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ter Mann im Mond hat kein sehr ruhiges Dasein, freilich,
solange es Vollmond ist, geht's ihm ausgezeichnet. Da sttzt
er behaglich auf grünsilberner Bank, schmaucht sein Pfeifchen und

schaut als lächelnder Philo-
soph aus die Narrheiten der
Welt herunter. Aber schon,
wenn eines der viertel
kommt, muß er sich gewal-
tig Zwang antun und lehnt
verdrossen im linken oder
rechten Winkel, vollends
gar, sobald Neumond ein-
tritt, wird's mit seiner Woh-
nung unangenehm. Denn
dann muß er plötzlich ausziehen und irrt heimatlos umher. Lin
Glück nur, daß er stets gute Nachbarschaft halt und darum überall
wohl gelitten ist. So sitzt er
dann tagelang am Rand der
Milchstraße, angelt kleine Stern-
fischchen heraus oder krebst nach
langschwänzigen zappelnden Ko-
meten.

Bst auch kommt er auf ein
Plauderstündchen zu seinem alten
Freund Sankt Peter. Dann sitzen
beide, Rauchwolken paffend, vor
der ksimmelstür und plauschen
miteinander von der guten alten
Zeit und anderen schönen und
gemütlichen Dingen. Denn sie

haben ja alle zwei im Lause der vielen Jahrhunderte mancherlei
erlebt — Lustiges und Trauriges, kfoldes und Abscheuliches, auf
der Lrde drunten und anderswo. Überall in der Welt ist ja Leben
und Sterben und Freude und Leid.

Einmal aber jüngst, als ihn der kfimmelspförtner wegen
dringenden Bücherabschlusses nicht brauchen ■ konnte, wußte der
biedere Mann im Mond gar nicht, was auf der lieben weiten
Welt anfangen. Da faßte er sich ein kferz und rutschte auf einem
Frllhlings-Frühsonnenstrahl zur Erde herunter, um sich dort einmal
Wald und wiesen anzuschauen.

„wer bist denn jetzt Du da?I" sagte der alte Schäfer, der
unter der kserde auf der bseide saß. „Mußt nicht aus der Gegend
sein. Denn ich Hab' noch nie einen mit einem so großen seltsamen
Kopf und mit so langen spitzigen Ghren gesehen. Ich rate Dir,
Bruder — dort kommt unser Dorfpolizist — daß Du Reißaus
nimmst. Lr raucht keinen Guten, weißt Du, weil ihm gestern
nachts sein Weib heimgeleuchtet hat. Das Bier beim untern Wirt
schmeckt ihm halt dieweil gar zu gut 1"

Lhe aber der Mann im Mond, der das Ausreißen nicht
gewohnt war, der guten Meinung folgen konnte, stand schon
der gestrenge Knasterbart vor dem Fremdling und verlangte die
Papiere. Schriftliches hatte der Weltwanderer noch niemals ge-

sehen oder gar besessen und konnte auch weder Geburtsdatum an-
geben noch Profession, so daß ihn die heilige ksermandad kurzer.
Hand für arretiert erklärte und in den Gemeindekotter mitnahm.

Das gab den ganzen Tag ein verwundern, Gaffen und
Schwatzen im Dorf. Dichtgedrängt drückten Weiber und Kinder
die Nasen an das kleine Gitterfenster und auch die Mannsleute
standen in der Nähe beieinander, schüttelten die Köpfe, verwahrten
die Türen besser und holten die alten Steinschloßflinten herunter,
falls etwa der gefährliche Patron ausbrechen und kfab und Gut
unsicher machen wollte.

Am andern Tag wurde der Mann im Mond, der sich etwas
schwer auf den holperigen Landstraßen ging, in das Städtchen vor
den lferrn Landrichter gebracht.

„wer ist man? woher kommt man? was will man?" fragte
der, schnupfte und schaute über seine runde Hornbrille den völlig
verdatterten Delinquenten durchdringend an. Der wußte natürlich
jetzt erst recht nicht mehr ein und aus und stotterte mit schwerer
Zunge in einem sonderbaren Dialekt: „Der Mann im Mond —
der Mann im Mond war' ich halt!"

Da runzelte der Herr Landrichter, der sonst ein seelenguter
Mann war, die Stirn in Falten, schlug ein paar alte Bücher auf-
einander, daß fünfzigjähriger Staub herauspulverte, und rief zornig:
„Larifari! Kinderpossen I Schnickschnack! Schwartenmeier, führ'er
den Gefangenen wieder in den Arrest und halt' ihn bei Wasser
und Brot, bis er uns keinen solchen Unsinn mehr auftischt, sondern
respektierlich die Wahrheit vermelden will!"

Also geschah's. Aber des Gefängniswärters Schwartenmcicr
blondes Haustöchter!, das gern abends zu den Sternen emxorsah

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1*
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Mann im Mond"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Vogel, Hermann
Entstehungsdatum
um 1919
Entstehungsdatum (normiert)
1914 - 1924
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 151.1919, Nr. 3858, S. 3

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