni, ja wohl,
er ist mein guter Freund,
und ich werde bald wegen
einer kleinen Arbeit, die er
mir macht, zu ihm gehen.
Der Dicke fuhr fort: Ach!
thut mir doch den Gefallen,
da ihr einmal zu ihm geht,
und sagt ihm, es sitze ei-
ner seiner Freunde im Han-
delsgerichte , er möge doch
ihm zu Lieb' im Vorbei-
gehen einmal mit hier zu-
sprechen. Giovanni, der ihm
fortwährend starr in's Gesicht sah, und nur mit Mühe das
Lachen verhielt, sagte: Recht gerne will ich das thun; worauf
er sich entfernte und an seine Geschäfte ging.

Der Dicke blieb allein am Gefängnißgitter stehen und
sagte bei sich selbst: Nun kann ich sicher sein, daß ich nicht
mehr der Dicke, sondern Matteo geworden bin. Ver-
wünschtes Schicksal! Wollte ich den Leuten etwas von meinem
Unfälle sagen, sie glaubten gar noch, ich sei närrisch gewor-
den und die Kinder liefen mir auf der Gasse nach. Und sage
ich nichts, so fallen noch hundert Mißverständniffe wie gestern
Abend vor, da man mich gefangen setzte. Ich mag thun was
ich will, es geht mir schlecht. Wir wollen aber doch sehen,
ob der Dicke nicht kommt. Und wenn er kommt, so erzähle
ich es ihm und werde ja hören, was er sagt. Er wartete,
in dem Wahne, der Dicke solle kommen, eine lange Zeit
und machte endlich, da er nicht kam, einem Andern am Fenster
Platz. Dann setzte er sich, und sah bald den Fußboden, bald
die Wand, mit gefalteten Händen an. Es war dieser Tage
auch ein Rechtsgelehrter in der Haft, ein sehr braver Mann,

! besten Namen wir aus Achtung vor ihm verschweigen wollen,

; der zwar den Dicken nicht kannte, doch da er ihn so schwer-

müthig sitzen sah, und sich einbildete, er sei um seine Schuld

betrübt, ihn ein wenig zu trösten gedachte, indem er sprach:

Nun Matteo, du bist ja so trübselig, als wenn es dir an
Leib und Leben ginge, und deine Schuld ist doch, wie du
' selber meintest, klein. Man muß sich nicht im Unglück Nie-
derdrücken lasten. Warum schickest du nicht nach einem deiner
Freunde oder Verwandten aus, und suchst deinen Gläubiger zu
bezahlen, oder dich mit ihm zu verständigen, damit du auf
freie Füße kommest und den Muth nicht ganz und gar ver-
lierst. — Wie sich der Dicke so wohlmeinend und freundlich
trösten hörte, entschloß er sich, dem Fremden seine Roth zu
! klagen. Er zog ihn in einen Winkel des Gefängnistes, und

Hub an: Obgleich ihr mich nicht kennt, mein lieber Herr, kenne
ich euch doch wohl, und weiß, daß ihr ein braver Mann seid.
Ich will euch also den Grund gestehen, weswegen ich so schwer-
müthig bin. Ihr sollt nicht glauben, daß eine kleine Schuld
mir solches Leid erregt. Es ist etwas Anderes. Und er er-
zählte ihm seine Lage, und jeden Umstand, der sich bisher mit
ihm zugetragen hatte, vom Anfänge bis zu Ende weinerlich,
und bat sich zweierlei von ihm aus: daß er erstens mit Nie-
mand von seinem Unfälle spreche, und ihm dann irgend einen
guten Rath, oder Hilfe in seiner Noth ertheile. Er setzte
hinzu: Ich weiß, daß ihr erfahren in den Wistenschaften seid,
und belesen in vielen Autoren und alten Historien, in denen
mannigfache Ereigniste beschrieben sind. Fandet ihr niemal
eine Geschichte darin, die der meinigen gleicht? Als der wackre
Mann diese Rede vernommen und still bei sich erwogen hatte,
meinte er, es könne mit dem Guten nur zweierlei Bewandtniß
haben, entweder sei er verstandeskrank, oder man treibe seinen
Spott mit ihm. Er entgegnetc also schnell: er habe vielerlei
der Art gelesen, wie nämlich aus einem Menschen ein anderer
ward, und dieß möge denn gerade kein so neuer Fall sein.
Der Dicke antwortete: Sagt aber, wenn ich der Matteo
geworden bin, wo ist dann der alte Matteo hin? Der Rechts-
gelehrte: Nothwendigerweise muß der Dicke aus ihm gewor-
den sein. Worauf abermals der D i ck e sagte: Recht sehr wohl,
könnte ich ihn nur einmal, meine Neugier zu stillen, sehen!

Unter solchen Betrachtungen verging der Tag. Um die
Vesperzeit kamen zwei Brüder M a t t e o's in das Gerichtshaus,
und fragten den anwesenden Notar, ob nicht ein Bruder von
ihnen, Namens Matteo, hier gefangen sitze, und wie groß
die Summe sei, die er schulde; sie wollten ihn aus seiner Haft
befreien. Der Notar, der als genauer Freund des Tomaso
P e c o r i um den ganzen Handel wußte, bejahte die erste Frage,
blätterte aufmerksam in seinem Buche herum, und sagte, er ist
der und der Summe halber auf des und des Antrag hier.
Gut, erwiderten sie, wir wollen ihm ein paar Worte sagen,
alsdann schaffen wir das Geld herbei. Und auf das Gefäng-
niß zugehend, sagten sie zu Einem, der am Fenster stand:
Sage doch dem Matteo drinnen, cs wären seine Brüder
hier, um ihn zu befreien, er solle einen Augenblick herantreten.
Der Gefangene richtete seinen Auftrag aus und der Dicke
kam an das Gitter und grüßte sie, worauf der ältere der bei-
den Brüder ihn solchergestalt anredete: Matteo, du weißt,
wir haben dich schon unzählige Mal ermahnt, von dem schlech-
ten Lebenswandel abzulaffen, den du seither geführt hast, du
weißt, wir haben dir immer gesagt: Du geräthst tagtäglich in
Schulden, heute bei dem, morgen bei dem, und bezahlst keinen
Menschen je. Was du heute nicht verspielst, bringst du mor-
gen liederlicher Weise durch, so daß du nie einen rothen Heller
in deinem Beutel hast, Nun haben sie dich aber gar ein-
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der dicke Bildschnitzer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Gefangener <Motiv>
Fenster <Motiv>
Gefängnis <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 1.1845, Nr. 7, S. 52

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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