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CT'aS— A m Sta m m t i s ch.
Von Uictor Klüthgr».
,_
freilich — ich bin erscht seit gestern Abend Widder da.
Ich bin in Ungarn gewesen — wollte doch ooch e' bischen
ewas von der Millenninmsausstellung genießen; se machten
je so sehre vill dervon. Budapest is Sie enne schecne
Stadt. Da mnß sich Dräsen beinahe verstecken dergegcn, obzwar se
enne gewisse Aehnlichkeet Hain, was de Lage ahnbedrisft. Was nämlich
de Elbe bei Drüsen is, das is in Budapest de Donau; un' de Nei-
stadt, das is Pest; un' de Altstadt un' Loschwitz un' der weiße Hersch,
das wäre denn Ofen — ganz genau so die eene Seite gebärgig, die
and're nich. Na un' das Leben! E' bischen dheier — awwer das
schenirte mich nich' so, weil 'ch ze Besuch bei mein' ungar'schen Bruder
war, den Emil. Wissen Se, der hat sich da vor e' fimfenzwanz'g
Jahren in c' großes Geschäft neingeheirath. Der hat mich nu' iwwerall
'rumgefiehrt — nor alleene, was 'ch da fer Wein getrunken hawwe!
Un' nischt ohne Musik — ich sagte immer dlei', wenn mer Widder
wo rintorkelten: Herrgott, siehe dein Volk an, lauter Zigeiner. Na
— un' die Weibsleite... ei du mein Schimmlchen, wenn 'ch da noch
e' dreißig Jahre jinger war, da hätten se Dippeln kennen lernen
sollen! Es Schcenste war je de Ausstellung — heern Se, da dervor
zieh' 'ch Se den Hut ab. Alle Achtung, was se da gemacht ham!
De Berliner soll je ooch ganz großardig sein — ich bin nich da
gewäsen un' ich gehe ooch nich hin, denn an eener Ausstellung haww
ich g'rade genug — awwer ich dloobe nich', daß die scheener is. Mit
eenen Wort: ich berei' es nich', daß 'ch hingegangen bin. Am besten
hatt' ich's je dort mit'n Cigarren . . .
Herrcheses, da komm' ich g'rade d'rosf; das mnß ich Sie doch
bleich erzählen. Heeren Se, wie ich gestern iwwer de Grünze ge-
kommen bin, das war Sie enne ganz verflucht'ge Geschichte — da
haww' ich Sie doch enne scheene Angst ausgestnnden! So was mach'
'ch in mein' ganzen Leben nich' Widder.
Denken Se 'mal ahn — daß 'ch noch cmal d'rosf ze sprechen
komme — ich war je doch in Budapest so scheene 'raus mit 'n
Cigarren. Nämlich was der Ältste von mein' Bruder Emil is, der
heeßt Albin un' is e' Luderchen, e' ganz witz'ges Gerlichen un' ooch
sonst ganz dicht'g; der hat Sie schon enne ganz scheene Stellung in
enner Tabakfabrik, obzwar er erscht vierun'zwanz'g Jahr werd. Er
hat da cn Osssichtsposten, nn' dabei mnß 'r egal Cigarren probiren.
Nu' kennen Se sich denken, der roocht je nich' enne ganze Cigarre
off, i Gott bewahre — ganz großbrod'g e' paar Ziege, denn schmeißt 'r
sc weg. Un' denn kriggt 'r je ooch nich' bloß eene von enner Sorte,
nee, allemal enne ganze Hand voll bringen cm de Laite off seine
Stube; un' wenn'r dadervon eene probirt hat, denn hat 'r da enne
große Lade, da schmeißt 'r de andern 'nein. Da kann 'r nu' dcrmit
machen, was 'r will; merschtendeels verschenkt ’r sc an gute Freinde
odder bringt se nach Hause, was de besten sein. Sc meegen morsch
dlooben odder nich' — ich hawwe da egal nischt wie de dheierstcn
Havannacigarren geroocht. „Steck' Der nor ein, mei' guter Onkel",
sagte mei' Neffe, wenn ich dachte: de willst nich' so happ'g sein,
un' bloß zwee odder drei nahm, „De machst m'r enne werkliche
Freide, wenn De Dich gar nich' schenirst."
Na korzum: lvie ich abreisen will, kommt mei' Albin ahn un'
packt aus — ich dloobe, es waren an de dreihundert Stick, nn' sagt:
„Die nimmst De D'r mit." — „Herrcheses", sag' 'ch da, „was werd
denn awwer mit der Steter — ich denke, das werd ani Ende enne
dheire Geschichte?" — „Nu' lieber gar", macht 'r, „die Werst De schon
dorchschmuggeln — steck' D'r nor alle Taschen voll, De hast je den
großen Hafelock. De mußt nor so dhun, als wie Gott Herre, was
wollt'r denn von mir? Nadierlich darf Keener etwa» merken, daß
De ängstlich bist, denn sonst ham se Dich dlei' am Schlaffittch."
Seh'n Se — so recht gcheicr war mer je die Sache erscht
nich'. Awwer der Emil redte mer ooch noch zu, un' 's war je e'
scheenes Geschenk, un' da ließ 'ch mich verfiehren, besonders wie ich
sahk, daß mer in der Dhat ganz un' gar nischt bemerken konnte,
wenn 'ch so mit meinen Hafelock off un' abging, bis off enne kleene
Ahnschwellung da, wo de rechte Brusttasche saß.
Ich bedankte mich scheenstens, nn' denn ging's hadje un' fort.
Bis Tcschen hatt' 'ch ooch gar keene Angst, awwer nu' ging's los.
Heeren Se, dreihundert Cigarren is Sie keene Dlcenigkeet; wenn
se eenen dadermit abfassen, da hccßt's hopsassa! Un' ich hatte gar
nich' so vill Geld mehr; in Budapest war 'ch doch ziemlich fcrt'g
dermit geworden — das war noch's Allerscheenste! Ich fummelte egal
in Taschen 'rum, ob 'ch das Zeig etwan nich' besser packen kennte,
un' redte mer immer gut zu: 's werd schon gehen, nor nich' ängstlich.
Awwer was macht' 'ch nu', wenn se mich merklich faßten? De
Cigarren wegnehmen, das hätt' 'ch mer je noch kennen gefallen
lassen; awwer de Strafe zahlen könnt' 'ch nich', un' legitemiren
könnt' 'ch inich ooch nich'.
Na, mer kommen denn endlich in Oderbcrg ahn, nn' ich lasse
mer mein Koffer off de Douane 'neintragen nn' ceplc meeglichst
unbefangen hinterher, obzwar mersch immer schwumm'riger unterwegs
wurde. Ich denke, de machst dich in dicksten Rummel 'nein, denn
gucken se dich nich' so scharf ahn. Awwer da mußt' 'ch g'rade an
längsten warten, nn' stand nn' bei mein' Koffer wie der dumme
Junge von Meißen.
Heeren Se, off eenml denk' 'ch doch, mich riehrt der Schlag.
Wie ich zufällig offgucke, steht da e' Zollbeamter e' Schritter fimfe
weit drieben, de Hände osf'n Ricken, und fixirt mich ganz ccgen-
dhiemlich, nämlich er guckt g'rade off die Ahnschwellung off meiner
rechten Seite. Deisel noch cmal, sag' 'ch m'r, der Kerl hat Wind.
Ganz unwillkiehrlich guck ich ooch dahin: ze seh'n warsch je! Was
machst de nu'? Ich mache sacht'gen enne Bertelwendnng nn' dhue so,
als wärd' 'ch ungegnld'g, däpple ooch e' Stickchen vorwärts. Wie ich
mich nmdrehe, schiel ich so nieder — richt'g, der Mann steht noch
g'rade so nn' verwendt kee Ooge von mir, das heeßt von der Ahn-
schwellung. Na, sag' 'ch m'r: Dippel, jetzt bist de geliefert! Der Kerl
CT'aS— A m Sta m m t i s ch.
Von Uictor Klüthgr».
,_
freilich — ich bin erscht seit gestern Abend Widder da.
Ich bin in Ungarn gewesen — wollte doch ooch e' bischen
ewas von der Millenninmsausstellung genießen; se machten
je so sehre vill dervon. Budapest is Sie enne schecne
Stadt. Da mnß sich Dräsen beinahe verstecken dergegcn, obzwar se
enne gewisse Aehnlichkeet Hain, was de Lage ahnbedrisft. Was nämlich
de Elbe bei Drüsen is, das is in Budapest de Donau; un' de Nei-
stadt, das is Pest; un' de Altstadt un' Loschwitz un' der weiße Hersch,
das wäre denn Ofen — ganz genau so die eene Seite gebärgig, die
and're nich. Na un' das Leben! E' bischen dheier — awwer das
schenirte mich nich' so, weil 'ch ze Besuch bei mein' ungar'schen Bruder
war, den Emil. Wissen Se, der hat sich da vor e' fimfenzwanz'g
Jahren in c' großes Geschäft neingeheirath. Der hat mich nu' iwwerall
'rumgefiehrt — nor alleene, was 'ch da fer Wein getrunken hawwe!
Un' nischt ohne Musik — ich sagte immer dlei', wenn mer Widder
wo rintorkelten: Herrgott, siehe dein Volk an, lauter Zigeiner. Na
— un' die Weibsleite... ei du mein Schimmlchen, wenn 'ch da noch
e' dreißig Jahre jinger war, da hätten se Dippeln kennen lernen
sollen! Es Schcenste war je de Ausstellung — heern Se, da dervor
zieh' 'ch Se den Hut ab. Alle Achtung, was se da gemacht ham!
De Berliner soll je ooch ganz großardig sein — ich bin nich da
gewäsen un' ich gehe ooch nich hin, denn an eener Ausstellung haww
ich g'rade genug — awwer ich dloobe nich', daß die scheener is. Mit
eenen Wort: ich berei' es nich', daß 'ch hingegangen bin. Am besten
hatt' ich's je dort mit'n Cigarren . . .
Herrcheses, da komm' ich g'rade d'rosf; das mnß ich Sie doch
bleich erzählen. Heeren Se, wie ich gestern iwwer de Grünze ge-
kommen bin, das war Sie enne ganz verflucht'ge Geschichte — da
haww' ich Sie doch enne scheene Angst ausgestnnden! So was mach'
'ch in mein' ganzen Leben nich' Widder.
Denken Se 'mal ahn — daß 'ch noch cmal d'rosf ze sprechen
komme — ich war je doch in Budapest so scheene 'raus mit 'n
Cigarren. Nämlich was der Ältste von mein' Bruder Emil is, der
heeßt Albin un' is e' Luderchen, e' ganz witz'ges Gerlichen un' ooch
sonst ganz dicht'g; der hat Sie schon enne ganz scheene Stellung in
enner Tabakfabrik, obzwar er erscht vierun'zwanz'g Jahr werd. Er
hat da cn Osssichtsposten, nn' dabei mnß 'r egal Cigarren probiren.
Nu' kennen Se sich denken, der roocht je nich' enne ganze Cigarre
off, i Gott bewahre — ganz großbrod'g e' paar Ziege, denn schmeißt 'r
sc weg. Un' denn kriggt 'r je ooch nich' bloß eene von enner Sorte,
nee, allemal enne ganze Hand voll bringen cm de Laite off seine
Stube; un' wenn'r dadervon eene probirt hat, denn hat 'r da enne
große Lade, da schmeißt 'r de andern 'nein. Da kann 'r nu' dcrmit
machen, was 'r will; merschtendeels verschenkt ’r sc an gute Freinde
odder bringt se nach Hause, was de besten sein. Sc meegen morsch
dlooben odder nich' — ich hawwe da egal nischt wie de dheierstcn
Havannacigarren geroocht. „Steck' Der nor ein, mei' guter Onkel",
sagte mei' Neffe, wenn ich dachte: de willst nich' so happ'g sein,
un' bloß zwee odder drei nahm, „De machst m'r enne werkliche
Freide, wenn De Dich gar nich' schenirst."
Na korzum: lvie ich abreisen will, kommt mei' Albin ahn un'
packt aus — ich dloobe, es waren an de dreihundert Stick, nn' sagt:
„Die nimmst De D'r mit." — „Herrcheses", sag' 'ch da, „was werd
denn awwer mit der Steter — ich denke, das werd ani Ende enne
dheire Geschichte?" — „Nu' lieber gar", macht 'r, „die Werst De schon
dorchschmuggeln — steck' D'r nor alle Taschen voll, De hast je den
großen Hafelock. De mußt nor so dhun, als wie Gott Herre, was
wollt'r denn von mir? Nadierlich darf Keener etwa» merken, daß
De ängstlich bist, denn sonst ham se Dich dlei' am Schlaffittch."
Seh'n Se — so recht gcheicr war mer je die Sache erscht
nich'. Awwer der Emil redte mer ooch noch zu, un' 's war je e'
scheenes Geschenk, un' da ließ 'ch mich verfiehren, besonders wie ich
sahk, daß mer in der Dhat ganz un' gar nischt bemerken konnte,
wenn 'ch so mit meinen Hafelock off un' abging, bis off enne kleene
Ahnschwellung da, wo de rechte Brusttasche saß.
Ich bedankte mich scheenstens, nn' denn ging's hadje un' fort.
Bis Tcschen hatt' 'ch ooch gar keene Angst, awwer nu' ging's los.
Heeren Se, dreihundert Cigarren is Sie keene Dlcenigkeet; wenn
se eenen dadermit abfassen, da hccßt's hopsassa! Un' ich hatte gar
nich' so vill Geld mehr; in Budapest war 'ch doch ziemlich fcrt'g
dermit geworden — das war noch's Allerscheenste! Ich fummelte egal
in Taschen 'rum, ob 'ch das Zeig etwan nich' besser packen kennte,
un' redte mer immer gut zu: 's werd schon gehen, nor nich' ängstlich.
Awwer was macht' 'ch nu', wenn se mich merklich faßten? De
Cigarren wegnehmen, das hätt' 'ch mer je noch kennen gefallen
lassen; awwer de Strafe zahlen könnt' 'ch nich', un' legitemiren
könnt' 'ch inich ooch nich'.
Na, mer kommen denn endlich in Oderbcrg ahn, nn' ich lasse
mer mein Koffer off de Douane 'neintragen nn' ceplc meeglichst
unbefangen hinterher, obzwar mersch immer schwumm'riger unterwegs
wurde. Ich denke, de machst dich in dicksten Rummel 'nein, denn
gucken se dich nich' so scharf ahn. Awwer da mußt' 'ch g'rade an
längsten warten, nn' stand nn' bei mein' Koffer wie der dumme
Junge von Meißen.
Heeren Se, off eenml denk' 'ch doch, mich riehrt der Schlag.
Wie ich zufällig offgucke, steht da e' Zollbeamter e' Schritter fimfe
weit drieben, de Hände osf'n Ricken, und fixirt mich ganz ccgen-
dhiemlich, nämlich er guckt g'rade off die Ahnschwellung off meiner
rechten Seite. Deisel noch cmal, sag' 'ch m'r, der Kerl hat Wind.
Ganz unwillkiehrlich guck ich ooch dahin: ze seh'n warsch je! Was
machst de nu'? Ich mache sacht'gen enne Bertelwendnng nn' dhue so,
als wärd' 'ch ungegnld'g, däpple ooch e' Stickchen vorwärts. Wie ich
mich nmdrehe, schiel ich so nieder — richt'g, der Mann steht noch
g'rade so nn' verwendt kee Ooge von mir, das heeßt von der Ahn-
schwellung. Na, sag' 'ch m'r: Dippel, jetzt bist de geliefert! Der Kerl
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Am Stammtisch"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
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Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 107.1897, Nr. 2728, S. 178
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CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg