Fliegende Blätter (150.1919 (Nr. 3832-3857))

hat keinen Ersatz, wütend steh' ich da.
Aber. Gott sei Dank, ich Hab' einen großen
Vorsprung. Wiedehopf kann mich nicht
niehr cinholcn. Ich zahle und renne
davon.

Plötzlich saust ein Radler vorbei. Last
überrumpelt er niich. Er grinst, Wiede-
hopf ist's. Er hat sich irgendwo ein


. >

Rad ausge-
liehen, „Lja-
lunke!" schreie
ich. Aber er hört es nicht
mehr.

Da kommt ein Land-
wägerl mit einem flinken
Pferd. „Aufsitzen lassen I"
winke ich. Ich breite die
Arme aus. Der Rutscher
hält, wir unterhandeln.
Er verlangt einen unverschämten Preis. Ich sage notgedrungen
„Ja!" Ich krarle hinauf. „Nur schnell!" wir rasen davon.

Bald seh'ich zu
meiner jauch-
zenden Schaden-
freude Wiede-
hopf. Er sitzt
anr Wegrand.
Seinem Rad ist
die Luft aus-
gegangen. Er

nruß pumpen, wir im Galopp vorüber. „Noch schneller!" schrei'
ich. Der Kutscher haut auf das Pferd.

Es schlägt aus. Der wagen wirft um.

Ich lieg' im Graben, voll Beulen
krieche ich heraus und renne davon.

„Kling — kling — kling!" Wiede-
hopf saust an mir vorbei.

Ich stürme ihm nach. Da kommt
das Postautomobil hinter mir. Ich
winke mit einem Zehnmarkschein. Man

nimmt mich
niit. Ich ge-
winne wieder
die Vorhand. Ich
komme vor ihm
nach Grünwald.
Ich frage mich
nach dem bsäusl
hin. „vor einer
halben Stund'" —
sagt der Nachbar

— „ist der puber-wastl, dem das päusl
gehört, in die Stadt gefahren. In fünf
Minuten geht wieder ein Zug. wenn Sie
laufen, erwischen Sie den noch, wahr-
scheinlich sitzt der wastl in der Lahnhcf-
restauration. in der Stadt — dort kehrt er
alleweil ein!"

Atemlos renn' ich mit meinem Geheim-
nis nach
dem Bahn-
hof. Unter-
wegs begegnet mir der Wiedehopf.

Er kommt erst jetzt an. „Du bist
ja doch der Geleimte!" lache ich
für mich hin. „Du weißt ja nicht,
daß der wastl in die Stadt ge-
fahren ist und daß er dort in der Bahnhofrestauration sitzt. Bis
Du das herausbringst, Hab' ich das kfäusl gekauft!"

Schweißtriefend komm' ich
an den schon im Gang befind-
lichen Zug. (Ohne Karte springe
ich auf. Im wagen niuß ich
Billett und Strafe zahlen. Dabei
bemerke ich, daß ich meine Brief-
tasche verloren habe. Ich gifte
mich wütend über den Verlust.

Ich freue mich höllisch über die
gewonnene lsetzjagd. Ich platze
vor Ungeduld über den lang-
samen Zug. — Endlich sind wir da. Ich springe hinaus. Ich
renne in die Bahnhofwirtschaft. Gb man den lsuber-wastl kennt?

— Ja freilich, heißt es. — wo er ist?!

— vorhin ist er hinausgegangeu; er
wird wahrscheinlich bald wieder da sein.
Ich stürze ein Glas Bier hinunter und
erkälte mir den Magen.

Da kommt er herein. Ich' schau'
ihn an, ob sein Gesicht nicht verrät,
wie er wohl meinem Angebot gesinnt
ist. Aber es ist undurchdringlich. Uiit
lebhaftem Herzklopfen entschließe ich
mich daher — denn die Zeit eilt —
zu der für mich so sehr bedeutungsvollen Schicksalsfrage.

„kferr kjuber-wastl, ich möcht' Ihr
Uäusl — aber schnell muß es gehn!"

„So?!" sagt er. „G'rad' hat mir's
einer ab'kauft am Telephon!"

„lvie heißt er?!" schrei' ich.

„Lfm!" meint er. „Ja — richtig
— Wiedehopf!" . . . .

w. Herbert nach £. Braun jr. f),RQt‘stLEPVl

Awrirnlel Gesang.

J)urcb das weite Cal, das blühende, klang
Eines Bur[cl)en Stimme, die jauchzend (ang
Don Winne und lDinnewerben —

Und neben ihm fang ein anderer leite
eine gar traurige, ernste lUeife

Uom •flbfebiednebmen und Sterben.

Doch hinter den Beiden wanderfe ich
Und dachte: „Wie ist das wunderlich:

„Dem einen möchte vor Cu ft beim Singen,

Dem Andern vor Wehe das Herz zerspringenI"

3obanna ÜJeUkird).

199