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296

GiSv Eine moderne Eva. /SO

Der Menschenfreund.

man oft lange warten muß, ehe man's zu hören
bekommt.

Hatte einer im Dorf eine Ziege eingebüßt,
so sagte Peter Niklas tröstend: „Lieber freund,

„Vielleicht?!"

Der Menschen freund. •«!«••••

Skizze von Ludwig Nüdling.

eter Niklas hatte sich den Ruhm erworben, ein Menschen-
ÖtSS freund zu sein. Das war ein löblicher Ruhm — und ein
' ° seltener zugleich, denn es gab nicht viele, die ihn mit ihm
teilten. Die Zeit aber halte Menschenfreunde nötig. Die Not war
allenthalben groß, und Unglück gab es die Menge.

Hatte Peter Niklas auch gerade nicht eine offene Hand und
ein gastliches Haus, so wußte er doch für jedermann, der ihm sein
Leid klagte, ein schönes Trostesmort. Und ein schönes Trosteswort
ist immer etwas Löbliches und Rühmliches in einer Zeit, in der

laß Dir deswegen keine grauen Haare wachsen!
Denn graue Haare machen eine tote Ziege nicht
wieder lebendig — und eine wohlfeile Ziege ist
noch lang keine wertvolle Kühl"

Mar aber einen: eine Kuh zugrunde ge-
gangen, dann wußte Peter Niklas auch hier Rat.
„Lieber freund," sagte er, „reiß' Dir deswegen
nicht die Haare aus I Denn auch ein Kahlkopf kann keine
gefallene Kuh wieder auf die Beine bringen. Und es ist doch
besser, es krepiert einen: eine Kuh, als es stirbt einem ein Kind."

wollte es aber das Unglück, daß einem doch ein Kind
starb, so pflegte Peter Niklas selbst da mit einem Tröste auf-
' zuwarten — er sagte: „Lieber Freund, Du darfst deswegen
nicht selber den Kopf verlieren — damit kannst Du doch keine
Toten erwecken. Denn es ist immer noch besser, es stirbt Dir
ein Kind, als daß Du selber in's Gras beißen mußt."

Mußte aber schließlich doch einer selber in's Gras beißen,
so konnte er bei unserem Menschenfreund nicht mehr um einen
Trostspruch bitten, und Peter Niklas war der Mühe überhoben,
einen solchen zu tun. Aber es darf doch mit Sicherheit ange-
nommen werden, daß er selbst für diesen außerordentlich be-
trübenden Fall einen solchen gewußt hätte. —

£:nes schönen Tages nun saß Peter Niklas auf der Bank
vor seinem Hause und sonnte sich im Lichte seiner Menschen-
freundlichkeit. Da sah er einen kleinen Jungen auf sich zu-
kommen, der jämmerlich heulte. Allsogleich regte sich in: Herzen
des Herrn Niklas die schon so oft bewährte edle Natur; er
ließ den kleinen Trübsalbläser an sich herankommen und fragte:
„Junge, warum weinst Du? Kon::::' her und laß Dich trösten!"

Da sagte der Bub', inden: er das Schluchzen hinunter-
würgte: „O Herr Peter Niklas, mir ist ein Unglück passiert.
Ich Hab' eben einen Krug zerbrochen!"

D, wie sich da der Menschenfreund freute, ein
geknicktes Menschenkind wieder aufrichten zu können !
„Mein allerliebster Junge," sagte er, , wer wird
wegen einer solche:: Kleinigkeit so trostlos sein und
so herzbrechend weinen! Ls gilt nun einmal in:
Menschenleben der Spruch: „Glück und Glas —
wie bald bricht das" — und dabei sind die Krüge
natürlich nicht ausgenommen, wenn Du bei einem
lumpigen Krug schon so jammerst, was willst Du
dann später anfangen, wenn Dir 'mal ein Haus ab-
brennt und Du nicht versichert bist? Also geh' hin
in Frieden und vergiß das kleine Mißgeschick; denn es ist wahrlich
nicht der Rede wert und hat durchaus nichts zu bedeuten!"

Da war der Kleine wirklich getröstet, vergaß sein Mißgeschick,
reichte dem Menschenfreund gerührt die Hand und sagte: „Ich
dank' Luch schön, Herr Peter Niklas, daß Ihr so gütig seid I Denn
ich fürchtete schon, Ihr würdet mich schelten. Ls :var nämlich
Euer eigener Krug, den Ihr neulich den: Nachbarn geliehen,
und den ich Euch wieder bringen sollte." Damit wollte der Junge
wieder fortlaufen.

Aber Peter Niklas hielt plötzlich die Hand des Buben wie in
einen: Schraubstock fest und schrie zornig: „Mas hör' ich da, Du
ungeratener Bengel? Du hast mir nieinen eigenen Krug zer-
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Eine moderne Eva"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Kirchner, Eugen
Entstehungsdatum
um 1910
Entstehungsdatum (normiert)
1900 - 1920
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 133.1910, Nr. 3613, S. 296
 
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