58
Unö die bunten Vögel singen
£üit< die schönsten Lieüel,
lind un meinem Bett zwei Englein
Streichen nachts die Siede!.
Selbst der große Bund im Bose
Metzelt mit dem Schweife,
(Ind des vschburs wilde Buben
Springen, wenn ich pfeife.
Ich bin nur ein kleines flQäöel,
Bin wie Sau am Seche,
Aber selbst dem „Seoß-Logul"
Tanzt' ich aus der Vase!
R. Uolkcr.
A u c r f c ii n u ii g.
Fräillein: „Ein kolossal zart-
fühlender Mensch, der Portier! An
meinem Geburtstage findet er sich
immer mit einem Blumensträuße
ein, aber seitdem ich dreißig bi» . .
nur alle zwei Jahre!"
£• Gesundheit. •£==--
Sit der Gesundheit ist es ein eigen Ding. Ls geht niit
ihr wie mit der Tugend: Man hat sic unbewußt, oder
man hat sie nicht. Ihr Bewußtsein ist ihr Ted. Ich
weiß es von mir selber.
Ich hatte seither keine Ahnung, daß ich um und um gesund
war. Da wird mir eines Tages ein spindeldürrer Mensch vor-
gcstcllt, der mich neidisch anschaut, weiß der Teufel, denke ich,
waruin er mich beneidet. Aber da zwickt er schon niißbilligend
die bcidetl Augen zusammen: „Mensch," sagt er und zieht die
dünnen Nasenflügel hoch, „Mensch, sind Sie gesund l"
Ich bin ordentlich erschrocken.
„was?" sage ich, „gesund? Das habe ich gar nicht gewußt."
„Lehen Sie", sagte der Spindeldürre befriedigt. Und väterlich
setzte er nach einer weile hinzu: „Sie sollten beizeiten 'was da-
gegen tun, mein cherr."
„Um Gottes willen, ist es denn gefährlich?"
„Nun, ich will Sie nicht erschrecken, aber ich kannte eitlen
Oberkellner, der war am Montag kcrngesutid utid am Dicllstag tot."
„Aber —"
„Und dann kannte ich einen Uhrmacher, dem sagten seine
besten Freunde noch beizeiten, daß er unverschämt gesund sei.
Das könne unmöglich normal sein. Und er solle doch zu einem
guten Arzt geh'n, ehe es zu spät sei. Das Geld sei sicher nicht
hinausgeworfen —"
„Und er hat sie also hinausgeworfen?" unterbrach id; nach-
denklich.
„,Stc‘? ,<£s‘, meinen Sic doch, das Geld?"
„Nein, sie, die Freunde."
von da ab ließ er uiidj in Ruhe. Nur, wenn id/ ihm unter-
wegs begegnete, sah er mich besorgt au. Täglich faßte er einen
andern Körperteil in's Auge, den er Fritifdj ansah. voll mir
selber schien er abzusehen. Nur die Stelle interessierte ihn, wo
meine Gesundheit ihren schwächsten pnnkt hatte. Nein, ihren
stärksten, muß id/ sagen.
Ich wurde unruhig. Id/ hielt cs nicht mehr aus. Ich ging
zullt Arzt.
„b/err Doktor," sagte id/, „Sie müssen >nir helfen."
Lr sah mich lange forschend an: „was fehlt Ihnen", sagte
er endlich.
„Die Krankheit", sagte id/.
„Die Gesundheit, meinen Sie, nicht wahr?" sagte er freundlich.
„Nein, nein, l/err Doktor, das ist cs ja gerade, die Gesund-
heit habe id/. Die Krankheit fehlt mir. Könnten Sie mir viel-
leid/t zu einer vernünftigen Krankheit verhelfen?"
Der Doktor sah mich noch forschender an. - „Sie sind mir dieser
halb cliipfohlen worden, l/err Doktor", versuchte id; nachzuhelfcn.
Darauf schmiß mich dieser Arzt hinaus und strengte eine
Beleidigungsklage wegen verletzter Berufsehre gegen mich all.
Bei einem zweiten Arzte war ich klüger.
„Nun, mein Lieber," sagte er, „was fehlt Ihnen also?"
„Nervosität zum Beispiel," sagte ich wahrheitsgemäß, „ferner -"
„f/alt, eins nach dem andern. Zunächst wollen wir es also
mit der Nervosität versuchen, mein Lieber . . ."
Ulid er versuchte es so glücklich mit der Nervosität, daß id/
sie schon im verlaufe einer kombinierten schwedisch-russisch-irischen
diätetischen Massagekur glücklich hatte.
„Na," sagte der Doktor befriedigt, „die Nervosität hätten
wir — was koinint jetzt alt die Reihe?"
worauf id; sagte, daß man es jetzt vielleicht mit einem Hand
festen Magenleiden versuchen könnte. Denn mein Magen war
bisher in einer foldj’ beängstigenden Verfassung, daß id; ihn über-
haupt nicht spürte.
„lvas?" sagte der Arzt, „Sie spüren Ihren Magen nicht?
Da scheinen wir es ja mit einem ausgeprägten Fall von apatia
stomaci zu tun zu haben."
worauf er mir meinen Magen innerhalb siebzehn Tagen
dreizehnmal ansxumpte. Der Erfolg war augenscheinlich. Meili
Mageli wurde so empfindlich, daß er es sogar im dritten Stock-
werk spürte, wenn der Mieter über mir im vierteli Stock saure
Mild/ und Zwetschgeit hintereinander zu sich nahm.
„Na," sagte der Doktor, „id/ kann Sie also jetzt aus meiner
Kur entlassen."
„Könnten wir es nicht nod/ mit einer akuten Blinddarm-
erkranknng versuchen?" sagte id/ besd/eideil.
„was, am Blinddarm sind Sie auch erkrankt?"
„Eben nicht, l/err Doktor, aber ich denke, eine kleine Blind-
darmgesd/ichte könnte nicht schaden — das ist ja jetzt in Mode, wie
ich höre —, alle guten Dinge sind drei, und mit Ihrer l/ilfe . . ."
Unö die bunten Vögel singen
£üit< die schönsten Lieüel,
lind un meinem Bett zwei Englein
Streichen nachts die Siede!.
Selbst der große Bund im Bose
Metzelt mit dem Schweife,
(Ind des vschburs wilde Buben
Springen, wenn ich pfeife.
Ich bin nur ein kleines flQäöel,
Bin wie Sau am Seche,
Aber selbst dem „Seoß-Logul"
Tanzt' ich aus der Vase!
R. Uolkcr.
A u c r f c ii n u ii g.
Fräillein: „Ein kolossal zart-
fühlender Mensch, der Portier! An
meinem Geburtstage findet er sich
immer mit einem Blumensträuße
ein, aber seitdem ich dreißig bi» . .
nur alle zwei Jahre!"
£• Gesundheit. •£==--
Sit der Gesundheit ist es ein eigen Ding. Ls geht niit
ihr wie mit der Tugend: Man hat sic unbewußt, oder
man hat sie nicht. Ihr Bewußtsein ist ihr Ted. Ich
weiß es von mir selber.
Ich hatte seither keine Ahnung, daß ich um und um gesund
war. Da wird mir eines Tages ein spindeldürrer Mensch vor-
gcstcllt, der mich neidisch anschaut, weiß der Teufel, denke ich,
waruin er mich beneidet. Aber da zwickt er schon niißbilligend
die bcidetl Augen zusammen: „Mensch," sagt er und zieht die
dünnen Nasenflügel hoch, „Mensch, sind Sie gesund l"
Ich bin ordentlich erschrocken.
„was?" sage ich, „gesund? Das habe ich gar nicht gewußt."
„Lehen Sie", sagte der Spindeldürre befriedigt. Und väterlich
setzte er nach einer weile hinzu: „Sie sollten beizeiten 'was da-
gegen tun, mein cherr."
„Um Gottes willen, ist es denn gefährlich?"
„Nun, ich will Sie nicht erschrecken, aber ich kannte eitlen
Oberkellner, der war am Montag kcrngesutid utid am Dicllstag tot."
„Aber —"
„Und dann kannte ich einen Uhrmacher, dem sagten seine
besten Freunde noch beizeiten, daß er unverschämt gesund sei.
Das könne unmöglich normal sein. Und er solle doch zu einem
guten Arzt geh'n, ehe es zu spät sei. Das Geld sei sicher nicht
hinausgeworfen —"
„Und er hat sie also hinausgeworfen?" unterbrach id; nach-
denklich.
„,Stc‘? ,<£s‘, meinen Sic doch, das Geld?"
„Nein, sie, die Freunde."
von da ab ließ er uiidj in Ruhe. Nur, wenn id/ ihm unter-
wegs begegnete, sah er mich besorgt au. Täglich faßte er einen
andern Körperteil in's Auge, den er Fritifdj ansah. voll mir
selber schien er abzusehen. Nur die Stelle interessierte ihn, wo
meine Gesundheit ihren schwächsten pnnkt hatte. Nein, ihren
stärksten, muß id/ sagen.
Ich wurde unruhig. Id/ hielt cs nicht mehr aus. Ich ging
zullt Arzt.
„b/err Doktor," sagte id/, „Sie müssen >nir helfen."
Lr sah mich lange forschend an: „was fehlt Ihnen", sagte
er endlich.
„Die Krankheit", sagte id/.
„Die Gesundheit, meinen Sie, nicht wahr?" sagte er freundlich.
„Nein, nein, l/err Doktor, das ist cs ja gerade, die Gesund-
heit habe id/. Die Krankheit fehlt mir. Könnten Sie mir viel-
leid/t zu einer vernünftigen Krankheit verhelfen?"
Der Doktor sah mich noch forschender an. - „Sie sind mir dieser
halb cliipfohlen worden, l/err Doktor", versuchte id; nachzuhelfcn.
Darauf schmiß mich dieser Arzt hinaus und strengte eine
Beleidigungsklage wegen verletzter Berufsehre gegen mich all.
Bei einem zweiten Arzte war ich klüger.
„Nun, mein Lieber," sagte er, „was fehlt Ihnen also?"
„Nervosität zum Beispiel," sagte ich wahrheitsgemäß, „ferner -"
„f/alt, eins nach dem andern. Zunächst wollen wir es also
mit der Nervosität versuchen, mein Lieber . . ."
Ulid er versuchte es so glücklich mit der Nervosität, daß id/
sie schon im verlaufe einer kombinierten schwedisch-russisch-irischen
diätetischen Massagekur glücklich hatte.
„Na," sagte der Doktor befriedigt, „die Nervosität hätten
wir — was koinint jetzt alt die Reihe?"
worauf id; sagte, daß man es jetzt vielleicht mit einem Hand
festen Magenleiden versuchen könnte. Denn mein Magen war
bisher in einer foldj’ beängstigenden Verfassung, daß id; ihn über-
haupt nicht spürte.
„lvas?" sagte der Arzt, „Sie spüren Ihren Magen nicht?
Da scheinen wir es ja mit einem ausgeprägten Fall von apatia
stomaci zu tun zu haben."
worauf er mir meinen Magen innerhalb siebzehn Tagen
dreizehnmal ansxumpte. Der Erfolg war augenscheinlich. Meili
Mageli wurde so empfindlich, daß er es sogar im dritten Stock-
werk spürte, wenn der Mieter über mir im vierteli Stock saure
Mild/ und Zwetschgeit hintereinander zu sich nahm.
„Na," sagte der Doktor, „id/ kann Sie also jetzt aus meiner
Kur entlassen."
„Könnten wir es nicht nod/ mit einer akuten Blinddarm-
erkranknng versuchen?" sagte id/ besd/eideil.
„was, am Blinddarm sind Sie auch erkrankt?"
„Eben nicht, l/err Doktor, aber ich denke, eine kleine Blind-
darmgesd/ichte könnte nicht schaden — das ist ja jetzt in Mode, wie
ich höre —, alle guten Dinge sind drei, und mit Ihrer l/ilfe . . ."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Anerkennung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1915
Entstehungsdatum (normiert)
1910 - 1920
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 143.1915, Nr. 3653, S. 58
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg