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Das Stück

SSSXin Dichter hatte ein Theaterstück geschrieben. Ls war sein
erstes. Selbstverständlich war er davon überzeugt, daß es
ein Meisterweik sei. Sonst müßte er ja kein Dichter gewesen sein.
Aber er war doch auch ein zu gewissenhafter Mensch, um auf sein
eigenes Urteil allein seine Zukunft aufzubauen. Also ging er in
ein Schreibbüro. „Phönix", hieß es. Lin sehr verlockender Name.
Dort ließ er sein Stück ein dutzendmal vervielfältigen. Ls kostete
seine letzten zwanzig Mark. Als er die Abdrücke holte, fragte er
schüchtern und doch hoffnnngsfreudig: „Rann ich das Fräulein
sprechen, das meine Arbeit geschrieben hat?" — „Nein I" sagte die
Inhaberin. „Sie ist krank geworden!" — „Doch nicht aus mein
Stück?" rief er entsetzt. — „I wo!" antwortete die Dame. „Ls
lag ihr schon vorher was anderes im Magen!"

Betrübt und um eine poffnnng ärmer ging er nach paus.
Dort las er sein Stück wieder und richtete sich daran auf. Dann
trug er zehn Exemplare zu zehn Freunden mit der Bitte, es zu
lesen und ihm ihre volle, wahre, unverfälschte und rücksichtslose
Meinung zu sagen.

vierzehn Tage hörte er gar nichts. Dann trieb es ihn zu
dem ersten. „Ls ist entzückend!" sagte dieser. „Unsere alte Köchin,
der Hausdrache, der uns seit drei Jahren das Leben zur Hölle
gemacht hat, hat es in die Hand bekommen und uns daraufhin
gekündigt. Lin herrliches Stück!" — „Sehen Sie" — meinte der
zweite — „das Stück hat eigentlich nur einen einzigen Fehler!"

— „welchen denn?!" brachte der Dichter zitternd vor Erwartung
heraus. „Ja", sagte der andere, „es ist eben kein Stück!" —
„was ist es denn?" seufzte der Poet. — „Das kann ich auch nicht
sagenl" erwiderte sein Freund. „Aber Stück ist Ihr Stück keines!"

Der dritte schimpfte, wie er bei der Türe hereinkam. . .
„Schmarrn!" sagte er. sonst nichts. — „Ich habe mich halb zu
Tode gelacht!" erklärte der vierte wohlwollend und schüttelte ihni
die Hand. — „Aber" — stöhnte der Dichter — „es ist ja ein
TrauerspielI" — „So?" sagte der andere gemütsruhig. „Das
habe ich nicht bemerkt! wissen Sie. Titel lese ich grundsätzlich
nicht!" — wie er zum fünften kam, machte die Frau die Türe
auf. „Hier ist es!" sagte sie barsch mit hochgezogenen Augen'
brauen. „Und daß Sie sich nie mehr mit so was zu uns wagen!
Mein Mann hat mir nach dem Lesen den neuen Frühjahrshut
verweigert und die Gelbsucht bekommen!" — „Der erste Akt ist
gut!" sagte der sechste. „Das heißt, der Kerl sollte herauskommcn,
der immer so lange und blödsinnige Reden hält!" — „Aber" —
rief der Dichter verzweifelt — „das ist ja der Held! Das ist ja
die Hauptfigur!" — „Kann sein!" antwortete der Freund un-
barmherzig. „Der Kerl muß 'rausl Der verdirbt Ihnen alles!"

— „Aber dann fallen ja die anderen vier Akte ganz weg!" schluchzte
der Poet. — „Ist nicht schad'I" meinte der Freund. „Schmeißen
Sie nur den Kerl 'raus!" — Der siebente sagte: „wissen Sie, ich
bin etwas nervös. Ich kann nicht lange bei einem und demselben
bleiben. Ich habe daher Ihr Stück durcheinander mit der Zeitung
gelesen —■ bald ein Stück Stück, dann ein Stück Politik, dann ein
Stück Todesanzeigen, dann ein Stück Roman. Jetzt weiß ich nicht
mehr, was mir mißfallen hat. Aber inißfallen hat mir was.
war's Ihr Stück oder war's die Polnik oder war's ein Roman?
Das wissen die Götter I" — Der achte nahm ihn ans die Seite
und fragte: „Können Sie mir zwanzig Ukark pumpen?" — „Nein!"
antwortete er schuldbewußt. „Aber von den ersten eingehenden
Tantiemen bin ich sehr gern bereit.." — „Ach was!" rief der
andere zornig. „So lange kann ich nicht warten! warum schreiben
Sie denn keine Sachen, die sofort honoriert werden? Das wären

Sie doch eigentlich schon Ihren Freunden schuldig, von denen Sie
verlangen, daß sie an Ihren Werken Anteil nehmen!" — Der
neunte war ein Humorist. „Missen Sie" — sagte er — „der erste
und zweite Akt sind „so so", der dritte, vierte und fünfte „la la"
und das Ganze „so so, la la"!" Dann lachte er sehr vergnügt
und ließ ihn stehen. Der zehnte sagte gar nichts als: „Paffen
Sie auf, daß Sie keinem Psychiater unter die Finger kommen!
Sonst sind Sie für Ihr Leben lang versorgt!"

Da stürmte der Dichter mit dem Stück in seiner verzweistung
unmittelbar zum Theaterdirektor. „So so!" lächelte dieser liebens-
würdig. „Lin neues Stück haben Sie geschrieben? Und Sie sind
nicht zufrieden mit dem Urteil Ihrer zehn Freunde, die es gelesen
haben? G, lassen Sie es ruhig mir da — mit mir werden Sie
zufrieden sein!"

„Darf ich?" jauchzte der Dichter.

„Sie dürfen!" sagte der Direktor und legte es auf einen hohen
-Hausen anderer. „Ich lese cs nämlich überhaupt nicht!"

1 jCLvim


Harun sass im Palaste mit zerfurchter Stirn,

Des Reiches Wohl bedenkend und der Grenzen Schutz
Und tausend Knoten lösend mit geschickter Hand.

Da scholl Geräusch — und in den Säulenhof ergoss

Sich dreistes Volk: „Kalif, schau her! Hier dieser Schuft —

Beleidigt hat er uns, verhöhnt — den Mufti selbst,

Sogar den Kadi f — Einen Spiegel schuf er sich
Und schliff ihn so, dass jeglichem das Angesicht
Verzerrt und lächerlich daraus entgegengrinst.

Das kleinste Fehlerchen wird aufgebauscht. Es wird
Die schönste Nase, ist sie nur ein bisschen lang,

Zum Elefantenrüssel — und der Mund, ist er
Nicht g’rade klein, zum garstigsten Kaulquappenmaul!

So gibt er Ärgernis der Bürgerschaft, soweit

Sie wohlgesinnt — und Sühne heischt die freche Tat!“

So schrie’n sie. Doch bescheiden (rat der Jüngling vor
Mit frohen Augen, stillem Lächeln um den Mund
Und bot dem Herrn voll Anmut seinen Spiegel dar.

Der blickte schweigend in das Glas, indes im Kreis
Der Wohlgesinnten grimmiges Gemurmel schwoll,

Und sah sein Antlitz wunderlich entstellt, sah lang,

Bedenklich lang die Ohren, sah die Nase schief

Und statt des Wärzchens einen Kürbis gross und dick. —
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Mann mit dem Spiegel"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Verschlagwortung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Kirchner, Eugen
Entstehungsdatum
um 1918
Entstehungsdatum (normiert)
1913 - 1923
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 150.1919, Nr. 3841, S. 96
 
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