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Fliegende Blätter — 15.1852 (Nr. 337-360)

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Nr. 340
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https://doi.org/10.11588/diglit.2117#0026
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26 Der Teufel ii

Hansel, nur etwas zu laut, denn eine ungeheure Ohrfeige
belehrte den Verwegenen, wie gefährlich es sei einem Mäch-
tigcrn gegenüber mißliebige Gedanken laut werden zu lassen,
seien dieselben auch noch so wahr.

„Und doch wird nichts daraus," spottete Hansel dem Er-
bitterten nach, „denn so wahr ich Hansel heiße, so wahr wird
die hübsche Marie und der hübsche Herr Lohmann ein Paar."

Am Abende dieses für Marie so verhängnißvollen Tages,
wurde Meister Zundels Haus gar eifrig, wenn auch nur aus
der Ferne betrachtet. Auf einem anmuthigen Hügel, der sich
unmittelbar vor dem Thore des Städtchens sanft aussteigend
erhob, lag unter einer alten Eiche ein junger schöner Mann,
und schaute mit sehnsüchtigen Blicken über die niedrige Stadt-
mauer nach dem stattlichen Eckhause des Schneiders. Ihn
störte nicht das laute Getreibe auf den Gassen, für ihn fuhr
der stattliche Reisewagen, der langsam dem Thore sich näherte
»nd aller Gaffer Augen auf sich zog, unbeachtet dahin, ja
er überhörte sogar, daß ihm gegenüber, das Gebüsch zer-
lheilcnd, ein Fremder dem heimlichen Plätzchen sich näherte,
das unser Ritter Toggenburg eingenommen hatte.

Der Fremde war ein schöner Mann von etwa dreißig
^ Jahren, sein Wuchs war hoch und schlank, ein feiner
Beobachter hätte ihn etwas zu lang gefunden, schwarzes
Haar umgab sein wohlgeformtes Gesicht, das wohl dadurch
etwas bleich, aber nur um so interessanter erschien; ein statt-
licher Bart von gleicher Farbe unter der kühn gebogenen
Adlernase, verbarg kaum einen leichten Zug von ispott, der
in den Mundwinkeln zu lagern schien, und unter den starken
Augenbrauen an der hohen Stirn glänzten ein Paar feurige
Augen, in deren Blick sowohl tiefer Ernst als fast unheim-
liches Glühen lag. Die Kleidung des Fremden, ganz ge-
macht seine schöne Gestalt vortheilhaft zu zeigen, war durch-
aus schwarz, der Degen am rothen goldvervrämten Gürtel
ließ den Edelmann vermuthen.

Forschend betrachtete er den unter der Eiche liegenden
Träumer, dann weckte er ihn mit der Bitte, ihn, den Fuß-
weg den Hügel hinab nach dem Städtchen zu zeigen. Be-
reitwillig wurde diese Bitte erfüllt: hierauf wandte der
; Fremde seinen Adlerblick hinab in das von der Abendsonne
l beleuchtete Thal, und hier fielen ihm vor allen die im Golde
der scheidenden Sonne glänzenden Fenster von Meister Zundels
Hause in die Augen.

„Wem gehört jenes schmucke Haus?" so fragte er, „das
den Wanderer freundlich zu grüßen scheint, wenn er einzieht
in Eure alten Mauern."

„Dem ehrsamen Schneidermeister Zundel," antwortete
Lohmann mit flüchtigem Erröthen, das aber dem Frager
nicht entgangen sein mußte, denn er forschte weiter.

„Ihr scheint nicht gern von jenem Hause zu sprechen,
j erwartet Ihr Glück oder Unglück aus demselben?"

„Ach das daraus erwartete Glück," war die Antwort,
„will sich zu bitterm Schmerz und Herzeleid verkehren."

„Wenn mich nicht alles trügt," entgegnete hierauf der
Fremde, indem er einen wohlwollenden Blick auf den Trauern-

Blasenheim.

den ivarf, „so grüße ich in Euch den Herrn Heinrich Loh-
mann, der gar zu gern Meister Zundels holdselig Töchter-
lein heimführcn möchte."

Erstaunt sah Heinrich zu dem Sprecher empor, der, ein
ihm gänzlich Fremder, das süßeste Geheimniß seiner Seele
wußte.

„Ich kenne Euch ivohl," fuhr dieser fort, „und ich weiß
auch, daß Meister Zundel gar nicht gesonnen ist, Euren
Wunsch zu ersüllen, obwohl sein Mädchen andrer Meinung
ist. Warum wäret Ihr aber auch immer einer der ersten
unter der gottlosen Schuljugend, wenn es galt, alle Gcis-
böcke des ganzen Städtchens vor dem Hause des guten Meisters
zusammenzutrciben, um statt eines donnernden Vivats dem-
selben ein blöckendes Mäh zu bringen? — Vor Allem aber
will er einen reichen Schwiegersohn, und ein solcher könntet
Ihr wohl sein, wenn er nur nicht unglücklicher Weise eben-
falls Ansprüche zu haben glaubte auf das, was Euch ge-
hört, und darum muß er prozessiren mit Euch, und kann
nun und nimmermehr verzeihn, zumal Ihr Recht habt."

„Dies alles wißt Ihr?" staunte Heinrich, und sah den
Sprecher verwunderungsvoll an, aber dieser fuhr fort:

Und ist nicht gerade zur bösen Stunde der Herr Advokat
Greifmann mit dem Meister zusaminengctroffen, der Alles
aufbietet, Euch matt zu machen, da der Preis des Sieges
die schöne Marie sein soll, die der Zundel dem Unhold
opfern will in thörichter Verblendung: und hat nicht Greif-
mann die Mittel in der Hand zu Eurem Verderben, da
Euch wichtige Papiere fehlen, die Euer gutes Recht beweisen,
ohne die Ihr aber nimmermehr gewinnen könnt?"

„Herr," so unterbrach ihn hier Heinrich, „ich glaube,
Ihr seid der" — das letzte Wort blieb ihni im Munde stecken.

„Der Teufel", ergänzte der Fremde, und während sich
seine dunklen Brauen univillig zusammenzogen, brach er doch
in ein Helles Lachen aus, das dem bebenden Heinrich aber
durch Mark und Bein ging.

„Und wenn ich der nun wäre und Dir helfen wollte,
fuhr der Fremde fort, „Ivürdest Du mir getreulich dienen
als Meister Zundels glücklicher Schwiegersohn?"

„Nun und nimmermehr", rief Heinrich entsetzt, „für
irdisches Glück opfere ich nicht der Seelen Seligkeit, lieber
mit Marie sterben."

„Sei kein Thor," antwortete der Unheimliche, „schon
Mancher befand sich wohl im Bunde mit mir; ich verschaffe
Dir jene Papiere, die Greifmann's Ränke zu nichte machen
können, dann trittst Du vor Zundel als ein gemachter Mann;
komm — schlag ein", hier hielt er dem Entsetzten die Linke
hin — „unser Bund ist geschlossen, schlägst Du meine Hülfe
aus, so ist in kurzem die arme Marie des spitzbübischen
Greifmann unglückliches Weib."

„Hinweg Versucher," schrie Heinrich, und wollte ent-
springen, der Fremde aber hielt ihn fest und sagte lächelnd:

„Es ist doch wirklich für den Satan, den Fürsten der
Finsterniß, sehr ärgerlich, daß man glaubt, er plage sich um so
weinerliche Seelen, welche gar nicht zu den Freuden der Hölle
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