Das Märchen vom TPetbttacbtebaum.
295
war einmal ein tiefer Wald.
In diesem standen viele
Tannenbämne. Alle waren sc>
mit Schnee beladen, daß sie dar-
unter zusammeuznbrechen droh-
^ ten. Da kam ein gewaltiger
der die Tiefen aufwühlte und die gefallenen Blätter hoch
^'C emportrug und jauchzend durch die Lüfte führte.
1 alle die Bäume baten ihn: „Nimm die Bürde von uns, die uns
,-t!" Der Sturm tat ihnen lachend deli Gefallen und rüttelte
^ 1 schüttelte sie und blies die Flocken voll ihren Nacken und
l °n Schultern, daß sie sich befreit höher und höher aufrichteten.
,tUt ein ganz kleines Bäumchen war da — das litt wohl am
/Wersten von ihnen allell. Aber es wagte nicht, deir allmäch-
'C1t hilfreichen Sturm anzustehen, sondern trug seine weiße Last,
'wohl die andern alle es verspotteten.
„Weil es mir schon so bestimmt ist..." seufzte es demütig
und beugte sich tiefer und tiefer zur Erde und entschlummerte
vor Müdigkeit und Kummer.
Um dieselbe Zeit kam das Thristkind vom kjimmel geflogen,
um den Banm auszusnchen, den es schmücken und zu den Menschen
bringen wollte, die eines guten Willens waren. „Nimm diesen
hier!" sagte einer der Engel und wies auf eine Talilie, die anf-
gerichtet stand und ihre Äste stolz zum kjimmel emporstreckte.
Aber das Thristkind schüttelte leise den goldenen Lockenkopf und
ging still an dem selbstbewußten Streber vorbei. „Diesen da
wähle!" riet ein zweiter Engel und deutete auf einen dicken
Stamln, der breitspurig und kraftstrotzend im Boden wurzelte ulid
wie für Jahrhunderte gebaut schien. Doch das Christkind schritt
auch an ihm vorüber, ohne die segnende bsand an seine Zweige
zu legen. So ging es von Banm zu Baum und verschmähte die
Werte nnd Rufe derer, die es eifrig und geschäftig ningaben. Da
vernahm es plötzlich ein leises Seufzen und sah ein schmächtiges,
schlankes, tiefgebeugtes Bäumlein, das eben unter der Bürde, die
es
W,g, still und geduldig zusammenbrechen
Sollte. Da hielt es an und griff in das Körb-
das seine Gesellen mit sich führten, und
kleines buntes Licht ans der bjülle
noch eines und dann wieder eines.
lein
"ahm ein
"ad dann
, uvuf einer' unu
’ttb jedes Wachslicht, das es hervorholte und
"af einem Zweiglein befestigte, brannte sofort
""d alle die Flocken in der Nähe schmolzen unter
leinen, wärmenden Strahl und mählich richtete
l'ch dns Bäumchen auf und wurde größer und
und leuchtender nnd Heller, bis es am
Schluffe unter all' den dunklen Tannen stand
als strahlendes glückseliges Thristwunder, das
den ganzen Wald mit seinem stammenden gol-
denen Segen erfüllte, so daß es selbst davon
geblendet war und nicht wußte, wie ihm geschah.
Da berührte es das Thristkind mit seiner sanften
milden bsand, daß es sich leise vom Boden löste,
und trug es lächelnd durch den Wald und brachte
es zu Menschen, die ebenso still nnd geduldig
nnd vom Leide bedrückt waren, als glänzenden,
leuchtenden, glückbringenden Weihnachtsbaum.
w. Herbert.
25 *
295
war einmal ein tiefer Wald.
In diesem standen viele
Tannenbämne. Alle waren sc>
mit Schnee beladen, daß sie dar-
unter zusammeuznbrechen droh-
^ ten. Da kam ein gewaltiger
der die Tiefen aufwühlte und die gefallenen Blätter hoch
^'C emportrug und jauchzend durch die Lüfte führte.
1 alle die Bäume baten ihn: „Nimm die Bürde von uns, die uns
,-t!" Der Sturm tat ihnen lachend deli Gefallen und rüttelte
^ 1 schüttelte sie und blies die Flocken voll ihren Nacken und
l °n Schultern, daß sie sich befreit höher und höher aufrichteten.
,tUt ein ganz kleines Bäumchen war da — das litt wohl am
/Wersten von ihnen allell. Aber es wagte nicht, deir allmäch-
'C1t hilfreichen Sturm anzustehen, sondern trug seine weiße Last,
'wohl die andern alle es verspotteten.
„Weil es mir schon so bestimmt ist..." seufzte es demütig
und beugte sich tiefer und tiefer zur Erde und entschlummerte
vor Müdigkeit und Kummer.
Um dieselbe Zeit kam das Thristkind vom kjimmel geflogen,
um den Banm auszusnchen, den es schmücken und zu den Menschen
bringen wollte, die eines guten Willens waren. „Nimm diesen
hier!" sagte einer der Engel und wies auf eine Talilie, die anf-
gerichtet stand und ihre Äste stolz zum kjimmel emporstreckte.
Aber das Thristkind schüttelte leise den goldenen Lockenkopf und
ging still an dem selbstbewußten Streber vorbei. „Diesen da
wähle!" riet ein zweiter Engel und deutete auf einen dicken
Stamln, der breitspurig und kraftstrotzend im Boden wurzelte ulid
wie für Jahrhunderte gebaut schien. Doch das Christkind schritt
auch an ihm vorüber, ohne die segnende bsand an seine Zweige
zu legen. So ging es von Banm zu Baum und verschmähte die
Werte nnd Rufe derer, die es eifrig und geschäftig ningaben. Da
vernahm es plötzlich ein leises Seufzen und sah ein schmächtiges,
schlankes, tiefgebeugtes Bäumlein, das eben unter der Bürde, die
es
W,g, still und geduldig zusammenbrechen
Sollte. Da hielt es an und griff in das Körb-
das seine Gesellen mit sich führten, und
kleines buntes Licht ans der bjülle
noch eines und dann wieder eines.
lein
"ahm ein
"ad dann
, uvuf einer' unu
’ttb jedes Wachslicht, das es hervorholte und
"af einem Zweiglein befestigte, brannte sofort
""d alle die Flocken in der Nähe schmolzen unter
leinen, wärmenden Strahl und mählich richtete
l'ch dns Bäumchen auf und wurde größer und
und leuchtender nnd Heller, bis es am
Schluffe unter all' den dunklen Tannen stand
als strahlendes glückseliges Thristwunder, das
den ganzen Wald mit seinem stammenden gol-
denen Segen erfüllte, so daß es selbst davon
geblendet war und nicht wußte, wie ihm geschah.
Da berührte es das Thristkind mit seiner sanften
milden bsand, daß es sich leise vom Boden löste,
und trug es lächelnd durch den Wald und brachte
es zu Menschen, die ebenso still nnd geduldig
nnd vom Leide bedrückt waren, als glänzenden,
leuchtenden, glückbringenden Weihnachtsbaum.
w. Herbert.
25 *
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Das Märchen vom Weihnachtsbaum"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1913
Entstehungsdatum (normiert)
1908 - 1918
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 139.1913, Nr. 3569, S. 295
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg