Wohnung kann jedermann jeden Augenblick anschauen. Spazieren
Sie nnr herein!" Und Frau lsnber spazierte hinein und beschaute
gerade solche Wohnungen, die sonst dem Auge anderer Sterblicher ver-
schlossen blieben, mit ganz außergewöhnlichem Vergnügen, schnüffelte
jeden Winkel durch und wußte allerhand diskrete, zuweilen auch indis-
krete Fragen einzustreuen, die ihr aufklärten, was sonst etwa noch im
unklaren geblieben untres denn das Erforschen fremder wohn-
geheimnisse war eben nun einmal der vauptreiz ihres Daseins.
wenn sie von einer Dame hörte, die sie noch nicht oder doch
nicht näher kannte, war sie am nächsten freien Nachmittag dort
und dafür hatte sie immer einen freien Nachmittag. Kraft ihres
Hilfsmittels schaute sie die Wohnung an. In einem Stündchen
wußte sie, was sie wissen wollte, und meist noch mehr, viel mehr;
denn man redet ja doch schließlich auch etwas dabei und sie ver-
stand es, die Zungen zu lösen.
Natürlich wurde der Sport der guten Frau lsuber allmählich
bekannt. Alle jene, die darum wußten, davon hörten, darunter
litten, gifteten sich selbstverständlich nicht wenig über sie. Aber wer
konnte denn ihren liebenswürdigen Wohnungsbesichtigungsgelüsten
widerstehen?! Mußte man ja doch sonst gewärtigen, daß sie da
oder dort einmal spitzig, wie sie das ganz meisterhaft verstand, so
nebenbei hinwarf: „Na, die Frau Rat muß ja übrigens auch eine
nette Wirtschaft haben daheini! Da Hab' ich kürzlich zufällig wo
gehört, daß ihre Wohnung frei werden soll. Denk" ich mir in aller
Arglosigkeit: „Die schaust du dir an!" Sie wissen ja, ich suche
schon lange gelegentlich etwas fassendes. Aber was glauben Sie?!
Nicht einmal hineingelassen hat sie mich! Gott, da muß es ja
hübsch d'rinnen ausschauen I"
Die immer größer werdende Schar der gegen diese Tyrannei
verschworene:! Damen sann und studierte aus Rache. Man würde
nun aber einem halben oder auch nur einem viertel Vundert Frauen
schweres Unrecht antun, wenn man meinen wollte, daß sie nicht
endlich auf einen pAan känien, der ihrer verletzten weiblichen Ehre
Genugtuung verschaffen könnte. Und sie kamen darauf.
Eines schönen Nachmittags, als Frau Uuber eben im ärgsten
Bsterstöbern war, alles drunter und drüber stand und lag und
sämtliche geheime und geheimste Winkel unverteidigt klafften, wurde
an der Türe geläutet. Das erste Glockenzeichen überhörten Frau
trüber und ihre eifrig mitstöbernde Köchin, beide in Kopfschutz-
tüchern, wirklich und wahrhaftig und schwangen Besen und Staub-
wedel ruhig weiter. Das zweite Läuten wollte sie überhören.
Aber das dritte klang so hartnäckig und dringend, daß Anna
hinausgesandt wurde, um den ungeschickten Störenfried zu ver-
scheuchen. Gleich darauf kam sie fassungslos, mit bleichen Mienen
zurück. „Frau kfnber" — stammelte sie — „Frau ksuberl" . . .
Da stand diese schon selbst an der Türe.
„Diese Wohnung soll nächstens frei werden!" flötete es draußen,
„wir dürfen sie doch wohl besichtigen?!"
„Aber" - ivollte Frau Ejuber wehren. Doch sie entsann sich,
ivie sie selbst eine solche Weigerung auszulegen pflegte. „Aber
bitte!" murmelte sie daher bloß tonlos. — Da quoll, rauschte, tänzelte,
knickste, kicherte, schnatterte es herein in allen Altersklassen, mit
allen erdenklichen tfüten, mit Kneifern, Lorgnetten, Anhänggläsern
und anderen Augenbewaffnungsmitteln und strönite und flutete in
alle Ecken und Winkel. . . Frau trüber hatte eben noch die Geistes-
gegenwart, auf ein durchgesessenes Sofa zu sinken und es mit ihrer
Schürze zu schützen. Dann war ihre Kraft zu Ende.
Damals wurde sie geheilt gründlich, aber qualvoll.
Zie ganze Kunst, zufrieden
zu leben: sich keine zu großen
Hvffimngen zu machen und sich
nicht aus, sondern nur über
etivas zu freuen. «. 3.
Pessimist: Es ivird immer
mehr über Undank geklagt.
O p t i in i st: Das ist nur ein Be-
lvcis dafür, daß immer mehr
Wohltaten geübt werden.
_ 3. Sp.
Hin guter Schauspieler ist lticht der, der im
Leben Komödie spielt, sondern jener, der auf
der Bühne lebt. _ a. ®.
Zie Jugend staunt, wo das Das Traurigste am Altiverden
Alter lächelt. 3. sx, ist oft das Übrigbleiben.
_ __ ®.«. »1.
Hz gibt Theaterstücke, bei denen man sich geringschätzeud ver
gnügt und andere, bei denen man sich hochachtungsvoll langweilt.
®. <f. w.
Kriegsprcisc.
„Rainbauer, das ist ja eine prächtige Sau, die möcht' ich
malen, was kostet das?" — „Geb'u S' halt
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Sie nnr herein!" Und Frau lsnber spazierte hinein und beschaute
gerade solche Wohnungen, die sonst dem Auge anderer Sterblicher ver-
schlossen blieben, mit ganz außergewöhnlichem Vergnügen, schnüffelte
jeden Winkel durch und wußte allerhand diskrete, zuweilen auch indis-
krete Fragen einzustreuen, die ihr aufklärten, was sonst etwa noch im
unklaren geblieben untres denn das Erforschen fremder wohn-
geheimnisse war eben nun einmal der vauptreiz ihres Daseins.
wenn sie von einer Dame hörte, die sie noch nicht oder doch
nicht näher kannte, war sie am nächsten freien Nachmittag dort
und dafür hatte sie immer einen freien Nachmittag. Kraft ihres
Hilfsmittels schaute sie die Wohnung an. In einem Stündchen
wußte sie, was sie wissen wollte, und meist noch mehr, viel mehr;
denn man redet ja doch schließlich auch etwas dabei und sie ver-
stand es, die Zungen zu lösen.
Natürlich wurde der Sport der guten Frau lsuber allmählich
bekannt. Alle jene, die darum wußten, davon hörten, darunter
litten, gifteten sich selbstverständlich nicht wenig über sie. Aber wer
konnte denn ihren liebenswürdigen Wohnungsbesichtigungsgelüsten
widerstehen?! Mußte man ja doch sonst gewärtigen, daß sie da
oder dort einmal spitzig, wie sie das ganz meisterhaft verstand, so
nebenbei hinwarf: „Na, die Frau Rat muß ja übrigens auch eine
nette Wirtschaft haben daheini! Da Hab' ich kürzlich zufällig wo
gehört, daß ihre Wohnung frei werden soll. Denk" ich mir in aller
Arglosigkeit: „Die schaust du dir an!" Sie wissen ja, ich suche
schon lange gelegentlich etwas fassendes. Aber was glauben Sie?!
Nicht einmal hineingelassen hat sie mich! Gott, da muß es ja
hübsch d'rinnen ausschauen I"
Die immer größer werdende Schar der gegen diese Tyrannei
verschworene:! Damen sann und studierte aus Rache. Man würde
nun aber einem halben oder auch nur einem viertel Vundert Frauen
schweres Unrecht antun, wenn man meinen wollte, daß sie nicht
endlich auf einen pAan känien, der ihrer verletzten weiblichen Ehre
Genugtuung verschaffen könnte. Und sie kamen darauf.
Eines schönen Nachmittags, als Frau Uuber eben im ärgsten
Bsterstöbern war, alles drunter und drüber stand und lag und
sämtliche geheime und geheimste Winkel unverteidigt klafften, wurde
an der Türe geläutet. Das erste Glockenzeichen überhörten Frau
trüber und ihre eifrig mitstöbernde Köchin, beide in Kopfschutz-
tüchern, wirklich und wahrhaftig und schwangen Besen und Staub-
wedel ruhig weiter. Das zweite Läuten wollte sie überhören.
Aber das dritte klang so hartnäckig und dringend, daß Anna
hinausgesandt wurde, um den ungeschickten Störenfried zu ver-
scheuchen. Gleich darauf kam sie fassungslos, mit bleichen Mienen
zurück. „Frau kfnber" — stammelte sie — „Frau ksuberl" . . .
Da stand diese schon selbst an der Türe.
„Diese Wohnung soll nächstens frei werden!" flötete es draußen,
„wir dürfen sie doch wohl besichtigen?!"
„Aber" - ivollte Frau Ejuber wehren. Doch sie entsann sich,
ivie sie selbst eine solche Weigerung auszulegen pflegte. „Aber
bitte!" murmelte sie daher bloß tonlos. — Da quoll, rauschte, tänzelte,
knickste, kicherte, schnatterte es herein in allen Altersklassen, mit
allen erdenklichen tfüten, mit Kneifern, Lorgnetten, Anhänggläsern
und anderen Augenbewaffnungsmitteln und strönite und flutete in
alle Ecken und Winkel. . . Frau trüber hatte eben noch die Geistes-
gegenwart, auf ein durchgesessenes Sofa zu sinken und es mit ihrer
Schürze zu schützen. Dann war ihre Kraft zu Ende.
Damals wurde sie geheilt gründlich, aber qualvoll.
Zie ganze Kunst, zufrieden
zu leben: sich keine zu großen
Hvffimngen zu machen und sich
nicht aus, sondern nur über
etivas zu freuen. «. 3.
Pessimist: Es ivird immer
mehr über Undank geklagt.
O p t i in i st: Das ist nur ein Be-
lvcis dafür, daß immer mehr
Wohltaten geübt werden.
_ 3. Sp.
Hin guter Schauspieler ist lticht der, der im
Leben Komödie spielt, sondern jener, der auf
der Bühne lebt. _ a. ®.
Zie Jugend staunt, wo das Das Traurigste am Altiverden
Alter lächelt. 3. sx, ist oft das Übrigbleiben.
_ __ ®.«. »1.
Hz gibt Theaterstücke, bei denen man sich geringschätzeud ver
gnügt und andere, bei denen man sich hochachtungsvoll langweilt.
®. <f. w.
Kriegsprcisc.
„Rainbauer, das ist ja eine prächtige Sau, die möcht' ich
malen, was kostet das?" — „Geb'u S' halt
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Splitter" "Kriegspreise"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Verschlagwortung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1918
Entstehungsdatum (normiert)
1913 - 1923
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 148.1918, Nr. 3802, S. 191
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg