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—-^K.- Vorsichtig. »G^-
„Es ist mir wirklich sehr fatal, mein lieber Förster, daß ich Ihren Hund erschossen!" — „Ist nicht so
schlimm, Durchlaucht — den guten Hab' ich schon vorsichtshalber daheim gelassen."
Die Tragödienuhr. •#=**•—
w> anz Schlummerbach war in Aufregung. Wer hätte dem
stillen bescheidenen Mitbürger, dem Lehrer des Gym-
nasiums l)r. Achilles Sänfterling, eine dreiaktige Tragödie
zugetraut — noch dazu eine Renaissancetragödie in Versen? Und
doch war es Tatsache, daß der Direktor des im Winter hier
gastierenden Theaters den „Fluch des Glücks" in acht Tagen auf-
führen wollte.
„Das ist zu bald I" jammerte der Verfasser. „Unmöglich können
die Darsteller in so kurzer Zeit in den Geist der Dichtung ein-
dringenl" — „Meine Schauspieler sind Intelligenzen," entgegnete
der Direktor, „sie werden mit dem Geist Ihres Stückes schnell
fertig sein!" — „Aber," erinnerte der Poet, „anderswo hält man
sogar für die bekanntesten Massiker dreißig Proben!" — „Pah!"
antwortete jener. „Bei klassischen Dramen handelt es sich darum,
tote Stücke wieder lebendig zu machen — wir haben hier ein
lebendiges Stück, das nicht tot zu machen ist!"
Dabei beruhigte sich der Dichter und steuerte nur noch für
die ksauxtszene, da das Theater ein entsprechendes Requisit nicht
hatte, aus seinem privatbesitz eine prächtige Stutzuhr bei, von der
die zwölf Schläge der Mitternacht, auf die alles ankam, tadellos
zur Geltung gelangten.
Der Abend brach an. Das ksaus war ausverkauft, die Stim-
mung vorzüglich. Nach de>n zweiten Fallen des Vorhangs übet'
reichte ein «Obertertianer dem Dichter einen Lorbeerkranz.
Dritter Akt. Nacht. Veld und Eyelbin sitzen in dem vo»
düsterem Kerzenschein niäßig erleuchteten Gemach und erwarte««
in dumpfem Schweigen ihr Schicksal. Man hat sie des verratck
an dem venezianischen Staat beschuldigt. Wenn die Uhr auf bei'*
Kamine die zwölfte Stunde schlägt, soll der Doge erscheinen u»^
ihnen den Spruch der Signoria, des obersten Gerichts, verkünde»'
Die Szene hatte sich auf der Probe vorzüglich gemacht. „Djest
zwölf Schläge", sagte der Direktor, „sind die Schlager des Stücks!'
Da ließ kurz vor der Aufführung ein Theaterarbeiter
Stutzuhr fallen. Sie zerbrach. Erst allgemeine Verzweiflung. Dan»
trieb glücklicherweise im letzten Augenblick noch der Inspizient i»
der Nachbarschaft eine andere ähnliche — wenn auch nicht, st
schöne — Uhr mit Schlagwerk auf.
Die große Szene ist da. Düster erwarten Veld und Ucldi»
das Erscheinen des Dogen. Bleich, aber heroisch blicken sie na^'
der Schicksalsuhr. Die Spannung des Publikums ist auf's höchst«
gestiegen. Eine Dame schluchzt bereits leise. Alles starrt pochende»
Herzschlags nach der Uhr — wird sie Glück, wird sie UnheU
künden?
Da zieht der Inspizient aus der Seitenkulisse den Faden, bci
—-^K.- Vorsichtig. »G^-
„Es ist mir wirklich sehr fatal, mein lieber Förster, daß ich Ihren Hund erschossen!" — „Ist nicht so
schlimm, Durchlaucht — den guten Hab' ich schon vorsichtshalber daheim gelassen."
Die Tragödienuhr. •#=**•—
w> anz Schlummerbach war in Aufregung. Wer hätte dem
stillen bescheidenen Mitbürger, dem Lehrer des Gym-
nasiums l)r. Achilles Sänfterling, eine dreiaktige Tragödie
zugetraut — noch dazu eine Renaissancetragödie in Versen? Und
doch war es Tatsache, daß der Direktor des im Winter hier
gastierenden Theaters den „Fluch des Glücks" in acht Tagen auf-
führen wollte.
„Das ist zu bald I" jammerte der Verfasser. „Unmöglich können
die Darsteller in so kurzer Zeit in den Geist der Dichtung ein-
dringenl" — „Meine Schauspieler sind Intelligenzen," entgegnete
der Direktor, „sie werden mit dem Geist Ihres Stückes schnell
fertig sein!" — „Aber," erinnerte der Poet, „anderswo hält man
sogar für die bekanntesten Massiker dreißig Proben!" — „Pah!"
antwortete jener. „Bei klassischen Dramen handelt es sich darum,
tote Stücke wieder lebendig zu machen — wir haben hier ein
lebendiges Stück, das nicht tot zu machen ist!"
Dabei beruhigte sich der Dichter und steuerte nur noch für
die ksauxtszene, da das Theater ein entsprechendes Requisit nicht
hatte, aus seinem privatbesitz eine prächtige Stutzuhr bei, von der
die zwölf Schläge der Mitternacht, auf die alles ankam, tadellos
zur Geltung gelangten.
Der Abend brach an. Das ksaus war ausverkauft, die Stim-
mung vorzüglich. Nach de>n zweiten Fallen des Vorhangs übet'
reichte ein «Obertertianer dem Dichter einen Lorbeerkranz.
Dritter Akt. Nacht. Veld und Eyelbin sitzen in dem vo»
düsterem Kerzenschein niäßig erleuchteten Gemach und erwarte««
in dumpfem Schweigen ihr Schicksal. Man hat sie des verratck
an dem venezianischen Staat beschuldigt. Wenn die Uhr auf bei'*
Kamine die zwölfte Stunde schlägt, soll der Doge erscheinen u»^
ihnen den Spruch der Signoria, des obersten Gerichts, verkünde»'
Die Szene hatte sich auf der Probe vorzüglich gemacht. „Djest
zwölf Schläge", sagte der Direktor, „sind die Schlager des Stücks!'
Da ließ kurz vor der Aufführung ein Theaterarbeiter
Stutzuhr fallen. Sie zerbrach. Erst allgemeine Verzweiflung. Dan»
trieb glücklicherweise im letzten Augenblick noch der Inspizient i»
der Nachbarschaft eine andere ähnliche — wenn auch nicht, st
schöne — Uhr mit Schlagwerk auf.
Die große Szene ist da. Düster erwarten Veld und Ucldi»
das Erscheinen des Dogen. Bleich, aber heroisch blicken sie na^'
der Schicksalsuhr. Die Spannung des Publikums ist auf's höchst«
gestiegen. Eine Dame schluchzt bereits leise. Alles starrt pochende»
Herzschlags nach der Uhr — wird sie Glück, wird sie UnheU
künden?
Da zieht der Inspizient aus der Seitenkulisse den Faden, bci
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Vorsichtig"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1911
Entstehungsdatum (normiert)
1906 - 1916
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 134.1911, Nr. 3433, S. 230
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg