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Der XÜccbfelbalg.

a" — fagt der Atzlbauer mit strahlendem Gesicht
zu seinem Nachbarn, der auf die Nachricht von der
Storcheneinkehr zu Besuch kommt — „a Bua is's und
was für a Mordsbinkl, sag' i Dir I Geh' nur 'rci' in d'
Stub'n! D' G'vatterin hat 'n scho' in d' Miag'n 'nci'-
g'legt! Da liegt er d'rinn' g'rad' wia a junga Bräu
und schlaft!" — Der Nachbar, der bis jetzt als llach-
kommen nur sechs Mädeln aufzuweisen hat, geht mit
einem stillen Neid in die gute Stub'n herein, in der cs
augenblicklich ganz leer und auch ganz ruhig ist. Er

beugt sich vorsich-
tig über die Wiege
und zieht mit sei-
nen arbeitsderben
Fingern behutsam
die rotgeblüinelten
Vorhänge ausein-
ander. „Woaßt
D'!" sagt der Atzb
bauer dabei und
lacht. „So froh
bin i' Dir scho',
daß alles glückli'

'rum und vorbei is! Denn Du kennst ja mei'Schwieger-
muatta l Sie is wirkli' a guat's Leut, für a Schwieger-
muatta sogar a merkwürdi' guat's Leut! Aber halt aber-
gläubisch, scho' so abergläubisch, daß 's gar nimmer scho'
is! Bundcrttausenderlei Sorgen und Ängsten hat s' g'habt,
was alles g'schehg'n und passier'n könnt' von de' Teufi und
de' Ber'n und de' Drud'n und der G'sellschaft überananda I
G'rad' lacha muaßt D' über an' solchen Unsinn!"

.„Ja, ja!" sagt der Nachbar und beugt sich über
das kleine Geschöpf, das da im Balbdunkel d'rinnen liegt,
bis er sich an das Dämmerlicht gewöhnt hat. „Du"
— ruft er da plötzlich halblaut und erschreckt —• „was
is denn dös?I" — „Was denn?!" fragt der Atzlbauer
und schaut neben ihni entsetzt in die wiege hinein. „Der
is ja ganz schwarz und blau!" murmelt der Nachbar.
„Ganz schwarz und blau?!" wiederholt der Bauer.
„Geh', laß Di' auslacha! Mei' Bua is so weiß und
rot wia Milli und Bluat!" Die vier Augen starren
groß und rund den Kleinen in der Wiege an. Dann
betrachten sich die beiden Männer mit unheimlichem
Grauen selber — und im nächsten Augenblick steht der
Atzlbauer, der ganz blaß geworden ist, an der Küchentür

und ruft: „Schwiegermuatta l Schwiegermuatta! Da geh'
'rei'I Der Bua is ganz schwarz und blau und fremd!"

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Die Schwiegermutter tut nur einen schnellen Blick in die wiege. Dann
schlägt sie die Bände zusammen liub rennt aus die Gasse hinaus. „A lvcchscl-
balg!" schreit sie. „A Wechselbalgl Dös Unglück! Während dein Augen-
blick, wo i' in der Kuch'l d' Supp'n koch', hat uns a Drud' 's Kind aus-
g'wechselt und an' Wechselbalg in d' lviag'n g'legt I A lvechselbalg! A
wechselbalg!"

Aus allen ljäuscrn strömen die Leute und drängen sich um sie her und
bald quillt es mit Schreck und Neugier und Grauen in die gute Stub'n

herein, wo die beiden Ulänner immer noch lautlos stehen und abwechselnd
den Vorhang aufheben, Hineinstarren und die Köpfe schütteln. Das seltsame
Geschöpf, das da d'rinnen liegt, schlummert aber ruhig und scheint keine
Ahnung zu haben von dem Aufruhr, den es hervorruft.

Und der Vorhang wird innncr öfter und öfter gelüftet und immer mehr-
erstaunte und entsetzte Gesichter schauen hinein, alte und junge, glatte und
verrunzelte. Das Gewisper und Geflüster nimmt zu. „Es is,scho' a so aa'!"
heißt es im Kreise mit Schaudern und doch auch mit stiller Befriedigung,
daß man einmal so etwas miterlebt hat. „Es is a richtig« lvechselbalg!"
Und schon gehen auch die Vermutungen um, wer cs gewesen sein könnte,
der das Kind ausgetauscht hat, und die Finger und die Nasen deuten hinaus
an das Dorfende, wo die Uloosannl wohnt, der man alles zutraut, nur
nichts Gutes.

Jetzt kommt die Lntmoserbarbl, die das lvegbeten kann, stellt sich breit
mit ausgespreizten Füßen mitten in die Stub'n, niacht Zeichen nach allen
vier Bimmelsrichtungen und tut dann einen Spruch, falls sich etwa noch ein
böser Geist in der Stub'n versteckt halten sollte. Darauf schaut auch sie in
die Iviege und sagt zu den gespannt aushorchenden Weibern: „Stimmt scho'
aa'I A lvechselbalg! A richtig« Satansbalg is!"

Das Jammern und Klagen und verwundern wird alleweil grausiger
und es ist ein Mordslamento, als der Bader eintrifft, ein besonnener, ruhiger
und überlegter Mann. Er setzt die Brille auf, zieht die Vorhänge weit aus-
einander und betrachtet das Kind genau. Dann rührt er cs an. „Jeffas na I"
schreit die Lntmoserbarbl. „Net o'rühr'n! verbrennst Dir ja d' Finger!"
Der Bader aber schaut seine Finger an und sagt: „Der Bua geht ja
ab! D ö s i s a
g'färbter!"

„Na, na!"
sagt die Entmo-
serbarbl. „Dös
gibt's net! An'
lvechselbalg, der
g'färbt is, gibt's
net!"

„Ls werd
scho' ganz schö'
weiß d'runter!"

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Wechselbalg"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Verschlagwortung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Roeseler, August
Entstehungsdatum
um 1918
Entstehungsdatum (normiert)
1913 - 1923
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Weltkrieg <1914-1918>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
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Fliegende Blätter, 148.1918, Nr. 3803, S. 197

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