174
Der Seelchenbaum,
Nicht darf das Seelchen in’s Himmelreich —
Immer neue — siehst es du? —
In leisem Fluge huschen herzu.
Da sitzen sie nun das ganze Jahr
Wie eine verschlafene Käuzchenschaar.
Doch Weihnachts, wenn der Schnee rings liegt,
Das Christkind über die Länder fliegt,
Dann regt sich’s, reckt sich’s, plaudert, lacht, —
IIo, sind uns’re Käuzchen da aufgewacht!
Sie lugen aus: wer sieht was, wer?
— —
T
Ja freilich kommt das Christkind her!
Mit seinem strahlenden Himmelsschein
Fliegt’s mitten zwischen sie hinein.
Nun nickt’s mit seinem lieben Gesicht
Und herzt die Armen und ziert sich nicht:
„Ihr kleines Volk, nun bin ich da!
Glaubt Ihr an mich?“ Sie rufen: „Ja!“
Da klatscht’s in die Hände, schlingt den Arm
Um’s nächste — aufwärts schwirrt der Schwarm
Ihm nach und hoch ob Wald und Wies’
Ganz g’raden Weges in’s Paradies. Ferd. Avenarius.
Sic hat immer Recht.
Liebevoll und sinnreich.
„Was hat denn der Herr Professor seiner Braut zum Geburtstag geschenkt?"
„Eine systematische Zusammcustclluug aller Fehler, die seine Schüler während des Winter-
semesters im Griechischen gemacht haben!" _
Ein merkwürdiges
Ständche n.
WZährend einer Ferienreise durch's
schbnc Tirolerland gelangte
ich jüngst in ein kleines Städtchen,
welches allerliebst an einer scharfen
Biegung des Jnnflusses liegt. Der
Gasthof, in welchem ich dort abstieg,
lag einem Hause gegenüber, vor
welchem sich am Abend meiner An-
kunft eben eine kleine Musikkapelle
versammelte, deren Mitglieder schon
in ihrem Aeußeren vcrriethcn, daß
sie nur in Ausnahmsfällen das Hand-
werk mit musikalischen Instrumenten
zu vertauschen pflegten.
Während ich im Borgärtchen des
Gasthofes mein Abendessen verzehrte,
fragte ich den Kellner um die Ur-
sache, ans welcher sich diese wackeren
Bürger einer so anhaltenden musikal-
ischen Strapaze unterzogen, und er-
fuhr hiebei, daß das gegenüber
liegende hübsche Hänschen dem Herrn
Bürgermeister gehöre, und daß diesem
anläßlich seines heutigen fünfzigsten
Geburtstages ein Ständchen gebracht
werde,
„Aha!" dachte ich, „da wird sich
wohl der Gefeierte bald am Balkon
zeigen und vielleicht eine gerührte
Ansprache an die getreuen Mani-
festanten halten — das muß ich
jedenfalls noch abwarten!"
Die von ihren musikalischen Leist-
ungen offenbar selbst am meisten er-
baute Bürgerkapelle spielte ein Stück
nach dem andern. Es verging fast
eine Stunde — ich war schon längst
mit meinem Souper zu Ende und
die Sterne guckten bereits neugierig
vom dunkelnden Himmel hernieder
— doch nichts rührte sich in dem so
ausdauernd angedndelten Hänschen.
Im Begriffe, über die Sprödigkeit
Der Seelchenbaum,
Nicht darf das Seelchen in’s Himmelreich —
Immer neue — siehst es du? —
In leisem Fluge huschen herzu.
Da sitzen sie nun das ganze Jahr
Wie eine verschlafene Käuzchenschaar.
Doch Weihnachts, wenn der Schnee rings liegt,
Das Christkind über die Länder fliegt,
Dann regt sich’s, reckt sich’s, plaudert, lacht, —
IIo, sind uns’re Käuzchen da aufgewacht!
Sie lugen aus: wer sieht was, wer?
— —
T
Ja freilich kommt das Christkind her!
Mit seinem strahlenden Himmelsschein
Fliegt’s mitten zwischen sie hinein.
Nun nickt’s mit seinem lieben Gesicht
Und herzt die Armen und ziert sich nicht:
„Ihr kleines Volk, nun bin ich da!
Glaubt Ihr an mich?“ Sie rufen: „Ja!“
Da klatscht’s in die Hände, schlingt den Arm
Um’s nächste — aufwärts schwirrt der Schwarm
Ihm nach und hoch ob Wald und Wies’
Ganz g’raden Weges in’s Paradies. Ferd. Avenarius.
Sic hat immer Recht.
Liebevoll und sinnreich.
„Was hat denn der Herr Professor seiner Braut zum Geburtstag geschenkt?"
„Eine systematische Zusammcustclluug aller Fehler, die seine Schüler während des Winter-
semesters im Griechischen gemacht haben!" _
Ein merkwürdiges
Ständche n.
WZährend einer Ferienreise durch's
schbnc Tirolerland gelangte
ich jüngst in ein kleines Städtchen,
welches allerliebst an einer scharfen
Biegung des Jnnflusses liegt. Der
Gasthof, in welchem ich dort abstieg,
lag einem Hause gegenüber, vor
welchem sich am Abend meiner An-
kunft eben eine kleine Musikkapelle
versammelte, deren Mitglieder schon
in ihrem Aeußeren vcrriethcn, daß
sie nur in Ausnahmsfällen das Hand-
werk mit musikalischen Instrumenten
zu vertauschen pflegten.
Während ich im Borgärtchen des
Gasthofes mein Abendessen verzehrte,
fragte ich den Kellner um die Ur-
sache, ans welcher sich diese wackeren
Bürger einer so anhaltenden musikal-
ischen Strapaze unterzogen, und er-
fuhr hiebei, daß das gegenüber
liegende hübsche Hänschen dem Herrn
Bürgermeister gehöre, und daß diesem
anläßlich seines heutigen fünfzigsten
Geburtstages ein Ständchen gebracht
werde,
„Aha!" dachte ich, „da wird sich
wohl der Gefeierte bald am Balkon
zeigen und vielleicht eine gerührte
Ansprache an die getreuen Mani-
festanten halten — das muß ich
jedenfalls noch abwarten!"
Die von ihren musikalischen Leist-
ungen offenbar selbst am meisten er-
baute Bürgerkapelle spielte ein Stück
nach dem andern. Es verging fast
eine Stunde — ich war schon längst
mit meinem Souper zu Ende und
die Sterne guckten bereits neugierig
vom dunkelnden Himmel hernieder
— doch nichts rührte sich in dem so
ausdauernd angedndelten Hänschen.
Im Begriffe, über die Sprödigkeit
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Sie hat immer Recht"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 107.1897, Nr. 2727, S. 174
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg