Stein. Der hier legte den
seinen in ein reines Goldbad,
um zu sehen, ob er darin
besondere Eigenschaften zu
erkennen geben würde. Der
andere breitete ihn um Mit-
ternacht auf dem höchsten
Turm im Helle» Sternen-
scheiu aus, weil er meinte,
wenn es wirklich.-der Stein
der Weisen wäre, müßte er
auf einmal in einem viel
klareren Lichte wie alle Sterne
zusammen strahlen. Der dritte
schob seinen Prüfstein dem
seltenen. Vogel Phönix unter,
der sich unter den Schätzen des
Fürsten befand, weil er glaubte,
dieser müßte ein^Wunderwesen
daraus brüten können. Kurz,
jeder ging geschäftig seiner
eigenen Methode nach. Aber
schließlich, nachdem Monate
verstrichen, lag vor dem Ka-
lifen wieder bloß das thäuf-
chen unscheinbarer Steine und
der Schwarm der Gelehrten,
der darum Herumstand, be-
richtete mit Eifer, was alles
geschehen und daß der Stein der Weisen gewiß nicht darunter sei.
Da ergrimmte der Fürst und verurteilte den Gaukler, der ihn
hatte betrügen wollen, zum Tode. Der Gefangene wurde in die
stärkste Zelle gebracht, hinter der die Felsenwand in grausigem
Absturz Hunderte von Ellen in die Tiefe sank. Dort sollte er
noch drei Tage verbringen und dann hingerichtet werden.
wie er so einsam saß ulid
auf seine Rettung sann, hörte
er plötzlich die schweren Schlüssel
klirren. Gleich daraus trat ein
vermummter Mann zu ihm in
die Zelle, an dessen Stimme er
jedoch alsbald den Großwesir
erkannte, den er bei dem Kalifen
gesehen hatte. „Fremdling!"
sagte dieser freundlich. „Deill
Leben ist verwirkt I Es ist un-
möglich, den Zorn des Herrschers
auszuhalten oder zu wendenI Was nützt Dich der. Stein der
Weisen, den Du, wie ich sicher weiß, ja doch noch bei Dir ver-
borgen hältstI Gib ihn mir; denn ich bin über viele gesetzt, die
ich durch die Weisheit, die er mir verleiht, glücklich machen kann I
Es soll Dein Schaden nicht fein!" Dabei legte er einen schweren
Beutel voll Goldzechitien auf den Boden, hoffend, daß dieses ver-
führerische Metall selbst in der trostlosen Lage, in der sich der
Gefangene befand, seine Wirkung nicht versagen würde.
Und er hatte sich scheinbar auch nicht getäuscht. Denn der
fremde Gaukler nickte mit dem Haupte und überreichte dem Groß-
wesir ein winziges unscheinbares Steinchen, das dieser mit
zitternden Händen ergriff und hochentzückt in seinem Mantel barg.
Als er die Zelle verlassen hatte, lachte der Fremde höhnisch. Er
hatte das Steinchen eben vorhin aus der Wand gekratzt, um zu
sehen, ob es möglich märe, sie zu durchbrechen. Nicht lange stand
es an, da rasselten die Schlüssel wieder und der Unterwächter
schlich heimlich in die Zelle. „Bruder I" sagte er vertraulich zu
dem Gaukler. „Ich versteh' Dich wohl, daß Du den Stein der
Weisen dem Kalifen nicht schenken mochtest, der Dir die Fuß-
streiche geben ließ l Ich weiß, wie sie beißen; denn ich habe ihrer
früher selber just genug verschmerzen müssen I Aber mir gib den
Stein, mir gib ihn, ehe er zugrunde gehtl Schau, ich bin nur
ein ganz Kleiner, der übel daran ist und dem Du Helsen könntest
damit I Ich will Dir auch 'was Gutes zu essen bringen, das ich
mir vom Munde abgesxart, und ein Schlückchen Wein, den ich
heimlich bekommen Habel" — „Ls ist recht, Bruder!" sagte der
Gaukler. „Du sollst den Stein der Weisen haben, wenn Du
reinen Mund halten kannst!" — „©!" rief der Wärter hocherfreut
und begeistert und schleppte au Speise und Trank herbei, was er
auftreiben konnte. — „Leih' mir auch Dein Messer ein wenig,
damit ich mir das Fleisch schneiden kann!" sagte der Fremdling.
Der andere gab es ihm willig und arglos hin und erhielt dafür
ebenfalls ein kleines Bröckchen aus der Gefäuguiswand, das der
Eingesperrte herausgekratzt hatte.
Mit dem Messer ging das Aushöhlen des von Wind und
Wetter morschen Gesteins freilich nun schon viel schneller und
besser und der Gaukler hatte immer nur alle Eile, das stets
größer werdende Loch mit seinem Mantel zu verdecken, wenn
wieder ein unvermuteter Besucher kam. Denn ihrer waren es
gar zahlreiche — aus allen Teilen und Ständen des Palastes.
Jeder wollte für sich und für sich ganz allein den Stein
der Weisen retten und jeder bekam ihn auch und zog
glückstrahlend von dannen. Der Gaukler aber freute sich immer
stärker darüber. Denn er räumte auf diese Weise den ganzen
Ausbruchschutt sicher und unauffällig weg.
Und schließlich geschah das Unglaubliche, von Habgier und
Zweifeln getrieben, kam der Kalif selbst, der sich immer mehr ein-
geredet hatte, daß der seltsame Manu den Stein der Weisen doch
besaß und ihn nur nicht herausgeben wollte. Jetzt im Angesicht
des Todes und in der letzten Hoffnung auf Gnade würde er wohl
anders mit sich reden lassen.
wie man aber dem Herrscher ehrerbietig die Zelle öffnete,
war diese leer. Nur ein dunkler
Mantel lag in dem Gefängnis,
und als der Kalif diesen aufhob,
erblickte er ein schmales tiefes
Loch, durch das der Helle Tag
hereiuschien. Mit einem Laut
des Zornes ließ sich der Fürst
trotz seines behäbigen Körpers
schnell auf die Knie nieder und
schlüpfte in die Öffnung. Denn
der Flüchtling konnte nie und
nimmer über die Wand ent-
kommen sein. Er hing gewiß
außen zwischen Himmel und Erde und ließ in dieser verzweifelten
Lage noch leichter mit sich unterhandeln. Aber plötzlich stak der
Kalif zwischen den Steinen fest und konnte nicht mehr vor-
wärts noch rückwärts, so daß er sich in seiueir Todesängsten ent-
schließen mußte, zu rufen, obwohl er streng verboten hatte, daß
ihm jemand in die Zelle folgen sollte. Nun eilten Höflinge und
Diener herbei und fanden zu ihrem höchsten Erstaunen in dieser
merkwürdigen und gefährlichen Lage den Kalifen. Ihre versuche,
ihn herauszuziehen, waren vergeblich, „Halt!" rief er keuchend
und jammernd. „Ihr zerreißt mich ja!" So mußte man sich
298
seinen in ein reines Goldbad,
um zu sehen, ob er darin
besondere Eigenschaften zu
erkennen geben würde. Der
andere breitete ihn um Mit-
ternacht auf dem höchsten
Turm im Helle» Sternen-
scheiu aus, weil er meinte,
wenn es wirklich.-der Stein
der Weisen wäre, müßte er
auf einmal in einem viel
klareren Lichte wie alle Sterne
zusammen strahlen. Der dritte
schob seinen Prüfstein dem
seltenen. Vogel Phönix unter,
der sich unter den Schätzen des
Fürsten befand, weil er glaubte,
dieser müßte ein^Wunderwesen
daraus brüten können. Kurz,
jeder ging geschäftig seiner
eigenen Methode nach. Aber
schließlich, nachdem Monate
verstrichen, lag vor dem Ka-
lifen wieder bloß das thäuf-
chen unscheinbarer Steine und
der Schwarm der Gelehrten,
der darum Herumstand, be-
richtete mit Eifer, was alles
geschehen und daß der Stein der Weisen gewiß nicht darunter sei.
Da ergrimmte der Fürst und verurteilte den Gaukler, der ihn
hatte betrügen wollen, zum Tode. Der Gefangene wurde in die
stärkste Zelle gebracht, hinter der die Felsenwand in grausigem
Absturz Hunderte von Ellen in die Tiefe sank. Dort sollte er
noch drei Tage verbringen und dann hingerichtet werden.
wie er so einsam saß ulid
auf seine Rettung sann, hörte
er plötzlich die schweren Schlüssel
klirren. Gleich daraus trat ein
vermummter Mann zu ihm in
die Zelle, an dessen Stimme er
jedoch alsbald den Großwesir
erkannte, den er bei dem Kalifen
gesehen hatte. „Fremdling!"
sagte dieser freundlich. „Deill
Leben ist verwirkt I Es ist un-
möglich, den Zorn des Herrschers
auszuhalten oder zu wendenI Was nützt Dich der. Stein der
Weisen, den Du, wie ich sicher weiß, ja doch noch bei Dir ver-
borgen hältstI Gib ihn mir; denn ich bin über viele gesetzt, die
ich durch die Weisheit, die er mir verleiht, glücklich machen kann I
Es soll Dein Schaden nicht fein!" Dabei legte er einen schweren
Beutel voll Goldzechitien auf den Boden, hoffend, daß dieses ver-
führerische Metall selbst in der trostlosen Lage, in der sich der
Gefangene befand, seine Wirkung nicht versagen würde.
Und er hatte sich scheinbar auch nicht getäuscht. Denn der
fremde Gaukler nickte mit dem Haupte und überreichte dem Groß-
wesir ein winziges unscheinbares Steinchen, das dieser mit
zitternden Händen ergriff und hochentzückt in seinem Mantel barg.
Als er die Zelle verlassen hatte, lachte der Fremde höhnisch. Er
hatte das Steinchen eben vorhin aus der Wand gekratzt, um zu
sehen, ob es möglich märe, sie zu durchbrechen. Nicht lange stand
es an, da rasselten die Schlüssel wieder und der Unterwächter
schlich heimlich in die Zelle. „Bruder I" sagte er vertraulich zu
dem Gaukler. „Ich versteh' Dich wohl, daß Du den Stein der
Weisen dem Kalifen nicht schenken mochtest, der Dir die Fuß-
streiche geben ließ l Ich weiß, wie sie beißen; denn ich habe ihrer
früher selber just genug verschmerzen müssen I Aber mir gib den
Stein, mir gib ihn, ehe er zugrunde gehtl Schau, ich bin nur
ein ganz Kleiner, der übel daran ist und dem Du Helsen könntest
damit I Ich will Dir auch 'was Gutes zu essen bringen, das ich
mir vom Munde abgesxart, und ein Schlückchen Wein, den ich
heimlich bekommen Habel" — „Ls ist recht, Bruder!" sagte der
Gaukler. „Du sollst den Stein der Weisen haben, wenn Du
reinen Mund halten kannst!" — „©!" rief der Wärter hocherfreut
und begeistert und schleppte au Speise und Trank herbei, was er
auftreiben konnte. — „Leih' mir auch Dein Messer ein wenig,
damit ich mir das Fleisch schneiden kann!" sagte der Fremdling.
Der andere gab es ihm willig und arglos hin und erhielt dafür
ebenfalls ein kleines Bröckchen aus der Gefäuguiswand, das der
Eingesperrte herausgekratzt hatte.
Mit dem Messer ging das Aushöhlen des von Wind und
Wetter morschen Gesteins freilich nun schon viel schneller und
besser und der Gaukler hatte immer nur alle Eile, das stets
größer werdende Loch mit seinem Mantel zu verdecken, wenn
wieder ein unvermuteter Besucher kam. Denn ihrer waren es
gar zahlreiche — aus allen Teilen und Ständen des Palastes.
Jeder wollte für sich und für sich ganz allein den Stein
der Weisen retten und jeder bekam ihn auch und zog
glückstrahlend von dannen. Der Gaukler aber freute sich immer
stärker darüber. Denn er räumte auf diese Weise den ganzen
Ausbruchschutt sicher und unauffällig weg.
Und schließlich geschah das Unglaubliche, von Habgier und
Zweifeln getrieben, kam der Kalif selbst, der sich immer mehr ein-
geredet hatte, daß der seltsame Manu den Stein der Weisen doch
besaß und ihn nur nicht herausgeben wollte. Jetzt im Angesicht
des Todes und in der letzten Hoffnung auf Gnade würde er wohl
anders mit sich reden lassen.
wie man aber dem Herrscher ehrerbietig die Zelle öffnete,
war diese leer. Nur ein dunkler
Mantel lag in dem Gefängnis,
und als der Kalif diesen aufhob,
erblickte er ein schmales tiefes
Loch, durch das der Helle Tag
hereiuschien. Mit einem Laut
des Zornes ließ sich der Fürst
trotz seines behäbigen Körpers
schnell auf die Knie nieder und
schlüpfte in die Öffnung. Denn
der Flüchtling konnte nie und
nimmer über die Wand ent-
kommen sein. Er hing gewiß
außen zwischen Himmel und Erde und ließ in dieser verzweifelten
Lage noch leichter mit sich unterhandeln. Aber plötzlich stak der
Kalif zwischen den Steinen fest und konnte nicht mehr vor-
wärts noch rückwärts, so daß er sich in seiueir Todesängsten ent-
schließen mußte, zu rufen, obwohl er streng verboten hatte, daß
ihm jemand in die Zelle folgen sollte. Nun eilten Höflinge und
Diener herbei und fanden zu ihrem höchsten Erstaunen in dieser
merkwürdigen und gefährlichen Lage den Kalifen. Ihre versuche,
ihn herauszuziehen, waren vergeblich, „Halt!" rief er keuchend
und jammernd. „Ihr zerreißt mich ja!" So mußte man sich
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Stein der Weisen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Verschlagwortung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1917
Entstehungsdatum (normiert)
1912 - 1922
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 146.1917, Nr. 3752, S. 298
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg