Für was der heilig' Joseph all's guat i s.
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mittlerweile unten am See angekommen, dessen
'Zellen ziemlich bewegt gegen das Ufer schlugen. Burgl winkte
einem Schiffer zu, der von
drüben kam: „Grüß Gott,
Joseph — geht's noch?"
Der Bursche schaute
nach dem Moidl, das mit
gesenkten Augen hinter der
Mutter stand, und sagte
dann nach kurzem Besinnen:
„Jo — jo."
Lr legte den Nachen
und die grauen stiegen
ein. Als sie sich
mitten auf dem
See befanden,
brach das Ge-
witter los. Die
Burgl betete
andächtig ein
Vaterunser ums
andere; nichts-
destoweniger
sank sie bei je-
dem heftigen Donnerschlage mit der Nase beinahe bis auf ihre
Unie herab, bei welcher Gelegenheit der Joseph dann immer
das Moidl zu sehen bekam, das hinter der Mutter saß und sich
nicht rührte.
Als sie endlich ganz durchnäßt drüben anlangten, war es so
ltockfinstcr, daß man den Weg vor sich nicht sehen konnte. Der
führte dicht am See hin und dann steil empor, immer am Wasser
entlang.
„V mei', o mei'," jammerte die Burgl, „da kenn' ich mich
ja selbst nicht aus — heil'ger Joseph, steh' uns bei!"
„No," meinte der Schiffer, „ich glaub', da kann ich schon
besser aushelfen! Halt' Dich nur fest an mir, Burgl. . und das
kUoidl soll sich auch halt'» —"
„Das Moidl halt' sich an mir," siel ihm aber die Alte
ins Wort.
Und so gingen sie zusammen den stockdunklen Weg entlang,
dicht neben dem rauschenden See hin. Und so oft der Blitz diesen
beleuchtete, flog die Burgl mit einem Angstschrei rechts gegen
die Felswand, den Joseph und das Moidl mit sich ziehend, so
daß sie allemal eine ganze Weile brauchten, bis sie wieder
auf den Beinen standen. Da fluchte daun der Joseph recht nach
Herzenslust, indes die Alte alle Heiligen des Fimmels um ihren
Beistand anrief.
Als sie von dem freien Weg tu den Wald einbogen, in dein
cs so unheimlich krachte und ächzte, da wurde der Burgl noch
bänger zumut', und sie wollte durchaus in der heiligen Joseph-
Kapelle am Maldesrand liegen bleiben, um im Schutze des
Heiligen zu sein. Aber der Joseph riß sie mit sich fort: „Wenn's
einischlag'n will, so schlagt's halt eint — da kann fei’ Heiliger
nix dagegen I"
„D Du gottvergessener Bub," klagte die Frau und humpelte
an seiner Seite weiter, „Du red'st uns g'wiß ins Unglück!"
„Sei doch a' biff'l g'scheit, Burgl," meinte der Joseph, tüchtig
ausschreitend, „wenn D' naß bist bis auf d' Haut, so hilft all's
Bet'n nix, aber a' trock'nes G'wand'l."
Dagegen ließ sich nun eigentlich nichts einwenden, wenigstens
sprach die Burgl nichts weiter, und so kamen sie ohne ferneren
Aufenthalt droben in der kleinen Hütte an. — Die Burgl suchte
in der Tasche.
„No, Joseph," sagte sie, „Du verdienst schon was Beff'res,
als ich Dir halt geben kann —"
„Ich nehm' nix, Burgl," unterbrach er sie, „'s freut inich,
wenn ich auch amal Hab' können ein' a' Lieb's tun; bin so
a' biff’l viel 'rumg'stoß'n word'n in der Welt — da woaß mer,
wie's tut."
„Daun vergelt's Gott, Joseph!"
„Gut' Nacht," sagte er.
„Gut' Nacht," sagte auch das Uioidl.
„Sakra —", fluchte der Bursche und wandte sich noch einmal
nach der Hütte um, „jetzt woaß ich wirkli' uit amal, was dös
Uioidl für Aug'n hat!"
Drinneit in der Hütte aber sagte das Moidl zur Mutter:
„Js dös a' guatherziger Bub, a' lieber —“
„Moidl," rief die Burgl, „was Hab' ich Dir g'sagt — woher
kommt all's Llend der Welt?"
„Ich woaß schon, Mutter," erwiderte das Moidl mit großer
Zuversicht, „ang'schaut Hab' ich ihn jo auch nit, aber hör'n Hab'
ich ihn doch müssen — d' Ghr'n kann koaner nit zumach'n." -
Am an-
dern Morgen
saß das Moidl
droben auf der
Alm und hü-
tete das Vieh;
aber es hatte
noch ganz an-
dere Dinge im
Kopfe als sel-
biges. Ls saß
im Gras an
die Braune ge-
lehnt, die be-
haglich wieder-
käute, und sah
gar fröhlich
hinauf zum Himmel, mit dem 's eben in einer Unterhaltung be-
griffen war. Denn daß das Moidl mit seinem Herrgott und
allen lieben Heiligen im besten Einvernehmen stand, war so natür-
lich — mit wem hätte es sich denn sonst unterhalten sollen?
freilich könnt 's auch Vorkommen, daß es die Bewohner des Him-
inels recht derb ausschalt, wenn sie zum Beispiel nicht besser auf-
paßten und sich eine Kuh verlaufen hatte, oder wenn ihm, dem
Moidl, sonst ein Malheur zugestoßen war, das die droben recht
gut hätten verhüten können. Am besten aber stand 's mit dem
heiligen Joseph, der nicht weit von der Alm sein Kapellchen
hatte und dessen hellfarbiges Gewand weit durch die Büsche und
Baumäste leuchtete. Für den band 's auch heut einen schönen
Strauß von Alpenrosen; es war hoch droben gewesen, sie zu
holen. Von Zeit zu Zeit wollte die Braune nach den schönen
Blumen Haschen, die in Moidls Schoß ausgebreitet lagen, aber
dann bekam sie jedesmal eins auf die Nase.
„Ja, freili', für dich sein die Ros'n, dumm's Vieh!"
Als der Strauß fertig war, lief das Moidl damit hinab zur
Kapelle.
■MF.
165
mittlerweile unten am See angekommen, dessen
'Zellen ziemlich bewegt gegen das Ufer schlugen. Burgl winkte
einem Schiffer zu, der von
drüben kam: „Grüß Gott,
Joseph — geht's noch?"
Der Bursche schaute
nach dem Moidl, das mit
gesenkten Augen hinter der
Mutter stand, und sagte
dann nach kurzem Besinnen:
„Jo — jo."
Lr legte den Nachen
und die grauen stiegen
ein. Als sie sich
mitten auf dem
See befanden,
brach das Ge-
witter los. Die
Burgl betete
andächtig ein
Vaterunser ums
andere; nichts-
destoweniger
sank sie bei je-
dem heftigen Donnerschlage mit der Nase beinahe bis auf ihre
Unie herab, bei welcher Gelegenheit der Joseph dann immer
das Moidl zu sehen bekam, das hinter der Mutter saß und sich
nicht rührte.
Als sie endlich ganz durchnäßt drüben anlangten, war es so
ltockfinstcr, daß man den Weg vor sich nicht sehen konnte. Der
führte dicht am See hin und dann steil empor, immer am Wasser
entlang.
„V mei', o mei'," jammerte die Burgl, „da kenn' ich mich
ja selbst nicht aus — heil'ger Joseph, steh' uns bei!"
„No," meinte der Schiffer, „ich glaub', da kann ich schon
besser aushelfen! Halt' Dich nur fest an mir, Burgl. . und das
kUoidl soll sich auch halt'» —"
„Das Moidl halt' sich an mir," siel ihm aber die Alte
ins Wort.
Und so gingen sie zusammen den stockdunklen Weg entlang,
dicht neben dem rauschenden See hin. Und so oft der Blitz diesen
beleuchtete, flog die Burgl mit einem Angstschrei rechts gegen
die Felswand, den Joseph und das Moidl mit sich ziehend, so
daß sie allemal eine ganze Weile brauchten, bis sie wieder
auf den Beinen standen. Da fluchte daun der Joseph recht nach
Herzenslust, indes die Alte alle Heiligen des Fimmels um ihren
Beistand anrief.
Als sie von dem freien Weg tu den Wald einbogen, in dein
cs so unheimlich krachte und ächzte, da wurde der Burgl noch
bänger zumut', und sie wollte durchaus in der heiligen Joseph-
Kapelle am Maldesrand liegen bleiben, um im Schutze des
Heiligen zu sein. Aber der Joseph riß sie mit sich fort: „Wenn's
einischlag'n will, so schlagt's halt eint — da kann fei’ Heiliger
nix dagegen I"
„D Du gottvergessener Bub," klagte die Frau und humpelte
an seiner Seite weiter, „Du red'st uns g'wiß ins Unglück!"
„Sei doch a' biff'l g'scheit, Burgl," meinte der Joseph, tüchtig
ausschreitend, „wenn D' naß bist bis auf d' Haut, so hilft all's
Bet'n nix, aber a' trock'nes G'wand'l."
Dagegen ließ sich nun eigentlich nichts einwenden, wenigstens
sprach die Burgl nichts weiter, und so kamen sie ohne ferneren
Aufenthalt droben in der kleinen Hütte an. — Die Burgl suchte
in der Tasche.
„No, Joseph," sagte sie, „Du verdienst schon was Beff'res,
als ich Dir halt geben kann —"
„Ich nehm' nix, Burgl," unterbrach er sie, „'s freut inich,
wenn ich auch amal Hab' können ein' a' Lieb's tun; bin so
a' biff’l viel 'rumg'stoß'n word'n in der Welt — da woaß mer,
wie's tut."
„Daun vergelt's Gott, Joseph!"
„Gut' Nacht," sagte er.
„Gut' Nacht," sagte auch das Uioidl.
„Sakra —", fluchte der Bursche und wandte sich noch einmal
nach der Hütte um, „jetzt woaß ich wirkli' uit amal, was dös
Uioidl für Aug'n hat!"
Drinneit in der Hütte aber sagte das Moidl zur Mutter:
„Js dös a' guatherziger Bub, a' lieber —“
„Moidl," rief die Burgl, „was Hab' ich Dir g'sagt — woher
kommt all's Llend der Welt?"
„Ich woaß schon, Mutter," erwiderte das Moidl mit großer
Zuversicht, „ang'schaut Hab' ich ihn jo auch nit, aber hör'n Hab'
ich ihn doch müssen — d' Ghr'n kann koaner nit zumach'n." -
Am an-
dern Morgen
saß das Moidl
droben auf der
Alm und hü-
tete das Vieh;
aber es hatte
noch ganz an-
dere Dinge im
Kopfe als sel-
biges. Ls saß
im Gras an
die Braune ge-
lehnt, die be-
haglich wieder-
käute, und sah
gar fröhlich
hinauf zum Himmel, mit dem 's eben in einer Unterhaltung be-
griffen war. Denn daß das Moidl mit seinem Herrgott und
allen lieben Heiligen im besten Einvernehmen stand, war so natür-
lich — mit wem hätte es sich denn sonst unterhalten sollen?
freilich könnt 's auch Vorkommen, daß es die Bewohner des Him-
inels recht derb ausschalt, wenn sie zum Beispiel nicht besser auf-
paßten und sich eine Kuh verlaufen hatte, oder wenn ihm, dem
Moidl, sonst ein Malheur zugestoßen war, das die droben recht
gut hätten verhüten können. Am besten aber stand 's mit dem
heiligen Joseph, der nicht weit von der Alm sein Kapellchen
hatte und dessen hellfarbiges Gewand weit durch die Büsche und
Baumäste leuchtete. Für den band 's auch heut einen schönen
Strauß von Alpenrosen; es war hoch droben gewesen, sie zu
holen. Von Zeit zu Zeit wollte die Braune nach den schönen
Blumen Haschen, die in Moidls Schoß ausgebreitet lagen, aber
dann bekam sie jedesmal eins auf die Nase.
„Ja, freili', für dich sein die Ros'n, dumm's Vieh!"
Als der Strauß fertig war, lief das Moidl damit hinab zur
Kapelle.
■MF.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Für das der heilig' Joseph all's guat is"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1906
Entstehungsdatum (normiert)
1901 - 1911
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 125.1906, Nr. 3193, S. 165
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg